Nach seiner Flucht ist sein Jurastudium nichts mehr wert — Jetzt wird Mazen A. Meister, und das liebend gern.
Geflüchtete in KölnVom Jura-Student in Syrien zur Meisterprüfung

Exaktes und selbstständiges Arbeiten liegt Mazen A. – hier im Lager der Malerwerkstätten Epe Köln.
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Vom Team gab's nur Daumen hoch. „Den müssen wir ausbilden“, waren sich alle Gesellen der Malerwerkstätten Epe Köln einig. Da konnte Handwerksmeister Clemens Epe nicht anders. Wollte er auch gar nicht. Denn der neue Praktikant Mazen A. hatte auch ihn sofort überzeugt. Durch seine Tatkraft, die sichtliche Freude an der handwerklichen Arbeit und daran, zu lernen.
Die hat ihm schon in seiner Heimat Syrien Spaß gemacht, da half er oft Nachbarn beim Umbauen oder Renovieren. „Aber in Syrien“, sagt er, „gibt es keine Ausbildung im Handwerk. Anders als hier, wo man die Freiheit und Chance hat, auch handwerkliche Arbeit zu tun, eine Ausbildung zu machen.“ In zweieinhalb statt der üblichen drei Jahre machte der 31-Jährige seine Lehre. Jetzt absolviert er die Meisterschule, büffelt für die anspruchsvollen Prüfungen. Die noch schwerer sind, wenn man die vielen Fachbegriffe in Sachen Material, Normen und Recht nicht in der Muttersprache lernen kann.
Drei Jahre lang hatte Mazen A. in Aleppo Jura studiert. „Nur mit Uniabschluss hatte man in Syrien die Chance auf einen Job. Oder die, ins Ausland zu gehen“, erinnert er sich. Doch dann kam der Krieg, das Studium in der zerstörten Stadt wurde unmöglich und das Leben durch immer wieder aufflammende Kämpfe sehr gefährlich. Mazen und seine beiden Brüder hatten jahrelang keine Perspektive auf Arbeit oder ein Leben ohne ständige Bedrohung.
Jura-Studium wird in Deutschland nicht anerkannt
„Mein Vater hat entschieden, dass wir weggehen sollten, um uns eine Zukunft aufzubauen“, erinnert er sich. Der Vater habe gewollt, dass sie gemeinsam fliehen und aufeinander achtgeben. „Ich habe ihn überzeugt, dass wir einzeln gehen. Damit meine Eltern noch jemanden haben, wenn etwas passiert.“
Alle drei schaffen es. „Einer studiert Zahnmedizin, mein anderer Bruder ist Ingenieur der Kommunikationstechnik“, erzählt Mazen. Er selbst will, nachdem er Deutsch gelernt hatte, zu Ende studieren. Und muss erstmal verkraften, dass sein Jurastudium nicht anerkannt wird. Soll er wieder von vorn anfangen? Oder etwas ganz Anderes tun? Er entscheidet sich, etwas Neues zu versuchen. Etwas, mit dem er seinen Lebensunterhalt auch sichern kann, falls er nicht in Deutschland bleiben darf. Er wagt den Schritt ins Handwerk und findet seinen Traumberuf. „Ich hatte riesiges Glück mit dem Meister und meinen Kollegen. Alle haben mich mit offenen Armen aufgenommen und mir geholfen“, sagt Mazen. „Wir sind ein Team mit ganz unterschiedlichen Nationalitäten und Religionen und machen auch in der Freizeit einiges zusammen.“
Die praktische Arbeit habe ihm von Anfang an riesigen Spaß gemacht, aber die Berufsschule sei schon hart gewesen. Er beißt sich durch. Bleibt oft länger, wenn er etwas nicht verstanden hat, weil es auf Deutsch einfach zu schnell ging. „Aber die Lehrer und Lehrerinnen im Berufskolleg Riemerschmid waren unglaublich. Sie haben sich immer, wirklich immer Zeit genommen, wenn ich oder andere noch Fragen hatten.“ Auch Meister Clemens Epe ist sehr froh über die „sehr engagierte Lehrerschaft“ des Berufskollegs. „Sie nehmen alle mit und sprechen sich mit den Ausbildungsbetrieben ab, was man bei Schwierigkeiten tun kann.“ Parallel zur Berufsschule wird Mazens Deutsch durch die Arbeit im Team stetig besser - auf Baustellen, die immer anders sind.
Er war im Dom-Hotel und der Philharmonie dabei
„Spachteltechniken, Lackierarbeiten, Stuck, Bodenbeläge, Trockenbau - am meisten Spaß macht mir, dass man viele verschiedene Techniken lernt und anwenden muss.“ Das ist in dem Handwerksbetrieb der fünften Generation, der in Remscheid und in Köln ansässig ist, die Regel. Denn das Team von Clemens Epe ist an vielen namhaften Kölner Bauprojekten beteiligt – Opernhaus, Schauspielhaus, Philharmonie, Stollwerk-Bürgerhaus, Dom-Hotel und Blau-Gold-Haus stehen oder standen auf der Auftragsliste des Familienbetriebs. Ein Firmenfoto zeigt Mazen A. auf dem RTL-Turm, mit Blick auf Köln. Hier hat er mit einem Kollegen das Außengeländer neu lackiert. Das geht natürlich nur, wenn man schwindelfrei ist. „Bin ich“, sagt Mazen schmunzelnd. „Manchmal.“
Gerade allerdings ist seine einzige Baustelle die Meisterprüfung im April. Clemens Epe hatte ihn zur Meisterschule in Vollzeit ermutigt; und auch dazu sich fürs Stipendium zu bewerben, das er bekommen hat. Entspannen könne er sich bei Spaziergängen mit seiner Frau, sagt der 31-Jährige. Die führen dann allerdings manchmal ganz zufällig an zahlreichen Gebäuden vorbei, auf denen er in den vergangenen Jahren gearbeitet hat. Weil es Spaß mache, die seiner Frau zu zeigen. Und stolz auf die eigene Arbeit zu sein.