Kölner Corona-Patient„Die heftigste Erkrankung, die ich jemals hatte“

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Coronatest

Eine Probe mit einem Nasenabstrich eines Patienten wird für den Test vorbereitet (Symbolbild)

  • Corona-Patient 111 aus Köln ist über den Berg.
  • Über seine Erfahrungen mit der Krankheit berichtet uns der 53-Jährige im Gespräch.

Köln – „Es war die heftigste Erkrankung, die ich jemals hatte.“ Das sagt Markus N., der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen will, über seine Corona-Infektion. N. ist 53, verheiratet, Vater von zwei Töchtern. Corona? Für ihn bis zum 8. März kein Thema. Er ist kerngesund. Mehrmals die Woche macht er Sport, joggt. Er hat noch nicht mal einen leichten Schnupfen bevor die Infektion ausbricht.

„Es fing am Sonntag, den 8. März an, dass es mir nicht gut ging. Ich hatte plötzlich Schüttelfrost und das Gefühl, dass irgendwas in meinem Körper passiert“, erinnert sich N.. Nachts kam Fieber hinzu. 39,5 Grad. „Außerdem hatte ich Kopf- und Gliederschmerzen und mein Rücken tat weh. Die Rückenschmerzen konnte ich gar nicht einordnen“, erzählt der Familienvater. Auf Corona kommt er nicht. „Am Anfang habe ich mir gar nicht so viele Gedanken gemacht.“ Er war nicht im Skiurlaub, auch sonst in keinem Risikogebiet, hatte keinen wissentlichen Kontakt zu einem Infizierten. „Ich dachte, ich hätte eine normale Influenza.“

Anregung zum Test kam von der Ehefrau

Nach zwei Tagen im Bett schickt seine Frau ihn zur Hausärztin. Telefonisch wird abgeklärt, dass er keinem Corona-Risiko ausgesetzt war. In der Praxis hört die Hausärztin die Lunge ab und stellt eine Lungenentzündung fest. Sie nimmt Blut ab und führt Abstriche durch, die auf Influenza getestet werden. Sicherheitshalber schickt sie N. für den nächsten Tag – es ist Freitag, 13. März, – zum Lungen-Röntgen. Der Röntgenarzt findet nichts, aber N. geht es immer noch schlecht. „Es ging auf und ab. Jeden Abend hatte ich Fieber. Ich habe dann Ibuprofen genommen und nachts sehr viel geschwitzt.“ Seine Frau regt an, dass er sich auf das Coronavirus testen lässt. Die Hausärztin veranlasst, dass ein Abstrich-Rest darauf untersucht wird.

Ordnungsverfügung zur häuslichen Quarantäne

Am Samstag steht fest: Corona positiv. „Die Hausärztin rief an. Sie war auch etwas besorgt, dass sie sich vielleicht infiziert hat.“ Das Gesundheitsamt meldet sich ebenfalls. Jetzt weiß N., dass er „Patient 111“ in Köln ist. Er erhält eine Ordnungsverfügung, dass er in häuslicher Quarantäne bleiben soll und ein Tagebuch über den Krankheitsverlauf und seine Symptome führen muss. Auch der Rest der Familie steht unter Quarantäne. Sie werden alle einen Tag später getestet – negativ. Zudem soll N. eine Liste mit den Leuten erstellen, mit denen er in den Tagen vor dem Krankheitsausbruch Kontakt hatte. „Das fiel mir schwer. Noch am Montag, 8. März, war ich bei meinem Bruder gewesen, der Arzt ist.“ Freunde, Nachbarn und Kollegen werden informiert. Sie versorgen in den kommenden Tagen die Familie mit Essen, das sie vor der Tür abstellen.

