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Obdachlose Frauen in KölnEine Betroffene erzählt über das Leben auf der Straße

Lesezeit 6 Minuten
Eine obdachlose Frau schiebt einen Wagen mit ihren Habseligkeiten.

Eine obdachlose Frau schiebt einen Wagen mit ihren Habseligkeiten.

Sie bleiben fast unsichtbar: obdachlose Frauen. Wir haben mit einer von ihnen gesprochen. 

Keiner weiß genau, wie viele es sind, die in Köln ohne Obdach sind und auf der Straße leben. Von etwa 300 Personen geht die Stadt aus, der Sozialdienst katholischer Frauen (SfK) schätzt die Zahl höher. Auf 400 bis 500. 30 bis 40 Prozent von ihnen sind Frauen. Doch die sieht man nicht so oft wie Männer. Warum sie lieber nicht auffallen möchte und wie sie auf der Straße gelandet ist, erzählt Danuta (Name geändert) im Gespräch mit der Rundschau.

„Ich stamme aus Polen und bin vor zehn Jahren etwa nach Deutschland gekommen. Damals war ich zusammen mit meinem Freund und wir haben hier schwarz gearbeitet. Ich bin Köchin. Das ist nicht nur mein Beruf, sondern auch mein Hobby.“ Nachdem die Beziehung vor etwa vier Jahren zerbrach, fand die inzwischen 32-Jährige keine neue Wohnung.

„Ich musste weg aus der Wohnung, aber ich hatte keinen Platz zum Leben. Also bin ich auf der Straße gelandet. Nach einer Weile hatte ich einen neuen Freund, aber der hat Drogen genommen. Ich selbst nehme keine harten Drogen. Ich habe meinen Freund verlassen und lebe jetzt insgesamt vier Jahren ohne Wohnung.“ Meistens ist Danuta am Breslauer Platz. „Wir sind dort eine große Gruppe von Polen ohne Wohnung. Die meisten sind Männer. Die passen auch auf mich auf. “

Sex gegen Wohnung

Dass es als Frau auf der Straße gefährlich ist, hat Danuta schon häufig erfahren. „Wenn ich alleine unterwegs bin, dann sprechen mich immer wieder Männer an, die sagen, dass sie mir etwas kaufen oder dass ich bei ihnen wohnen kann. Es ist aber klar, dass es darum geht, dass sie dafür Sex wollen. Das finde ich schlimm.“

Anspruch auf Sozialleistungen oder Bürgergeld hat Danuta nicht. „Geld kriege ich manchmal schwarz, denn ich mache so oft es geht irgendwo sauber, vor allem, wenn meine Kumpel auf einer Baustelle gearbeitet haben. Manchmal sitze ich auch mit einem Becher auf der Straße. Da ist es mir schon passiert, dass mir einfach ein Mann meinen Becher mit Geld geklaut hat. “

Einmal in der Woche geht Danuta am Bahnhof  zu einer Essensausgabe. „Zum Duschen gehe ich ins Gulliver am Bahnhof. Es ist sehr gut, dass es das gibt. Dort ist auch ein polnischer Mann, der in Ordnung ist, und mir gesagt hat, dass er mir helfen will, dass ich eine Wohnung bekomme. Meine Sachen habe ich bei Gulliver. Viel habe ich nicht, meine Uhr ist kaputt.“

Danuta wünscht sich nichts mehr, als in einer eigenen Wohnung zu leben.  „Alleine! Ja, alleine, das wäre mein Traum. Und ich würde gerne als Köchin arbeiten.“ Nach Polen zurück will sie nicht mehr. „Ich habe zwar einen kleinen Bruder, aber ich habe keinen Kontakt mehr zu meiner Familie. Allein ist allein.“ Was die Leute für mich sie können? „Ich freue mich über alles, über Geld, aber auch Essen oder Klamotten. Ich freue mich auch, wenn ich eine Flasche Wasser kriege oder Tampons.“

In vier Jahren auf der Straße hat Danuta reichlich Erfahrung gesammelt. „Die Hälfte der Leute ist gut, die andere Hälfte ist schlecht. Man muss sehr aufpassen. Auf der Straße muss man die ganze Zeit aufpassen. Straße ist Straße. Da wird geschlagen und es ist hart. Vor allem als Frau. Sollte ich schwanger werden, wäre das schrecklich.“ Sie mag Köln und will gerne hierbleiben.

