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Rettungskräfte berichten„Dieses Mädchen lässt mich nicht mehr los“

Lesezeit 3 Minuten
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Eine Eitorferin soll im RE1 von Hamm nach Köln sexuell belästigt worden sei. (Symbolbild)

Köln – Fahr vorsichtig. Schnall dich an. Trink keinen Alkohol, wenn du fährst. Was ist, wenn sich junge Fahrer nicht daran halten? Wenn etwas passiert? Darum geht es beim Crash Kurs der Polizei: Retter, Familien und Polizisten erzählen, welche entsetzlichen Folgen ein Unfall haben kann.

Die Polizei Köln hat seit 2009 mehr als 200 Crash Kurse in Schulen durchgeführt und 41.000 Schüler erreicht. Gestern trafen sich die Protagonisten im Präsidium, wo ihnen Polizeipräsident Uwe Jacobs für ihren Einsatz dankte. Für den Crash Kurs haben sie alle ihre eigene, ganz persönliche Geschichte. Es gehört Mut dazu, sie in den Schulen zu präsentieren. Und meistens werden die Schüler dann ganz still.

Carsten Schroll, Rettungsassistent bei der Feuerwehr Köln

Carsten Schroll (44), Rettungsassistent bei der Feuerwehr Köln: Er konnte für das Mädchen in seinem Rettungswagen nichts mehr tun. Aber er hat alles versucht: „Nicht aufgeben, weitermachen.“ Arbeitsabläufe, unzählige Male durchgeführt, vergeblich. „Dieses Mädchen lässt mich nicht mehr los“. Wenn Carsten Schroll über den Fall redet, ist er wieder ganz präsent für ihn. Die 18-Jährige saß mit drei anderen in einem Mittelklasse-Auto, nicht angeschnallt. Der Fahrer verlor die Kontrolle. Nur einer der Insassen hat die Nacht überlebt. Als die junge Frau mit schwersten inneren Verletzungen aus dem Unfallwagen geholt wurde, hat sie Carsten Schroll angeschaut. Doch die Uniklinik konnte später nur noch den Totenschein ausstellen. Seit 1995 ist Carsten Schroll bei der Berufsfeuerwehr. Er versucht, seine Erlebnisse nicht mit nach Hause zu nehmen.

Achim Schulze-Schwanebrügger, Polizei Köln

Achim Schulze-Schwanebrüggen (63), Leiter des Unfallaufnahme-Teams und Gründungsmitglied des Kölner Crash Kurses: Es war ein sonniger Frühlingstag, als der Motorradfahrer in einer langgezogenen Kurve stürzte. Der 21-Jährige war einfach zu schnell. Er prallte mit dem Genick auf die Bordsteinkante und ist vom Hals abwärts gelähmt. „Die Eltern nahmen den Sohn auf, die Freunde kamen erst jeden Tag. Irgendwann kamen sie gar nicht mehr.“ Auch die Freundin zog sich zurück. „Was ist, wenn die Eltern irgendwann nicht mehr können?“ Der junge Mann wird später wohl in einem Pflegeheim leben müssen. Bei besonders schlimmen Einsätzen versucht Achim Schulze-Schwanebrügger, „eine Mauer zu bauen“. Aber das klappt nicht immer „und dann ist man gefangen in der Geschichte“. Seit 45 Jahren ist er Schutzmann. Beim Crash-Kurs dabei zu sein, bedeutet ihm viel, „weil ich die jungen Leute erreiche. Jeder einzelne zählt“. Das Leid, von dem er berichtet, „hilft dabei, die Jugendlichen zum Nachdenken zu bringen“.

Dr. Henning Kunter, Klinikum Köln-Kalk

Dr. Henning Kunter (42), Chefarzt der Unfallchirurgie Köln-Kalk: Der Motorradfahrer wurde mit dem Rettungshubschrauber in die Klinik gebracht. Dass er seinen Unfall überhaupt überlebt hat, grenzt an ein Wunder. Der 21-Jährige war mit seiner Maschine gestürzt, mit beiden Beinen voran gegen die Leitplanke geprallt. „Wir mussten sofort entscheiden, ob wir ein Bein amputieren, um sein Leben zu retten.“ Es musste sein. Weitere Operationen über drei Jahre folgten, um das andere Bein wieder herzustellen. Dr. Henning Kunter hatte jahrelang Kontakt zu dem Unfallopfer und zu seiner Familie. Diese Geschichte hat ein gutes Ende. Der junge Mann hat gelernt, mit einer Prothese zu laufen und studiert.