Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Professor Dr. Wildor HollmannTopfit dank Bewegung, Forschung und Lehre

Lesezeit 4 Minuten

Der älteste Sporthochschuldozent: Professor Hollmann bei seiner Vorlesung zu akademischem Grundlagenwissen.

Köln – Sein Gedächtnis ist brillant wie eh und je, seine körperliche Konstitution besser als die mancher Zeitgenossen, die 30 Jahre jünger sind als er. Und noch immer endet sein Arbeitstag erst weit nach Mitternacht. Zur Entspannung vor der Nachtruhe lege er dann gerne noch eine CD mit beschwingter Walzermusik auf, erzählt Professor Dr. Wildor Hollmann. Oder er setzt sich selbst ans Klavier und spielt „Tanze mit mir in den Morgen“.

Mit einem Festakt zum 90. Geburtstag Hollmanns ehrt die Sporthochschule am 6. Februar nicht nur ihren Altrektor sowie Gründer und Leiter des Instituts für Kreislaufforschung und Sportmedizin, sondern zugleich eine der schillerndsten Persönlichkeiten des deutschen Wissenschaftsbetriebs. Der international renommierte Kardiologe und Sportmediziner, der heute 90 Jahre alt wird, war unter anderem Präsident des Deutschen Sportärztebundes, Präsident des Weltverbandes für Sportmedizin – heute Ehrenpräsident – sowie Präsident der Deutschen Olympischen Gesellschaft. Bis heute ist der Forscherdrang des ebenso bescheidenen wie liebenswürdigen Sauerländers sein Lebenselixier. Seine Zeit widmet er intensiv der Quantenphysik und den Auswirkungen körperlicher Aktivität auf Gehirn, Stoffwechsel und Durchblutung. „Ich bin emeritiert, aber nicht pensioniert“, sagt Hollmann zu seinem ungebremsten Arbeitseifer und schmunzelt. „Im letzten Jahr hatte ich noch 13 Doktoranden, zurzeit sind es sieben, sechs haben inzwischen promoviert.“

Bis zu 15 Mal am Tag 32 Stufen steigen

Jeden zweiten Dienstag hält der Wissenschaftler Vorlesungen. Zwei Stunden druckreife Rede vor Sport- und Medizinstudenten, natürlich im Stehen und ohne Manuskript. Hollmann macht es Freude, das heute oft fehlende „akademische Grundlagenwissen“ zu vermitteln: zur Entstehung des Universums und des Lebens. Zur Quantenphysik und Entwicklung der Medizin. Oder zur deutschen Geschichte.

Hollmann ist der älteste Dozent der Sporthochschule, die ihre Popularität nicht zuletzt seinen Forschungen verdankt. Als junger Institutsleiter konnte der Mediziner schon in den 60er Jahren mit seinen Studien nachweisen, dass Infarktpatienten zur Genesung nicht die bis dahin praktizierte Bettruhe brauchen, sondern Frühmobilisation und Bewegung. Ein Paradigmenwechsel, der die Infarkttherapie revolutionierte. Über Fachkreise hinaus bekannt wurde der Sportmediziner ebenso für einen Satz, den er 1968 auf der Grundlage seiner Forschungsergebnisse zur Präventionsmedizin prägte. „Durch körperliches Training gelingt es, 20 Jahre lang 40 Jahre alt zu bleiben.“ Hollmann: „Ich habe an 88 Universitäten auf allen Kontinenten Vorträge gehalten. Und jeder kannte diesen Satz.“

Unter Leitung des Kardiologen waren an der Sporthochschule seinerzeit 300 untrainierte Männer zwischen 50 und 70 Jahren untersucht worden. Dabei hatte sich herausgestellt, dass ihre Herz-Kreislauf-Leistung zu schlecht für ihr Alter war. Nach zwei Monaten Training dreimal wöchentlich für je 30 Minuten auf dem Fahrrad-Ergometer „hatten die Probanden dann Werte, die 20 Jahre jüngeren Menschen entsprachen“. Bedauerlicherweise, so der Sportmediziner, „bewegen sich auch heute noch 60 Prozent der älteren Menschen viel zu wenig.“ Er selbst habe als junger Mensch bis zum Kreismeisterschafts-Titel Tischtennis gespielt und noch mit 70 Jahren dreimal in der Woche Tennis. Heute hält sich Hollmann fit, indem er bis zu 15 Mal am Tag die 32 Stufen in seinem Haus hochgeht und zweimal pro Woche im Fitness-Studio trainiert. „Das halte ich eisern durch.“

An seiner Beweglichkeit hat selbst ein schwerer Sturz von einer Leiter mit defekter Sprosse vor zweieinhalb Jahren nichts ändern können. Acht Brüche an Becken und Arm sowie ein Arterienriss mit dreieinhalbmonatigem Krankenhausaufenthalt seien die Folge gewesen, erzählt Hollmann, der im niederrheinischen Brüggen wohnt und unlängst auf 390 Seiten seine Memoiren geschrieben hat. Man habe ihm im Krankenhaus ein Leben im Rollstuhl vorausgesagt und eine stark eingeschränkte Beweglichkeit des Armes. „Daraufhin hab’ ich abends im Krankenbett mit gezielten Übungen mein Privattraining gemacht.“ Als die Krankenschwestern mit der Mobilisierung beginnen wollten, habe er sich längst aus eigener Kraft erheben und erste Schritte gehen können.

Auf die vielen Feierlichkeiten zu seinem 90. Geburtstag blickt er mit einem lachenden und einem weinenden Auge, gesteht Hollmann freimütig. Denn: „Sie halten mich auch von der Arbeit ab. Ich hab’ den Kopf noch voller Forschungsideen.“ Um möglichst noch „weitere Erkenntnisse auf dem Gebiet von Hirn und Geist“ zu bekommen, wünscht er sich vor allem, gesund zu bleiben. Dann könnte er in der Quantenphysik zum Beispiel noch der nicht unbedeutenden Frage nachgehen, „wie es möglich ist, dass Materie wie das Gehirn etwas Immaterielles wie den Geist erzeugt“.