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Protest wegen PersonalnotWarum die Kölner Jugendämter am Limit sind

Lesezeit 3 Minuten

Kundgebung gegen Personalmangel im Kinder- und Jugendschutz der Stadt Köln. © Thomas Banneyer

„Wir haben viel zu wenig Personal!" Die Mitarbeitenden der neun städtischen Jugendämter schlagen Alarm. Weit mehr als hundert Mitarbeitende protestierten vor der Sitzung des Rates.

Sie sind angetreten, um Kindern und Familien zu helfen. Doch nun rufen sie selbst lautstark um Hilfe. Weit mehr als hundert Mitarbeitende des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) und des Gefährdungssofortdienstes (GSD) der Kölner Jugendämter protestierten vor der Ratssitzung. Grund ist der massive Personalmangel. Er führt nach Angaben der Gewerkschaft Verdi dazu, dass derzeit rund 1800 Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen nicht durchgeführt werden. „Hunderte Familien verschwinden in Aktenschränken“, heißt es auf einem Plakat.

Eine Folge der Arbeitsüberlastung sei ein hoher Krankenstand, berichten viele der aufgebrachten Demonstrierenden übereinstimmend. Weitere Folge: Viele kehren dem Jugendamt schnell wieder den Rücken. „Die Fluktuation ist enorm“, berichtet Evangelia Voß vom ASD Mülheim. Von den vier Fachkräften, mit denen sie noch im August vergangenen Jahres zusammengearbeitete hat, ist keine einzige mehr da. „Kolleginnen sind zusammengebrochen und haben geweint, weil sie nicht mehr wussten, wie sie die Fälle bearbeiten sollten“, erzählt Voß.

Familienschicksale verschwinden in Ordnern

Familienschicksale verschwinden in Ordnern. Ansprechpartner für Trennungs-, Umgangs- oder Erziehungsberatung gibt es nicht mehr. „Prävention machen wir gar nicht mehr, weil wir es einfach nicht mehr schaffen“, bedauert Katharina Arbeiter, Sozialarbeiterin beim ASB in Porz. Seit rund fünf Jahren arbeitet die junge, engagierte Frau für das Jugendamt der Stadt Köln. „Damit bin ich schon fast die Dienstälteste“, sagt sie.

Die Arbeitsbedingungen machen Katharina Arbeiter und ihren Kolleginnen und Kollegen sichtlich zu schaffen. „Wir machen nur noch den Feuerlöscher. Im Endeffekt sind die Leidtragenden die Familien“, sagt Arbeiter. Sie beschreibt, wie Kollegen und sie eine ganze Gruppe verwahrloster und misshandelter Kinder mit Unterstützung der Polizei aus einer Familie holen mussten. Es gab Drohungen und Beschimpfungen. Hinzu kam die Schwierigkeiten, einen Platz für die Kinder zu finden. Bis nach Bremen mussten Jugendamtsmitarbeiter schon fahren, um gefährdete Kinder unterzubringen. „Ich hätte mir Supervision gewünscht“, erzählt Arbeiter. Doch der entsprechende Antrag wurde abgelehnt. „Die Stadt fordert von den Trägern Supervision, selbst hat sie dafür aber nur ein knappes Budget. Supervision ist bei uns kein Standard“, kritisiert Sozialarbeiterin Stefanie Junk.

Verwaltung sieht Problem

In einem offenen Brief an Oberbürgermeisterin Henriette Reker haben fast 200 Mitarbeitende der Jugendämter ihre Sorgen formuliert und dringend Entlastung gefordert. Eigentlich wollten sie ihn der OB vor der Ratssitzung persönlich überreichen. Doch die teilte mit, sie nehme Petitionen grundsätzlich nicht persönlich an. Auf Rundschau-Nachfrage teilte die Stadt mit: „Die Stadtverwaltung hat großes Verständnis für die Sorgen und die Unzufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Aufgaben im Bereich Kinder- und Jugendschutz und Gefährdungssofortdienst sind von besonderer Bedeutung für die Stadtgesellschaft, denn dort wird der Schutz der Kinder sichergestellt.“ Es werde intensiv nach Verbesserungen gesucht.