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Kokain, Schlägereien, GlücksspielKölns verruchte Vergangenheit

Lesezeit 3 Minuten

Hohenzollernring (Symbolbild Belibasakis)

Köln – Namen wie „Schäfers Nas“ oder „Dummse Tünn“ klingen wie aus einem Filmdrehbuch entsprungen. Aber wer in Köln der 1960/70er Jahre mit den Herren zu tun hatte, die so genannt wurden, hatte meistens nicht viel zu lachen – oder steckte selbst tief im Sumpf des Verbrechens. Denn hinter den so lustig klingenden Spitznamen verbargen sich mit Heinrich Schäfer und Anton Dumm ehemalige Türsteher, Clubbetreiber und Zuhälter, die über die Grenzen der Stadt hinaus bekannte Größen im Rotlichtmilieu der damaligen Zeit waren. Einer Zeit, als Köln als die kriminellste Großstadt der Republik galt.

„Die Krumme gemacht“, wie im Szenejargon die Zuhälterei genannt wird, hat auch Anton Claaßen (67) über zwei Jahrzehnte. Mit Anfang 20 begann der „Lange Tünn“, wie er in der Szene hieß, als Türsteher im berühmt-berüchtigten „Lovers-Club“ am Hohenzollernring, der seinem Schwager gehörte. Noch heute, mit 67 Jahren, nennt er das Friesenviertel – die damals verruchteste Ecke Kölns – sein Zuhause. Seit Ende März zeigt Claaßen als Stadtführer das Viertel und führt in eine Zeit, die bei vielen, eher im bürgerlichen Milieu Verankerten, eine voyeuristische Faszination weckt.

Vom Hohenzollernring über Hildeboldplatz

So auch bei Chris, der am Karsamstag zusammen mit rund 20 weiteren Teilnehmern mit Claaßen über die Ringe flanierte. „Es ist interessant zu erfahren, wie es damals hier zugegangen ist, und Geschichten zu hören, die man sonst wohl nicht erzählt bekommt.“ Und von solchen Geschichten hatte der „Lange Tünn“ eine Menge parat. Wie aus einem Maschinengewehr kamen die Anekdoten über Kokain, Schlägereien und Glücksspiel aus dem immer noch agilen 67-Jährigen herausgeschossen, der nach eigenem Bekunden nie getrunken, geraucht oder sonstige Drogen genommen hat. Anderthalb Stunden führte er die Gruppe vom Hohenzollernring über Hildeboldplatz und Friesenwall bis zur Friesenstraße. Alle paar Meter blieb er stehen, zeigte auf ein Gebäude und berichtete von dem Etablissement, das sich damals darin befand – oder noch heute befindet.

Beispielsweise das „Päff“ am Friesenwall: 1986 sei er dort Zeuge gewesen, als der Wirt Willi Prumbaum von einem Zuhälter erstochen wurde. „Das ging ganz schnell, der Kerl hatte so ein kleines Messer im Ärmel versteckt.“ Fast vergaß man bei der launigen Erzählweise des Ex-Zuhälters, dass dabei tatsächlich ein Mensch sein Leben verlor.

Freimütig gab er auch Auskunft über seine eigenen Ängste, die auf den Ringen allgegenwärtig gewesen seien. Etwa als er durch Betrug in einem illegalem Casino aus 100 D-Mark 120 000 gemacht hatte. Vor den Handlangern des Inhabers habe er sich im Gebüsch versteckt – nur um kurz darauf in demselben Laden als Croupier zu arbeiten.

Das Glücksspiel war einer der rote Fäden während der Führung. Mehr als zehn Millionen Mark habe er in seinem Leben „verzockt“, wie Claaßen zugibt. Auch heute spiele er noch, allerdings nur noch „um ein paar Euro“. Dabei habe er immer gewusst, dass sich das Spielen für niemanden außer dem Betreiber und dem Croupier lohne. „Hier war einfach alles manipuliert“, erklärte er. Die Zeit sei aber eine andere gewesen. Das Geld habe man überall verdienen können.

Die Tour endet vor dem „Klein Köln“ an der Friesenstraße – damals das Stammlokal der Szene. Nach den Boxkämpfen in den „Sartory-Sälen“ hätten sich dort alle getroffen. Heute, so Claaßen, ein „stocksolider“ Laden – wie sämtliche Etablissements auf den Ringen.

www.stadtgeschichten-koeln.de