Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Kölner KulturTanzfaktur in Poll bekommt eine zweite Halle

Lesezeit 4 Minuten
Tanzfaktur Poll

Tanz auf der Baustelle: Slava Gepner (l.) und Alexander Ernst in der neuen Halle.

Köln – Das seltsame Gefühl eines Déjà-vu beschleicht einen beim Blick in diese Industriehalle. Wie war das noch vor acht Jahren, als der damalige Kulturamtsleiter Konrad Schmidt-Werthern mit viel Ambition und Fördergeld in Mülheim ein Tanzhaus installieren wollte? Allein, die Halle war ungeeignet.

Nun gibt es wieder eine Industriehalle, diesmal in Poll, und sie scheint sehr geeignet. „Ja, es ist wie ein Traum, der wahr wird. Der Raum besitzt eine Höhe von über sieben Metern, ist 1000 Quadratmeter groß und vor allem besitzt er Fluchtwege“, erklärt Slava Gepner. Das Beste an der Immobilie ist jedoch die Tatsache, dass sie gleich an die von Gepner geleitete Tanzfaktur anschließt. Die Hallen stehen schräg zueinander, so dass sich ein kleiner Vorplatz ergibt. Schon jetzt gibt es dort eine Terrasse, die zur Lounge der Faktur gehört.

Tanzfaktur wird von der Stadt Köln und dem Land NRW gefördert

Vor fünf Jahren ließ sich Gepner auf dieses „Abenteuer“ ein. Zuvor hatte die Familie Campinge an gleicher Stelle eine Manufaktur für Möbel und Fenster betrieben. Nach dem Umzug der Firma stand die erste Halle leer. Gepner mietete sie zu guten Konditionen. Der Familie verdankt er viel, wie er betont. „Ich bin ein ehrgeiziger Mensch“, sagt der 45-jährige gebürtige Breslauer. Und die Faktur entwickelte sich prächtig. Neben Kölner Premieren belüfteten vor allem das internationale Tanzprogramm und der Versuch, die legendäre Sommerakademie wieder aufleben zu lassen, die hiesige Szene.

Und: Die Faktur gehört zur immer noch überschaubaren Anzahl kultureller Highlights im rechtsrheinischen Köln. Ein Trumpf ist zudem die gute Erreichbarkeit, die Straßenbahnhaltestelle Siegburgerstraße liegt gleich vor der Haustür, und auf dem Gelände selbst gibt es genügend Parkplätze.

Derzeit verfügt man über vier Tanzstudios und einen Bühnenraum. Slava Gepner erzählt von einem unerwarteten Geschenk, das Ministerpräsident Armin Laschet dem Haus Weihnachten 2017 mit einer neuen Zuschauertribüne machte. So wird die Tanzfaktur nun vom Land NRW und von der Stadt Köln gefördert. Ein wenig Neid macht sich in der freien Szene bemerkbar. Slava Gepner sagt dazu: „Ich bin wie ein Bäcker. Ich backe mein Brot wie es kommt.“ Womit er auf die gute Nachfrage hinweist, die ihm allein im letzten Herbst wöchentlich Premieren und ein volles Haus bescherte.

Eröffnung im Juli geplant

Kann die Tanzfaktur ein Tanzhaus für Kölns freie Szene sein? Das ist die Gretchenfrage angesichts der neuen Möglichkeiten mit einer Bühne, die wie keine andere in der Stadt auch über ausreichend Höhe verfügt. Eine halb so große Stadt wie Düsseldorf besitzt mit dem Balletthaus, der Oper, dem FFT Juta und dem Tanzhaus vier erstklassig ausgestattet Orte für den Tanz. Wuppertal sattelt gerade üppig mit dem Pina Bausch Zentrum auf. Und die Millionenstadt Köln, in der fast die Hälfte aller Tanzschaffenden Nordrhein-Westfalens leben, werkelt in Behelfskonstruktionen wie der Alten Feuerwache vor sich hin.

Nicht alleine das stetige Wachstum der Stadt verlangt nach einer größeren Präsenz der Tanzkunst. So verweist Alexander Ernst, der mit Slava Gepner die Organisation der Faktur stemmt, auf die Verantwortung einer Gesellschaft hin, „deren Körperbild von Kommerz, Gewalt und Sex bestimmt wird. Der Tanz kann dem etwas entgegensetzen und uns helfen, die körperlichen Selbstverständlichkeiten des Alltags wieder neu wahrzunehmen.“

Freilich braucht es einen Ort, an dem der Austausch zwischen Tänzern und Publikum stattfinden kann. Das neue Quartier am Deutzer Hafen liegt gleich gegenüber, wäre es jetzt nicht an der Zeit, dem freien Tanz in Köln eine feste Heimat zu geben?

Die Tanzfaktur will auf jeden Fall ihre neue Halle „spätestens am 12. Juli eröffnen, wenn wir unseren fünften Geburtstag und die Eröffnung der Sommerakademie feiern“. Die Finanzierung sei zwar noch nicht komplett gesichert, aber die Anträge gestellt und die bisherigen Signale positiv.

Erste Premiere

Im letzten Jahr gewann das Ensemble Killer & Killer mit ihrer Fassung von Kafkas „Der Prozess“ den Kunstsalon-Theaterpreis. Im Februar verantworten sie die erste Premiere des neuen Jahres in der Tanzfaktur. Das Solo „Die mit den Augen atmen“ thematisiert die Spannung, die zwischen künstlichen Welten und der physischen Realität entsteht. Termine: 8. und 9.2. (20 Uhr) sowie 10.2. (18 Uhr), Siegburger Str. 233w, Karten-Tel. 0221/ 222 00 583. Mehr unter www.tanzfaktur.eu (EB)