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Kölner Expertin im InterviewWie Suizide verhindert werden können

Lesezeit 5 Minuten
Symbolbild Suizid

Ausweglos erscheint Menschen mit Suizidgedanken ihre Lage. 

Jedes Jahr sterben in Deutschland mehr als 9000 Menschen durch Suizid. Die Förderung und Entwicklung der Suizidprävention hat sich das Nationale Suizidpräventionsprogramm (NaSPro) zum Ziel gesetzt.  Diana Haß sprach mit der Leiterin, der Kölner Professorin Barbara Schneider. 

Beratung und Seelsorge in schwierigen Situationen

Kontakte | Hier wird Ihnen geholfen

Wir gestalten unsere Berichterstattung über Suizide und entsprechende Absichten bewusst zurückhaltend und verzichten, wo es möglich ist, auf Details. Falls Sie sich dennoch betroffen fühlen, lesen Sie bitte weiter:

Ihre Gedanken hören nicht auf zu kreisen? Sie befinden sich in einer scheinbar ausweglosen Situation und spielen mit dem Gedanken, sich das Leben zu nehmen? Wenn Sie sich nicht im Familien- oder Freundeskreis Hilfe suchen können oder möchten – hier finden Sie anonyme Beratungs- und Seelsorgeangebote.

Telefonseelsorge

Unter 0800 – 111 0 111 oder 0800 – 111 0 222 erreichen Sie rund um die Uhr Mitarbeiter, mit denen Sie Ihre Sorgen und Ängste teilen können. Auch ein Gespräch via Chat ist möglich. telefonseelsorge.de

Kinder- und Jugendtelefon

Das Angebot des Vereins "Nummer gegen Kummer" richtet sich vor allem an Kinder und Jugendliche, die in einer schwierigen Situation stecken. Erreichbar montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr unter 11 6 111 oder 0800 – 111 0 333. Am Samstag nehmen die jungen Berater des Teams "Jugendliche beraten Jugendliche" die Gespräche an. nummergegenkummer.de.

Muslimisches Seelsorge-Telefon

Die Mitarbeiter von MuTeS sind 24 Stunden unter 030 – 44 35 09 821 zu erreichen. Ein Teil von ihnen spricht auch türkisch. mutes.de

Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention

Eine Übersicht aller telefonischer, regionaler, Online- und Mail-Beratungsangebote in Deutschland gibt es unter suizidprophylaxe.de

Beratung und Hilfe für Frauen

Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen" ist ein bundesweites Beratungsangebot für Frauen, die Gewalt erlebt haben oder noch erleben. Unter der Nummer 08000 116 016 und via Online-Beratung unterstützen werden Betroffene aller Nationalitäten rund um die Uhr anonym und kostenfrei unterstützt.

Psychische Gesundheit

Die Neurologen und Psychiater im Netz empfehlen ebenfalls, in akuten Situationen von Selbst- oder Fremdgefährdung sofort den Rettungsdienst unter 112 anzurufen. Darüber können sich von psychischen Krisen Betroffene unter der bundesweiten Nummer 116117 an den ärztlichen/psychiatrischen Bereitschaftsdienst wenden oder mit ihrem Hausarzt Kontakt aufnehmen. Außerdem gibt es in sehr vielen deutschen Kommunen psychologische Beratungsstellen.

Wie häufig kommt es zu Selbsttötungen?

In Deutschland sterben mehr Menschen durch Suizid als durch Verkehrsunfälle, Aids, illegale Drogen und Gewalttaten zusammen. In den letzten Jahren gab es meist um die 100 Suizide in Köln.

Kann man vorbeugen?

Ja. Das Wichtigste ist, dass wir alle hinsehen und das Thema nicht tabuisieren. Dass wir tatsächlich jemandem auch Hilfe anbieten, wenn wir die Befürchtung haben, er oder sie könnte suizidal sein. Das Wichtigste ist ein offenes und vorurteilsfreies Gespräch.

