Klärwerk Köln-StammheimWarum dem Rhein eine Phosphat-Belastung drohen könnte

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Das Bild zeigt das Klärwerk Stammheim der Stadtentwässerungsbetriebe Köln.

Das Klärwerk Stammheim der Stadtentwässerungsbetriebe Köln.

Fällmittel werden in einem Klärwerk, wie dem in Köln, dringend gebraucht. Doch wegen der Energiekrise werden sie zur Mangelware. Damit droht eine höhere Phosphat-Einleitung in den Rhein. 

Um diesen Betriebsbereich musste sich Joachim Vasen nie groß Gedanken machen. Der war eigentlich immer ein Selbstläufer für den Betriebsleiter des Großklärwerks Köln Stammheim. Die sogenannten Fällmittel, mit denen in dem Klärwerk die Phosphate aus dem Abwasser geholt werden, wurden stets mit der Zuverlässigkeit eines Schweizer Uhrwerks angeliefert, so drei bis vier Lkw-Ladungen pro Woche, rund 75 bis 100 Tonnen. Gut so, ist damit doch sichergestellt, dass der Rhein durch das vom Klärwerk eingeleitet Wasser nicht „überdüngt“ wird. Doch seit rund drei Wochen bereiten ihm die Fällmittel Kopfzerbrechen. Genauer gesagt seit dem Tag, als ihn sein Lieferant anrief und sagte, es gebe da einen Notstand. Das mit den Lieferungen ginge jetzt nicht mehr.

Fällmittel sind Eisensalze. Und Eisensalze sind unter anderem ein Abfallprodukt bei der Herstellung von Weißpigmenten. Die wiederum braucht es nicht zuletzt bei der Produktion von weißer Wandfarbe oder auch von Zahnpasta – um die beiden wesentlichen Quellen von Fällmitteln für das Großklärwerk Stammheim der Stadtentwässerungsbetriebe Köln (Steb) zu nennen.

Früher haben wir so viel Phosphat herausgeholt, wie wir konnten. Heute so viel, wie wir müssen – plus noch einen kleinen Sicherheitsbereich
Joachim Vasen, Leiter Klärwerk Stammheim

Eigentlich ein perfekter Wirtschaftskreislauf. Weiße Farbe und Zahnpasta wird immer gebraucht. Die dabei entstehenden Eisensalze wollen die Produzenten los werden. Die Klärwerke können es zum Schutz der Gewässer bestens gebrauchen. Und für einen dazwischengeschalteten Lieferanten ist der Transport ein gutes Geschäft. Was sollte da quer kommen? Die Energiekrise. Denn die Erzeugung von Weißpigmenten ist energieintensiv. „Darum ist die Produktion von Weißpigmenten in Europa um gut 50 Prozent heruntergefahren worden“ weiß Vasen zu berichten. Sie verlagert sich an Standorte in Amerika und Asien. Eisensalze per Schiff nach Europa zu verbringen, diesen Markt gibt es noch nicht. Und jetzt?

Das Abwasser, das in Stammheim ankommt, beinhaltet pro Liter rund neun Milligramm an Phosphaten. Durch die Fällmittel senkt Vasen und sein Team im Klärwerk Stammheim den Wert auf 0,5 Milligramm. Ein Milligramm ist der gesetzlich festgelegte Grenzwert.

Wer sich fragt, warum die Einleitung von Phosphat in die Flüsse vom Gesetzgeber begrenzt wird, der muss sich Bilder aus den 80er Jahren in Erinnerung rufen. Überdüngte Gewässer, in denen ein grüner Algenteppich alles Leben erstickt. Ist das die Konsequenz aus dem Notstand bei den Fällmitteln?

