Kölner SchauspielPeter Hinterkausen berichtet über die Dramen eines Theaterarztes

Theaterarzt Peter Hinterkausen. Für die Zuschauer eigentlich, aber auch hinter den Kulissen wird nach ihm gefragt.
Copyright: dpa
Köln – Das große Drama spielt sich an diesem Tag nicht auf der Bühne ab, sondern auf der Toilette. Eine Frau hat sich den Magen verdorben. Viermal rückt der Arzt Peter Hinterkausen aus, um nach ihr zu schauen. Schon beim ersten Mal rät er: „Gehen Sie nach Hause.“ Vergeblich. Nicht verwunderlich, denn die berühmte Opernsängerin Cecilia Bartoli steht in der Philharmonie auf der Bühne.
Nicht nur zum Vergnügen
„Ich hatte mich sehr auf das Konzert gefreut“, sagt Peter Hinterkausen. Doch der 58-Jährige ist nicht zum Vergnügen in der Philharmonie. Zumindest nicht ausschließlich. Er ist Theaterarzt und kümmert sich bei Aufführungen in der Oper, im Schauspielhaus oder in der Philharmonie um in Ohnmacht gefallene Besucher oder verletzte Musiker und Schauspieler. Die Ärzte kommen aus allen medizinischen Bereichen.Peter Hinterkausen praktiziert seit 33 Jahren als Hals-Nasen-Ohren-Arzt, seit 25 Jahren ist er außerdem in Oper, Philharmonie und Schauspielhaus im Einsatz. Ehrenamtlich. Dafür gibt es zwei Karten für die Vorstellung - am Rand, damit der Arzt schnell beim Patienten ist. Wäre der silberne Notfallkoffer nicht dabei, Hinterkausen würde sich nicht vom normalen Besucher unterscheiden.
Für Zuschauer zuständig
Sabine Döring vom Kölner Schauspiel teilt die Mediziner ein. Jeder Arzt hat einen bestimmten Einsatztag und ist in der Regel alle zwei Wochen an der Reihe. „Ich teile die 40 Ärzte aus unserem Pool in drei Gruppen ein, die alle drei Monate wechseln. Damit sie nicht immer die gleichen Stücke sehen müssen“, sagt Döring. Weitere zehn bis 15 Ärzte stehen auf einer Ersatzliste. „Eigentlich sind die Ärzte vor allem für die Zuschauer zuständig. Die Künstler glauben aber, dass die Mediziner vor allem für sie da sind.“ Manchmal frage ein Schauspieler vor der Vorstellung nach einem Arzt. „Wenn an dem Tag zufällig ein Urologe da ist, sind sie irritiert.“
HNO-Arzt Peter Hinterkausen ist wegen seiner Fachrichtung sehr beliebt bei Opernsängern. „Wenn sie wissen, dass ich da bin, rufen sie mich auch häufig hinter die Bühne“, sagt der 58-Jährige, der schon seit seiner Schulzeit leidenschaftlicher Theater- und Opern-Besucher ist. Ansonsten wird er häufig mit fachfremden Dingen konfrontiert. Einmal hat eine Schauspielerin ein Ätzmittel ins Auge bekommen. Der Hauptdarstellerin des Musicals „Evita“ musste Hinterkausen die Schulter wieder einrenken.
Bisher kein Todesfall
Einen Todesfall hatte er bisher nicht in seinem Dienst. „Schlimm ist es, wenn ein Patient mit dem Krankenwagen abgeholt werden muss“, sagt Hinterkausen. Denn natürlich könne er vor Ort nur die Erstversorgung sicher stellen. Am häufigsten kommen Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei den Besuchern vor, in der Oper häufiger als im Schauspielhaus - in der Oper sei das Publikum älter. „Die Leute können froh sein, wenn sie die Herz-Attacke in der Oper bekommen und nicht zu Hause. Hier werden sie schnell versorgt“, sagt Hinterkausen.
Der für ihn bisher dramatischste Einsatz war, als ein Schauspieler bei den „Nibelungen“ mitten in der Aufführung einen kompletten Blackout hatte. „Wir mussten die Vorstellung nach der Pause abbrechen, es ging leider nicht anders“, erinnert sich Hinterkausen.
Normalerweise kann der Mediziner das Geschehen auf der Bühne entspannt genießen. Beim Gastspiel einer gregorianischen Säbeltanzgruppe hatte er allerdings Angst, „dass sie sich gegenseitig abstechen. Zum Glück ist aber nichts passiert“.Wenn tatsächlich etwas passiert, wird Hinterkausen angefunkt. Manchmal machen ihn aber auch andere Zuschauer auf einen Patienten aufmerksam. „Hinter Ihnen hat ein Mann einen Herzinfarkt“, hieß es vor einiger Zeit. „Mist, ich wollte so gern diese Arie hören“, habe Hinterkausen noch gedacht, als er sich durch die Stuhlreihen zwängte. Der Patient saß mit zurückgefallenem Kopf und offenem Mund in seinem Sitz. Als Hinterkausen den Puls an dessen Hals fühlen wollte, öffnete der Mann die Augen. Er war bloß eingeschlafen. (dpa)