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OrdnungsamtVom Praktikant zum Chef

Lesezeit 5 Minuten

Robert Kilp geht nach beinahe 50 Dienstjahren bei der Stadt in Ruhestand. Seit 2000 leitet er das Ordnungsamt. (Foto: Hanano)

Wann hat an Ihrem Auto zuletzt ein Knöllchen hinter dem Scheibenwischer geklemmt?

Das ist schon ein paar Jahre her. In Köln habe ich für dringende dienstliche Anlässe eine Ausnahmegenehmigung fürs Parken, in anderen Städten hole ich immer einen Parkschein. Alles andere ist mir zu stressig.

Robert Kilp wurde 1949 in Köln geboren und wuchs in Zollstock auf, wo er noch heute mit seiner Frau lebt. Nach dem Besuch des Humboldt-Gymnasiums begann er 1965 bei der Stadt.

Unter anderem leitete er die Führerscheinstelle, er war Bezirksamtsleiter in der Innenstadt und leitet seit 2000 das Ordnungsamt. (tho)

Sind Sie privat ein ordnungsliebender Mensch?

In mancher Hinsicht vielleicht. Ich sammele zum Beispiel gerne Schrauben, um immer die richtige zur Hand zu haben. Aber ich bin kein Messi.

Als Ort für dieses Gespräch haben Sie ein Restaurant am Hohenzollernring gewählt. Liegen Ihnen die Ringe mit all ihren Begleiterscheinungen am Herzen?

Die Ringfeste der 1990er Jahre waren schöne Veranstaltungen, andererseits habe ich als gebürtiger Kölner mit 15 oder 16 Jahren die Ringe näher kennen gelernt. Hier bin ich ausgegangen damals. Am 23. Dezember 1964 waren wir mit der ganzen Klasse nachmittags in einen Club auf den Ringen gegangen, das gäbe es heute nicht mehr. Der Ring hat Aufs und Abs erlebt, aber es ist ja nicht so, dass man sich hier nicht aufhalten könnte. Man kann hier einen netten Abend verbringen.

Braucht man als Chef des Ordnungsamts ein besonders dickes Fell?

Das Fell muss heutzutage besonders dick sein, denn die sozialen Netzwerke haben eine ungeheure Brutalität an sich, die so nicht weitergehen kann. Die Beschimpfung von Menschen ist unerträglich. Ich kann das gut wegschieben und sagen: Die paar Idioten interessieren mich nicht. Aber es gibt durchaus Mitarbeiter, die sich das zu Herzen nehmen.

Wann standen Sie am Pranger der sozialen Netzwerke?

Ich habe das verdrängt und kann noch nicht mal mehr Beispiele nennen. Generell muss ich sagen, dass die Resonanz immer dann groß war, wenn es um Lärmbelästigung durch Veranstaltungen ging. Während der WM haben sich einige Menschen über das Public Viewing am Pumpwerk beklagt, obwohl dort alles nach Plan verläuft.

Antworten Sie denn auf Beschwerdeschreiben?

Manches gebe ich weiter, Mails beantworte ich meistens direkt, weil die Leute auch eine schnelle Antwort erwarten.

Gibt es Menschen, die Ihnen in Erinnerung geblieben sind?

Ja durchaus, aber eher negativ. Wir hatten 1977, im Jahr der Entführung von Hanns Martin Schleyer, eine Mitarbeiterin in der Meldehalle, die sehr engagiert war und viel mit den Ermittlerteams gesprochen hat. Ende des Jahres hieß es dann, sie sei nach Lissabon ausgereist, später habe ich erfahren, dass sie in Ostberlin saß. Ihre Aufgabe war es damals, Spione einzuschleusen.

Sie haben als 15-Jähriger bei der Stadt angefangen. Hatten Sie genug von der Schule?

Das Humboldt-Gymnasium habe ich nach der Mittleren Reife verlassen. Meine Eltern hatten es nervlich nicht mehr durchgehalten, dass ich immer am Rande des Abgrunds stand.

Wie sah Ihr erster Arbeitstag bei der Stadtverwaltung aus?

Als Verwaltungspraktikant habe ich angefangen, das war ja fast schon Kinderarbeit. Es war fürchterlich. Am ersten Tag saß ich in der Einziehungskasse, wo öffentliche Forderungen bearbeitet wurden. Das Büro hatte Metallschreibtische, neben mir saßen zwei Mitarbeiter, die den ganzen Tag nicht miteinander gesprochen haben. Wir saßen auf Küchenstühlen, an der Wand klebte Blümchentapete, und die Rechenmaschinen waren so laut, dass bei jeder Addition in Bensberg Erdbebenalarm gewesen sein muss. Abends dachte ich, was ich angestellt habe, dass ich das den Rest meines Lebens machen muss. Aber es wurde ja besser.

Es wird oft beklagt, nach dem Loveparade-Unglück seien die Auflagen für Veranstaltungen enorm gestiegen. War das für Sie eine große Umstellung?

Für uns in Köln war das kein so großes Problem. Durch das Ringfest waren wir erprobt in Sachen Großveranstaltungen. Wir hatten schon damals eine Einsatzzentrale. Ich erinnere mich noch gut an das Jahr 1996, als eine Band namens „Backstreet Boys“ auftrat und keiner wusste, was das bedeutet. Und dann wurde es eng. Daraufhin haben wir in Köln Leitlinien entwickelt, die auch heute noch gelten. Es gibt aber auch Mitarbeiter bei den Behörden, die überängstlich sind und die Anforderungen immer höher treiben. Man muss aufpassen, dass es nicht ins Uferlose geht.

Es schien so, als hätten Sie ein Herz für den Geisterzug entwickelt. Auf den letzten Drücker gab es immer die Genehmigung.

Über das Thema Sicherheit gab es nie etwas zu diskutieren, da mussten die Vorgaben eingehalten werden. Ich habe immer versucht, die Tür so lange wie möglich offenzuhalten, obwohl die Verantwortlichen die erforderlichen Unterlagen nicht eingereicht haben – auch im Wissen, dass ich gute Mitarbeiter habe, die das innerhalb weniger Tage hinkriegen konnten.

Welchen Tag werden Sie nie vergessen?

Den Tag, an dem uns die Abschiebung des Fundamentalisten Metin Kaplan gelungen ist. Wir saßen im Büro, die Gesetzbücher lagen neben uns. Irgendwann meldete sich das Ministerium und warnte uns vor einer Nacht- und Nebel-Aktion. Ich sagte, in Köln ist es taghell, und Nebel haben wir hier auch nicht. Dann haben wir das durchgezogen und eine Privatmaschine gechartert. In dieser Situation muss man alles andere vergessen. Nachdem der Flieger in der Türkei gelandet war, haben wir uns einen Rotwein genehmigt.

Was hätten Sie rückblickend anders gemacht?

Ich hätte 2012 auf die Warteschlangen-Steuer für Clubs auf den Ringen verzichtet und würde die Problematik, die dahintersteckt, heute anders angehen. Es ist schiefgegangen, dazu habe ich nachher auch gestanden.

Mit welchen Aktivitäten werden Sie Ihren Ruhestand füllen?

Als Aufsichtsratsvorsitzender einer Wohnungsgesellschaft habe ich noch Verpflichtungen. Und ich habe zwei Enkelkinder, für die ich jetzt endlich mehr Zeit habe.