Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Einblicke in eine ParallelweltSchwere Vorwürfe gegen Ex-Bandidos-Chef

3 min
Rockerprozess

Auf der Anklagebank: Der Ex-Bandidos-Chef (Bildmitte im rosa  Hemd) und seine Ehefrau (rechts) im Kölner Landgericht.

Köln – Man hätte meinen können, im Saal 210 des Justizzentrums an der Luxemburger Straße findet ein stinknormaler Prozess statt. Statt wie sonst bei Verfahren gegen Mitglieder von Rockerclubs gab es keine Abschottung des Saals mit verschärfter Einlasskontrolle. Dabei sitzt seit Dienstag mit dem ehemaligen Präsidenten des Rockerclubs „Bandidos MC Cologne“ eine frühere Führungsfigur aus der Kölner Rockerszene auf der Anklagebank. Ebenfalls dort Platz nehmen muss seine Ehefrau (37), mit der er drei Kinder hat.

Anschubfinanzierung für Kosmetikstudio

Gemeinsam, so die Anklage, soll das Paar einen Schweizer Geschäftsmann um rund 520 000 Euro erleichtert haben. Seit 2002 soll die 37-Jährige eine Scheinbeziehung mit dem Schweizer geführt haben. Der gut betuchte Mann glaubte offensichtlich an die große Liebe, stellte die Frau der Mutter als seine Lebenspartnerin vor. Sein Portemonnaie saß, folgt man der Anklage, für seine Angebetete recht locker. So soll er ihr zwei BMWs, Reisen und die Anschubfinanzierung für ein Kosmetikstudio gezahlt haben. Auch nachdem die 37-Jährige schon mit dem 33-Jährigen verheiratet war, soll sie die Scheinbeziehung weitergeführt haben. Als sie 2017 von ihrem Ehemann schwanger wurde, täuschte sie laut Anklage vor, dass ihr Schweizer Liebhaber der Vater sei. Zur Absicherung ihrer und der Existenz der Kinder drängte sie auf den Kauf einer Luxuswohnung im Zollhafen. Wieder gab der Schweizer Geld, bis ihm im Dezember 2017 ein Licht aufgegangen sein muss und er die Zahlungen einstellte. Von dem Geld sollen die Angeklagten nicht die Wohnung gekauft, sondern den eigenen „exklusiven Lebensstil“ finanziert haben.

Der 33-Jährige ist ferner wegen der Beteiligung an einer Schießerei mit einem Rivalen von den verfeindeten „Hells Angels“ am helllichten Tag auf der Altenberger Straße Anfang Januar 2019 angeklagt. Damals trafen die Angeklagten rein zufällig auf den „Hells Angel“ im Büro ihres Steuerberaters. Es kam zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen den Männern, die handgreiflich wurde und sich auf die Straße verlagerte. Dort gipfelte der Vorfall in eine gegenseitige Schussabgabe. Wie durch ein Wunder wurde auf der belebten Straße niemand verletzt. Pikantes Detail: Die Waffe soll dem 33-Jährigen von seiner Ehefrau aus deren Handtasche gereicht worden sein.

„Hier ist ein offener Konflikt auf der Straße entstanden“

Die Schießerei hatte im Januar vergangenen Jahres für reichlich Wirbel gesorgt: „Hier ist ein offener Konflikt auf der Straße entstanden, wo Unbeteiligte extrem gefährdet werden“, hatte Polizeipräsident Uwe Jacob gesagt, nachdem am gleichen Abend – vermutlich ein Vergeltungsakt – auch noch auf ein Café der Hells Angels in Buchheim geschossen worden war. Im September vergangenen Jahres wurde der ebenfalls beteiligte Hells Angel vom Amtsgericht Köln zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt.

Doch damit nicht genug. Dem 33-Jährigen wird auch noch ein Raubüberfall auf einen Rösrather Juwelier zur Last gelegt. Im Februar 2018 soll er mit weiteren Mittätern dem Schmuckhändler vor dessen Wohnhaus aufgelauert haben, um türkischen Goldschmuck im Wert von bis zu 300.000 Euro zu erbeuten. Zudem werden den Eheleuten weitere Betrugstaten, Urkundenfälschungen, Inverkehrbringen von Falschgeld sowie illegaler Waffenbesitz zur Last gelegt.

Die Angeklagten gaben an, zu den Vorwürfen zu schweigen. Bis Ende September sind weitere 28 Verhandlungstage terminiert.