Doch viel rührt N. davon nicht an. Er liegt im Bett im Schlafzimmer. Seine Frau schläft in einem anderen Zimmer. Elf Tage hat er Fieber, ist schlapp. „Ich habe versucht, Fernsehen zu gucken, wenn ich mich mal etwas besser fühlte, aber spätestens nach 30 Minuten ging es nicht mehr.“ Sein Kopf schmerzt. „Außerdem hatte ich einen komischen Belag auf der Zunge. Mein Geruchssinn war eingeschränkt und ich konnte auch nix schmecken. Äpfel konnte ich essen, das ging ganz gut. Aber alles andere Obst schmeckte irgendwie bitter. Und ganz normal ist mein Geschmackssinn immer noch nicht.“ Zehn Kilo nimmt N. im Lauf der Erkrankung ab.

Täglich Besuch vom Gesundheitsamt

Einzig die Mahnung, viel zu trinken, beherzigt N. Inzwischen hat er auch schlimmen Husten, der ihn anstrengt. Er nimmt Hustenstiller. Seine Frau versorgt ihn, er passt auf, sie nicht anzuhusten. Die ganze Familie achtet peinlich genau auf Hygiene, wäscht sich die Hände, desinfiziert. „Ich hatte Luftnot. Wenn ich die Treppe hoch gegangen bin, musste ich nach Luft ringen.“ Täglich meldet sich ein Mitarbeiter des Gesundheitsamts. N. hat von dort zwei vertrauliche Telefonnummern bekommen. Eine könnte er wählen,wenn er generelle Fragen habe, die andere, wenn es ihm gesundheitlich schlechter ginge. „Ich wollte auf keinen Fall ins Krankenhaus, weil ich Angst hatte, mir da noch etwas Zusätzliches einzufangen“, sagt N. Das schafft er. Aber es geht ihm lange schlecht.

Erst nach elf Tagen geht es langsam bergauf

Erst am 19. März, elf Tage nach Beginn der Krankheit, geht es langsam wieder bergauf. „Es dauert, wieder auf die Beine zu kommen“, sagt N. am Donnerstag. Seine Frau machte am Ende ihrer Quarantäne nochmals freiwillig einen Test. Wieder negativ. Nach zwei fieberfreien Tagen und mit keinen weiteren Symptomen ist bei N. die Quarantäne aufgehoben. Schritt für Schritt versucht er, wieder an seine alte Leistungsfähigkeit heranzukommen. „Ich fühle mich immer noch ganz schön platt.“ Während er am Telefon über seine Covid-19-Erkrankung spricht, hüstelt und räuspert er sich immer wieder. Nachwehen der Lungenentzündung.

„Die gesamte Krankheit war sehr bedrückend, denn keiner wusste, wo es hingeht“, sagt N. Mental müsse er das jetzt erst mal verarbeiten. Einige Werte jedoch hätten sich schon verschoben. „Als ich das erste Mal wieder aufstehen und das helle Licht sehen konnte, da habe ich mich gefreut.“ Es sei sehr seltsam gewesen, „in einer Phase, in der die ganze Welt verrückt ist“ zu erkranken. Ein weiterer Effekt seiner Erfahrung: „Ich mache mir ernste Sorgen um meine Eltern. Die hätten keine Chance, das durchzustehen.“

Corona-Krise in Zahlen

1075Kölner sind (Stand 15 Uhr am Donnerstag) nach amtlicher Kenntnis und per Laboruntersuchung bestätigt mit dem Corona-Virus infiziert.

In stationärer Quarantäne befinden sich zurzeit 43 dieser Infizierten, 14 von ihnen auf einer Intensivstation. Acht müssen künstlich beatmet werden.

Die Verbesserungen in der Statistik meldete Stadtdirektor Keller schon am Mittag. So seien inzwischen 284 Patienten aus häuslicher Quarantäne entlassen worden, zehn aus stationärer. Der fünfte Todesfall, der auf Corona zurückzuführen ist, wurde bekannt. Es handelt sich um einen 83-Jährigen, der bereits am Mittwochnachmittag in einem Krankenhaus starb. Wie die Stadt mitteilte, war er durch Vorerkrankungen geschwächt.

20 Mitarbeiter des Krisenstabes suchen weltweit nach Material wie Atemmasken. Es soll in Pflege und Altenheimen verwendet werden. (mfr)

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