Kölner Kult-AufzügeFür den Paternoster geht es abwärts

In der IHK Köln fährt der Paternoster auf fünf Stockwerken für alle Besucher und Mitarbeiter seit fast 63 Jahren unfallfrei. Ab 1. Juni bleibt er vorerst stehen. (Fotos: Meisenberg/dpa)
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Köln – Ein vorsichtiger, aber beherzter Schritt und drin ist man, im unendlich kreisenden Paternoster. Das ist aufregend, denn die Nostalgie fährt immer mit. Alleine in Köln gibt es dreizehn noch aktive Personen-Umlaufaufzüge, so der offizielle Name, einige wenige sind für jedermann zugänglich. Zum 1. Juni drohen in einer neuen Betriebsverordnung aber nun Einschränkungen vom Bundesarbeitsministerium: Nur noch durch vom Arbeitgeber eingewiesene Beschäftigte dürfen die Aufzüge verwenden, heißt es aus Berlin. Ein Betriebsverbot sei das allerdings nicht, betonte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles. Die Arbeitsschutzbehörden der Länder hätten eingefordert, den Publikumsverkehr einzustellen. Grund seien schwere Unfälle und Todesfälle in der Vergangenheit.
„In Köln ist mir kein Fall bekannt“, sagt Frank Ehlert, Pressesprecher beim TÜV-Rheinland. Jährlich lässt dieser die noch betriebenen Paternoster warten, eine Statistik über Unfälle gebe es allerdings nicht. Bei der IHK Köln ist seit 1951 niemand zu Schaden gekommen. So lange gibt es den urigen Aufzug dort schon. „Der Paternoster ist unser Markenzeichen“, sagt Geschäftsführer Ulrich Soénius, der sich über die neue Betriebsverordnung ärgert: „Mir ist vollkommen schleierhaft, wie man einen Paternoster mit Schiffshebewerken oder Mühlen-Bremsaufzügen gleichsetzen kann“, zitiert er aus dem Schreiben des Ministeriums. Hunderte Mitarbeiter, Kunden und Besucher nutzen nach Angaben des Geschäftsführers täglich den Paternoster, viele mit großer Begeisterung, wie zuletzt eine Delegation aus China. Am 1. Juni soll der Betrieb des Paternosters nun zunächst eingestellt werden. Soénius will dann Kontakt zu anderen Kölner Betreibern aufnehmen und sich in Berlin gegen die Verordnung wehren. „Wir werden nicht hinnehmen, dass der Paternoster mit einem bürokratischen Federstrich einfach aus der Geschichte gestrichen wird“, so Soénius.
Gerade 250.000 Euro investiert
Auch im Hansahochhaus war der Ärger am Donnerstag groß, als die Koerfer'sche Hausverwaltung von der Bundesverordnung erfuhr. „Wir haben im Dezember noch mal 250 000 Euro in den Paternoster gesteckt“, so Geschäftsleiter Bodo Schmidt. Der mit 15 Stockwerken und 26 Kabinen zweithöchste Paternoster Deutschlands wurde vor genau 90 Jahren von der Kölner Maschinenfabrik L. Hopmann eingebaut. Heute befindet er sich hinter einer Glastür, nur die Mieter des Hansahochhauses können ihn benutzen – bisher gehörten dazu aber auch Gäste und Kunden. „Der Denkmalschutz müsste jetzt aufstehen und protestieren“, fordert Schmidt. Der Paternoster gehöre ohne Frage zum Kulturgut.
In der WDR-2-Sendung „Paternoster“ gehört der Aufzug sogar zum Konzept. Bei den Interviews, die dort im Funkhaus geführt werden, bleiben die Gäste stehen. Die Durchfahrt gefährdet die Gesundheit aber nicht: Es ist tatsächlich nur erfunden, dass sich die Kabine bei der Fahrt oben oder unten herum auf den Kopf dreht. „Seit über zehn Jahren benutzen nur WDR-Mitarbeiter den Aufzug“, sagt ein Sprecher des Senders. Damals wurden von der Bundesregierung bereits strengere Vorschriften zur Benutzung erlassen. Einen Zwischenfall habe es davor tatsächlich gegeben: Ein Handwerker stieg mit einer übergroßen Leiter ein und beschädigte den Paternoster. Verletzte gab es nicht. Interviewpartner und Besucher müssen nun von geschulten Mitarbeitern begleitet werden. Die bekommen in der kommenden Woche eine E-Mail: „Da steht noch mal drin, worauf beim Fahren zu achten ist“, hieß es beim WDR.
Auch bei einigen Kölner Unternehmen, die einen Paternoster betreiben, gibt es bereits die Regelung, dass nur geschulte Mitarbeiter die Aufzüge benutzen dürfen. Die Galeria Kaufhof hat in ihrer Filiale an der Hohe Straße und in der Hauptverwaltung insgesamt fünf Paternoster. Für die richtige Benutzung gebe es einen Film, der allen neuen Mitarbeitern in der Hauptverwaltung gezeigt werde, so eine Sprecherin der Galeria Kaufhof. Kunden kommen dort nicht mit dem nostalgischen Gefährt in Berührung. Im Disch-Haus, in dem unter anderem „Manufactum“ einen Laden hat, muss kurz vor dem Paternoster ein Drehkreuz wie im Schwimmbad passiert werden. So soll die Benutzung durch Unbefugte ausgeschlossen werden.
Gerade an den Paternoster gewöhnt hatte man sich bei Radio Köln. Vor nur 15 Monaten war der Sender in die ehemalige Firmenzentrale von Felten & Guilleaume in Mülheim gezogen. „Wenn der nun stillgelegt würde, das wäre desaströs“, sagt Chefredakteurin Claudia Schall. Im selben Haus befindet sich die Internationale Filmschule Köln. Und auch der Vermieter ist noch ratlos, was getan werden soll. „Das gibt Stau vor dem herkömmlichen Fahrstuhl“, prognostiziert Schall. Der Paternoster sei immer noch die schnellste Fortbewegung im Haus. Und sicher auch die spannendere.