Bis es so weit kommt, ist noch Luft nach oben. „Unser Lieferant kann uns wieder Fällmittel besorgen“, berichtet Vasen. Die Eisensalze kommen nicht mehr aus der Herstellung von Weißpigmenten, sondern aus der Stahlproduktion. Sie sind sogar qualitativ hochwertiger. Allein, das nützt dem Klärwerkschef nichts. „Das ist ein bisschen so wie mit den Benzinsorten Super und Super+“, erklärt er. „Auch wenn Super+   leistungssteigernd sein soll, weniger braucht der Wagen davon dennoch nicht.“ Leider verhält es sich auch beim Preis der Eisensalze aus der Stahlproduktion so ähnlich wie beim dem Vergleich mit den Benzinsorten. Die jetzigen Fällmittelllieferungen sind teurer. Deutlich teurer. „Wir müssen gut das Fünffache bezahlen“, sagt Vasen. Und selbst dass ist keine feste Basis mehr, mit der er rechnen kann. Auch die Stahlproduktion ist energieintensiv. „Ich bin mir nicht sicher, dass das so hält“, schaut der der Werksleiter mit Sorge auf die Lieferungen.

Es wird an allen Stellschrauben gedreht

Aber er hat noch andere Stellschrauben, an denen er drehen kann. Ein Milligramm pro Liter Wasser ist der Grenzwert. 0,5 Milligramm halten die „Klärwerker“ von Stammheim ein. Vasen spricht von einem „Sicherheitsbereich“. „Früher haben wir so viel Phosphat herausgeholt, wie wir konnten. Heute so viel, wie wir müssen – plus noch einen kleinen Puffer.“ Seine Mitarbeiter tasten sich ran. Im Arbeitsablauf sei das durchaus eine Herausforderung. Jetzt braucht es beim Dosieren der Fällmittel ein ganz feines Händchen, und die Erfahrung dafür, wann der richtige Zeitpunkt zum Nachsteuern gekommen ist. Immerhin, auf diesem Wege konnten Vasen und seine Mitarbeiter rund ein Drittel an Eisensalzen einsparen. Doch wenn die Fällmittel noch mehr als bisher ausdünnen, hat auch das seine Grenzen. Noch kann die Steb verhindern, dass sich die Preisentwicklung bei den Eisensalzen auf die Gebühren niederschlägt. „Dafür sparen wir im laufenden Betrieb, wo immer sich Sparmöglichkeiten ergeben“, sagt Vasen. Ob er auf Dauer eine Gebührenerhöhung verhindern kann, will er aber nicht versprechen.

Einige Bundesländer zeichnen schon den Weg vor, dass Klärwerke, die den Grenzwert nicht mehr einhalten können, nicht mit Sanktionen rechnen müssen, wenn sie dennoch einleiten. In NRW ist es noch nicht so weit. Vasen hält das Szenario aber durchaus auch hier für denkbar. „Wir leiten in den großen Rhein ein“, sagt er. Der große Fluss lasse da durchaus noch Spielraum zu, bevor es zu einer Überdüngung komme. Anders, als an kleinere Flüssen. Darum könnte er sich vorstellen, das es für die Mangelware Fällmittel eine Poollösung geben könnte. Die Klärwerke an den kleinen Gewässern werden bei Lieferungen bevorzugt, die an den großen Flüssen überschreiten in einem überschaubaren Bereich die Grenzwerte.


Düker

Vier Meter im Durchmesser soll das eine Rohr, 2,7 Meter im Durchmesser das zweite Rohr des neuen Dükers haben, den die Stadtentwässerungsbetriebe (Steb) von Niehler Damm rüber zum Klärwerk in Stammheim plant. Der alte Düker in direkter Nachbarschaft stammt aus dem Jahr 1928 wird seiner Aufgabe schon länger nicht mehr gerecht. Seine Rohre sind per se zu klein und werden noch durch Ablagerungen geschmälert.

2024 sollte der neue Düker in Betrieb gehen. Dafür hätten die aufwendigen Arbeiten unter dem Rhein aber schon 2021 beginnen müssen. Doch der Starschuss für die Maßnahme wurde schon mehrfach verschoben. Nun wird er zusätzlich durch Personal- und Materialmangel ausgebremst.Laut einer Sprecherin der Steb peilen der Betrieb nun für das kommenden Frühjahr den Baubeginn des neuen Düker an. (ngo)

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