Rheinufer bei Köln-NiehlTausende Plastiklinsen freigesetzt – Suche nach Verursacher erfolgreich

Lesezeit 3 Minuten
Unzählige Plastik-Nurdles liegen zwischen dem Schotter am Verladebahnhof Niehl. Sie sind weiß und wenige Millimeter groß.

Unzählige Plastik-Nurdles liegen zwischen dem Schotter am Verladebahnhof Niehl.

Zurückholen kann sie niemand mehr: Kleine Plastiklinsen gelangten von einem Firmengelände aus massenhaft in die Natur. 

„Sie sind schwarz, weiß oder durchsichtig, und sie sind wirklich überall“, sagt Christoph Stock. Der Mitgründer der Kölner Aufräum-Initiative K.R.A.K.E ist nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen. Aber dass er an einem sonst blitzblanken Strand der Insel Sardinien massenweise Plastikpartikel findet, hat ihn dann doch geschockt.

Bei einer Müllsammelaktion im Naturschutzgebiet am Stammheimer Rheinufer sind ihm die industriell genutzten Mini-Plastiklinsen zum ersten Mal aufgefallen. „Da klebten lauter schwarze Stückchen an den angeschwemmten Hölzern. Wir hatten keine Ahnung, woher sie stammten.“ Die gleiche Art Plastiklinsen fand er rund um das Sürther Bootshaus. „Die kommen wahrscheinlich aus dem Industriegebiet in Wesseling“, vermutet er. Einer dieser millimetergroßen ‚Nurdles‘ sei nicht das Problem, die große Masse schon.

Auf dem Gelände lagern hunderte von Säcken mit diesem Material. Wenn beim Verladen mal einer kaputtgeht, bleiben die Linsen anscheinend einfach liegen.
Christian Stock, Mitgründer der Müllsammel-Initiative K.R.A.K.E.

Jetzt hat er Mithilfe des WDR zumindest einer Verursacher der freigesetzten Linsen - Nurdles - ausfindig gemacht. Unmittelbar neben dem Bauzaun, der das Gelände des Logistikunternehmens Karl-Schmidt Spedition in Niehl teils umgibt, fanden er und das Fernsehteam weiträumig in großen Mengen verstreuter Nurdles: Im Rinnstein, auf dem Asphalt, zwischen den Pflastersteinen, am Rheinufer und in den Gullys, von wo aus die Plastiklinsen in die Kanalisation gelangen. „Auf dem Gelände lagern hunderte von Säcken mit diesem Material. Wenn beim Verladen mal einer kaputtgeht, bleiben die Linsen anscheinend einfach liegen“, ärgert sich Stock.

Einen Mitarbeiterfehler, der nur beim Verladen passiert sein könne, vermutete der Bereichsleiter Lagerverwaltung der Spedition, als Ursache der Verschmutzung. „Die Säcke werden verschlossen gelagert und zusätzlich durch eine Plastikhaube geschützt.“ Auf dem Firmengelände lagerten mehrere Tonnen Plastikgranulat; das Produkt mache einen Schwerpunkt des Geschäftes aus. „Wir haben die Fläche gereinigt. Um zu verhindern, dass so etwas noch einmal passiert, arbeiten wir an einer technischen Lösung, adhoc haben wir unsere Mitarbeiter nochmals sensibilisiert und führen tägliche Kontrollen durch.“

Mikroplastik in der Natur, das sei ein riesiges Problem, sagt Christian Stock. „Die kleinen Teilchen schwimmen auf der Wasseroberfläche, die Fische halten sie für Nahrung und fressen sie. Sie werden selber von größeren Fischen gefressen und schließlich landet das Plastik als Teil etwa von Fischstäbchen auf unseren Tellern.“ Auch zersetze sich das aus den Flüssen ins Meer geschwemmte Plastik unter dem Einfluss von Sonne und Salz zu winzigen Partikelchen, „und die finden sich überall in der Nahrungskette wieder". Noch gravierender werde das Problem, weil sich Giftstoffe in Flüssen und Meeren an den sich zersetzende, rauen Plastikpartikeln anhaften würden. 

Mikroplastik als Gefahrgut deklarieren

Selbst Hunderte von ehrenamtlichen Müllsammlern, die jedes Jahr den Aufrufen der K.R.A.K.E. folgen, kommen gegen die große Zahl der kleinen Plastiklinsen nicht an. Deshalb wollen Stock und seine Mitstreiter erwirken, dass Mikroplastik als Gefahrengut deklariert wird. „Dann müsste es gesichert transportiert werden. Und freigesetztes Plastik könnte mit empfindlichen Geldbußen geahndet werden“, sagt Stock.

Ein Schritt in die Richtung könnte das Monitoring des Plastikmülls sein, den die Initiative mit ihrer Müllfalle auf dem Rhein rund um die Uhr aus dem Strom fischt. Alles, was sich in dem Netz der schwimmenden Falle verfängt, wird von Mitarbeitenden der Universität Bonn wissenschaftlich ausgewertet. Darunter befinden sich auch jede Menge Plastiklinsen. „Unsere Falle schwimmt weiter südlich, deshalb kann das Unternehmen in Niehl nicht der Verursacher sein“, sagt Stock. „Es muss also noch eine zweite Quelle geben, von der aus regelmäßig größere Mengen Mikroplastik in den Rhein gelangen“, sagt Christian Stock. Das bestätige auch eine Arbeit der Uni Bonn, die die Zusammensetzung der in der Müllfalle hängengebliebenen Plastiklinsen analysiert habe.

Rundschau abonnieren