Manche mögen befürchten, jemanden durch die Nachfrage erst auf den Gedanken zu bringen …

Das ist eine verbreitete Sorge. Aber das ist ein Mythos. Gespräche entlasten die Betroffenen sehr. Darin sollten wir vermitteln, dass Unterstützung und Hilfe möglich ist. Eine Möglichkeit ist, die Telefonseelsorge unter der Nummer 0800 1110111 oder 0800 1110222 anzurufen. Es gibt Experten, die sich auskennen und rund um die Uhr helfen. Die psychiatrischen Kliniken wie die LVR-Klinik in Köln-Merheim und die anderen psychiatrischen Kliniken in Köln sind rund um die Uhr geöffnet und dort gibt es immer Fachkräfte mit Expertise.

Kölner Netzwerk mit Online-Portal

Zur Person: Professorin Barbara Schneider (58) ist Chefärztin der Abteilung Abhängigkeitserkrankungen, Psychiatrie und Psychotherapie der LVR-Klinik Köln und Leiterin des Nationalen Suizidpräventionsprogramms für Deutschland (NaSPro).

Seit 2003 findet der Welt-Suizid-Präventionstag jedes Jahr am 10. September statt. Das Motto ist auch in diesem Jahr „Aktiv werden und Hoffnung schaffen“.

Hilfe liefert auch das Kölner Netzwerk für Suizidprävention „Überlebenswert“. Das Online-Portal wendet sich an Betroffene, Nahestehende, Hinterbliebene und Menschen, die beruflich mit Gefährdeten zu tun haben. (dha)

Ab wann ist man suizidal? Gedanken, dass man das Leben beenden könnte, sind ja einigen nicht fremd.

Die Auseinandersetzung mit dem Tod gehört zum Leben. Solche Gedanken kennen ganz viele Menschen, auch beispielsweise, wenn sie körperlich krank oder in Krisen sind. Wenn die Gedanken ganz plötzlich kommen, dann ist es gefährlich.

Was sind denn Warnsignale?

Wenn jemand tatsächlich sagt, dass er sich das Leben nehmen will oder die Suizidgedanken nicht mehr kontrollieren kann. Auch ein geändertes Verhalten kann ein Warnsignal sein. Wenn jemand beispielsweise Tabletten sammelt oder sich auffällig verhält. Indirekte verbale Äußerungen können ein Hinweis sein. Wenn jemand sich bedankt, Dinge verschenkt, sein Testament macht. Schwierig wird es, wenn sich jemand völlig zurückzieht. Wenn jemand über seine Suizidalität spricht, dann ist es einfach zu erkennen, dass jemand unterstützt werden möchte.

Ich zucke jedes Mal zusammen, wenn ich das Wort Selbstmord höre …

Ja! Das ist ein Wort, das Fachleute nicht benutzen. Mord beinhaltet eine Wertung. Die ganzen niedrigen Beweggründe schwingen darin mit. Das Wort sollte man nie verwenden. Deshalb sollte man von Selbsttötung sprechen oder von Suizid.

Hat die Pandemie die Situation bei Suiziden verändert?

Man muss da ganz genau hingucken. Zahlenmäßig hat sich da nichts verändert. Aber bei einzelnen Gruppen schon. Punktuell waren zu bestimmten Zeitpunkten an bestimmten Orten ganz bestimmte Gruppen mehr gefährdet.

Wie sollte man sich verhalten, wenn sich sehr nahesteht?

Es wird schwieriger, zu helfen, wenn man emotional eng verbandelt ist. Wenn man ein Elternteil ist, ein Partner, ein Geschwister. Da ist man selber viel mehr involviert. Was den anderen betrifft, das betrifft ja auch das eigene Leben. Da ist Hilfe von außen besser.

Kann man mit den richtigen Worten helfen?

Wenn jemand in einer tiefen Depression ist, dann ist der Mensch wie in einem Tunnel. Dann ist das Blickfeld total eingeengt. Derjenige kann nicht mehr nach rechts und links gucken. Sieht den Suizid als einzige Lösung. Menschen, die suizidal sind, sind komplett eingeengt, darauf, dass der Suizid der einzige Ausweg ist.

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Das ist für jemanden, dessen Blickfeld in einer ähnlichen Situation weiter ist, und der auch andere Möglichkeiten und Spielräume sieht, gar nicht so nachvollziehbar. Also leider kann man mit aufmunternden Worten in einer solchen Situation wenig ausrichten.

Bewegen Sie mit der Suizidprävention etwas?

Ja. Durch den Hinweis, dass man bei Suizidalität helfen kann, bewegt sich etwas. Und das ist auch sehr wichtig.