Danuta hat viele Wunden an den Beinen, das haben viele, die auf der Straße leben. „Denn es kommt oft Dreck in Wunden“, erklärt Danuta. „Bei vielen sind die Wunden offen, meine sind gut. Denn ich gehe am Neumarkt zu einem Arzt, der hat eine Creme. Damit gehen meine Wunden zu“, erzählt Danuta.

Sie ist freundlich, spricht leise und raucht hastig. Eine Freundin habe sie nicht, sagt sie. „Manche sagen, ich bin eine starke Frau. Aber ich habe Tage, da fühle ich mich wie den ganzen Tag Regen. Aber man muss aufstehen und weitergehen.“

Der Umriss einer Frau.

Danuta (Name geändert) lebt seit rund vier Jahren auf der Straße.


Verein „seiSTARK“ startet Hilfsaktion für obdachlose Frauen

Mit dem Ziel, dem oft unsichtbaren Leid obdachloser Frauen entgegenzutreten, startet der Kölner Verein seiSTARK  eine Weihnachtsaktion. Das Hauptaugenmerk liegt dabei nicht nur auf dem Austausch und einem offenen Ohr für die betroffenen Frauen, sondern vor allem auf der Bereitstellung von wichtigen Hygieneartikeln und Alltagsausstattung für das Leben auf der Straße.

„Unsere Aktion bedeutet für die Frauen Wertschätzung, Unterstützung und Würde in schwierigen Zeiten. Viele obdachlose Frauen sind unverschuldet oder durch ungünstige Umstände in ihre Lage geraten. Darum möchten wir sie zusätzlich zu unserer Verteilaktion auch nachhaltig dabei unterstützen, ihre Lebenssituation zu verbessern“, betont Emitis Pohl, geschäftsführende Vorsitzende von seiSTARK .

Der erste Aktionstag findet am Donnerstag, 21. Dezember, statt. An diesem Tag lädt seiSTARK die Frauen ab 10 Uhr zur „Kleinen Weihnachtsbescherung“ in der Kölner Bahnhofsmission ein. Ein Team von ehrenamtlich Engagierten zieht anschließend durch Köln, um weitere Frauen ohne Obdach anzusprechen und die Tüten zu verteilen. Doch auch nach der Weihnachtszeit ist der Winter noch lang. Darum sollen auch nach Jahreswechsel regelmäßig weitere Aktionstage stattfinden.

Ehrenamtliche Unterstützer gesucht

Um die Tüten zu packen, aber auch um sie an die Frauen zu verteilen, brauchen wir noch ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, sagt Pohl. Der Deutsch-Iranerin, die als 13-Jährige unbegleitet nach Deutschland geflohen ist, ist es ein besonderes Anliegen, zu helfen. Auch mir wurde damals geholfen, sagt sie. Inzwischen ist sie erfolgreiche Unternehmerin.

Die Weihnachtsaktion hat nicht nur einen karitativen, sondern auch einen aufklärerischen Zweck. Mit einer Plakatkampagne möchte der Verein neben dem Aufruf zur Spende auch Bewusstsein schaffen und Vorurteile gegenüber obdachlosen Frauen abbauen. Die öffentlichkeitswirksame Kampagne zeigt eine Frau, die in der kalten Jahreszeit in Winterkleidung auf der Straße sitzt. Die Headline lautet: „Weihnachten kann auch so aussehen“ und soll zur Vorweihnachtszeit auf die Lage der betroffenen Frauen aufmerksam machen.

 Weitere Informationen und Spendenmöglichkeiten sind auf der Website des Vereins unter www.seistark-ev.de zu finden. Per E-Mail an den Verein können sich Menschen melden, die die ehrenamtlich unterstützen wollen.

Emitis Pohl

Emitis Pohl

Die Bethe-Stiftung unterstützt die Spendenaktion. Sie verdoppelt die beim Verein eingehende Spenden unter dem Verwendungszweck „Obdachlose Frauen“. „Wir wünschen uns, dass möglichst viele Menschen diese tolle Aktion unterstützen und hoffen, mit unserer Spendenverdopplung einen wichtigen Beitrag für Frauen in Not leisten zu können“, so Stifter Erich Bethe.

Weitere Informationen und Spendenmöglichkeiten sind auf der Website des Vereins unter www.seistark-ev.de zu finden. Per E-Mail an den Verein können sich Menschen melden, die die ehrenamtlich unterstützen wollen.