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„Jeden Tag dankbar“Hubert Knicker aus Köln lebt mit dem Herz eines Fremden

Lesezeit 4 Minuten
Vor 15 Jahren rettete eine Organspende Hubert Kicker das Leben. Seitdem klärt er über das Thema auf.

Vor 15 Jahren rettete eine Organspende Hubert Knicker das Leben. Seitdem klärt er über das Thema auf. 

In einer neuen Graphic Novel gibt der 67-Jährige auf verständliche Weise Einblicke in seine Überlebensgeschichte. 

Für einige kam der Anruf zu spät. Hubert Knicker liegt auf einer Krankenhaus-Station mit sieben Menschen, die dringend auf eine Spende warten. Sie alle brauchen ein neues Herz, um zu überleben. Sie alle können nichts tun, außer zu hoffen und auszuharren. Knicker erlebt, wie über die Hälfte von ihnen verstirbt – und betet zu Gott.

„Er möge mich bitte nicht vergessen und ich verspreche ihm, dass ich mich dann mit meinem Spenderorgan für die Organspende einsetze.“ Ob durch Glück, Gottes Hilfe oder beides: Für Knicker findet sich im Sommer 2010 ein passendes Herz und die Transplantation glückt. Sein Versprechen löst der 67-Jährige bis heute durch Präsentationen in Schulen ein, in denen er seine Geschichte erzählt, während sein Geschenk in seiner Brust schlägt.

Nun ist er zusätzlich das Gesicht einer neuen Graphic Novel in Form eines kompakten Heftchens. Das Projekt „Ein neues Herz für Hubert K.“ des in Köln ansässigen Bundesinstituts für öffentliche Gesundheit (BIÖG) und dem Katholischen Krankenhausverband Deutschland (KKVD) soll einen leichten und persönlichen Einstieg in das Thema Organspende ermöglichen. 

Nie vergessen werde Knicker den Moment, als er nach der Transplantation zu sich kam. Sofort prüfte er unwillkürlich mit seiner Hand seinen Puls und spürte: einen Herzschlag. „Das waren Glücksmomente“, erinnert er sich. Jahrelang hatte er davor versucht, sich ins Leben zurück zu kämpfen. 

Eine Seite aus dem Graphic Novel „Ein neues Herz für Hubert K.“

Eine Seite aus der Graphic Novel „Ein neues Herz für Hubert K.“

Er ist 37 und arbeitet als Krankenpfleger, als sich alles verändert. Knicker muss bei einem Notfall zum Labor sprinten, doch sein Körper macht schlapp. Der Arzt stellt eine Herzmuskelentzündung fest, das Organ leistet nur noch 30 Prozent von dem, was es soll. Knicker wird arbeitsunfähig und muss Medikamente nehmen. „Wir mussten unserem damals zwölfjährigen Sohn erklären, was im schlimmsten Fall mit Papa passieren kann“, erklärt er.

Erst implantiert man ihm einen Defibrillator, doch seine Herzleistung fällt weiter auf nur noch 15 Prozent ab und es wird ein Kunstherzsystem nötig. Als dieses kaputt geht, wird klar, dass nur noch eine Organspende helfen kann. So findet Knicker sich 2010 in einem Herzzentrum in Bad Oeynhausen wieder und muss zusehen, wie vier seiner Mitwartenden versterben. 

Ein scheinbar harmloser Mückenstich und die resultierende Viruserkrankung waren es, die Knickers Leben veränderten. Dass es jeden treffen kann, macht auch Dr. Karl Beckurts, Chefarzt im Krankenhauses St. Hildegardis in Köln klar. „Es gibt Menschen, die trifft es mit einem Schlag und dann ist eine Transplantation die einzige Perspektive.“ Er hat bereits viele Transplantationen durchgeführt, unter anderem die erste eines Dünndarms in NRW.

Potenzielle Spenderorgane gehen meist wegen fehlender Einwilligung verloren

„Organmangel ist ein riesen Thema.“ Oft erleben Ärzte, wie ihre Patienten verzweifelt warten müssen, erklärt der Mediziner. „Und es gibt eigentlich genügend Organe, nur die meisten gehen uns leider verloren. Wenn Sie sich die Zahlen der Deutschen Stiftung Organtransplantation angucken, ist die Hauptursache von nicht realisierten Organspenden ist die fehlende Einwilligung. In vielen Fällen versterben Menschen am Hirntod auf der Intensivstation und die Angehörigen wissen nicht, wie der Organspender eingestellt war.“ Im Zweifel entscheiden sie sich dann meist gegen eine Spende. 

Beckurts hofft daher auf neue politische Impulse beim Thema Organspende. „Wir müssen uns da verbessern. Es kann nicht sein, dass ein wie wir mit einem gut entwickelten Gesundheitswesen mit an letzter Stelle im europäischen Vergleich der Länder liegt.“ In Spanien, wo die Gesellschaftsstruktur der deutschen ähnlich sei, gebe es trotzdem fünfmal so viele Spenden. 

Der Mediziner empfiehlt daher die sogenannte Widerspruchslösung, wie sie unter anderem in Spanien gilt. Dadurch muss dort einer Organentnahme nicht wie in Deutschland aktiv zugestimmt, sondern widersprochen werden. Rund 80 Prozent standen einer Organspende laut einer aktuellen Repräsentativbefragung des BIÖG positiv gegenüber. Nur 45 Prozent haben ihre Entscheidung – egal ob dafür oder dagegen – dokumentiert.

„Ich bin jeden Tag dankbar, dass ich eine zweite Chance bekommen habe“, erklärt Knicker in der Graphic Novel. Wer der Held ist, der ihm seinen zweiten Geburtstag schenkte, weiß er nicht, denn Organspenden sind anonym. Trotzdem widmet er dem Unbekannten eine Seite in dem Heftchen: „In meiner Vorstellung ist mein Spender ein Harley-Fahrer mit wehenden Haaren und nun begleitet mich sein Herz ein Stück auf meiner Reise.“