Serie „Muss das sein?“Platzmangel an OGS Meschenich bringt Probleme für Pänz

Der Alltag in der Schule am Kölnberg ist eng getaktet, es fehlen Räume. Gegessen wird im Drei-Schicht-Betrieb in Gruppenräumen.
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- Platzmangel, zu kleine Küchen, Essen im Schichtbetrieb: Der Offene Ganztag an Grundschulen, kurz OGS, ist gefragt.
- Das Angebot wurde deswegen stark ausgebaut – bis an die Kapazitätsgrenzen.
- Ein Besuch in der OGS in Köln-Meschenich im Schatten des Kölnbergs.
Köln – Feuer, Wasser, Erde, Luft und das ganze Universum finden in der „Grundschule IM Süden“ Platz. Die Kinder in den Offenen Ganztags-Gruppen mit den elementaren Namen gehen gern in ihre Schule im Schatten des Kölnbergs an der Ketteler Straße. „Ich finde die OGS gut, weil meine Eltern arbeiten. Dann kann ich hierbleiben und schöne Sachen machen, bis sie wiederkommen“, sagt ein Zweitklässler, bevor er an die Küchentür klopft und fragt: „Was gibt's heute?“
„Mini-Hähnchenschnitzel, Kartoffelgratin, Gurkensalat!“ , ruft einer. Geht okay. Alle paar Minuten wird Küchenchef Landu Claude Mpila ab kurz vor Zwölf von Kindern befragt, bevor die Pänz sich in einem der fünf Gruppenräume ordentlich zum Mittagessen anstellen. Wenn Backkartoffeln mit Zaziki auf dem Speiseplan stehen, muss das Team 45 Kilo Kartoffeln pro Tag verarbeiten. Und alles in einer engen Küche bewerkstelligen, die eigentlich nur für die Versorgung von 75 Kindern ausgelegt ist. Mittlerweile sind jedoch 165 der insgesamt 325 Schüler im Offenen Ganztag. Das entspricht einer Versorgungsquote von nur 50 Prozent, stadtweit sind es rund 80 Prozent.

Während in den Gruppenräumen gegessen wird, sind die Klassen für den Unterricht reserviert.
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Täglich Frisches auf dem Tisch
„Küchen-Papa“ & Co. zaubern trotz beengter Verhältnisse täglich Frisches für alle in der OGS auf die Tische, was vom Zulieferer appetito angeliefert und teils vor Ort zubereitet wird. „Man braucht starke Nerven“, sagt Landu. Von einer Edelstahl-Profiküche, einer Spülstraße, einem großen Tiefkühlschrank kann er nur träumen. Aber er liebt seine Arbeit und freut sich, wenn die Kinder „sich bedanken, dass es gut schmeckt. Es gibt auch mal Beschwerden, was die Mama kocht, und Fragen nach einem Rezept.“ Favorit: Spätzle mit Spinatsauce. „Von der Schule gehen wir rüber zum Mittagessen, dann raus, spielen oder Nachhilfe, dann ist die OGS fertig“, fasst ein achtjähriger Iraner den Alltag zusammen. Es gibt eine Warteliste von über 30 Kindern, die gerne auch das OGS-Angebot der Schule in Meschenich nutzen möchten. Ein Viertel mit hohem sozialen Förderbedarf und wachsenden Kinderzahlen. Aber die Nachfrage ist größer als die Zahl der Plätze. Kein Einzelfall in Köln.

Schulleiter Becker wünscht sich einen Anbau, um mehr Kinder aufnehmen zu können.
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„Wenn wir mehr Räume hätten und einen Anbau bekommen würden, wo jetzt die maroden Container aus den 70er und 80er Jahren stehen, das wäre ein Traum!“, sagen Schulleiter Ulrich Becker und OGS-Leiterin Petra Halbich-Grundmann vom Freien Träger JugZ gGmbH. „Dann könnten wir viel mehr Kinder aufnehmen.“ Für einen Anbau gebe es sogar Flächen. Auch ein neues Bauprogramm mit finanzieller Unterstützung des Bundes steht auf ihrer Wunschliste. Und in der Landespolitik sei der Offene Ganztag „offensichtlich noch nicht angekommen“, Qualitätsstandards seien nicht gesetzlich festgelegt.
Alexandra Klöckener zum Offenen Ganztag
Alexandra Klöckener (55), (OGS-Leitung /Netzwerk e.V.) an der Gemeinschaftsgrundschule Antwerpener Straße, Mitglied des Leitungsteam des Arbeitskreises OGS der GEW Köln, Mutter von zwei erwachsenen Töchtern.

Alexandra Klöckener (55), (OGS-Leitung /Netzwerk e.V.) an der Gemeinschaftsgrundschule Antwerpener Straße.
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„Die Raumbedingungen sind extrem unterschiedlich, es gibt generell einen wahnsinnigen baulichen Investitions- und Sanierungsstau. Die Schulen sind voll, der Ganztag kam dazu - aber es wurden nicht in ausreichendem Maße neue Räume geschaffen. Personalräume wurden gar nicht berücksichtigt. Ich betreue ungefähr 200 Kinder mit 20 Mitarbeitern, so gut wie 100 Prozent der Kinder sind bei uns in der OGS, wir waren eine der ersten Schulen, die als Offene Ganztagsschulen in Köln an den Start gingen. Die Forderung unseres GEW-Arbeitskreises ist es, die OGS einheitlich geregelt ins Schulgesetz aufzunehmen, mit festgelegten Standards.
Probleme sind unter anderem auch die hohe Arbeitsbelastung und das Thema Lärm, wenn etwa neben der normalen Betreuung mit Lernzeiten, Hausaufgaben, Arbeitsgruppen und Spielen auch noch das Mittagessen serviert werden muss - dann bleibt nicht so viel Zeit übrig. Auch die Bezahlung ist ein Problem, oft haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur Teilzeitverträge. Es ist schwierig, Unterstützungskräfte etwa für 15 Stunden zu finden, mit geringer Bezahlung. Eine Gruppenleiterin verdient rund 1000 Euro netto im Monat für 24 Stunden. Da kann keiner so richtig von leben. Viele Kollegen haben noch einen Nebenjob. Das ist eine extreme Belastung, aber sie arbeiten trotzdem verantwortungsvoll und engagiert.
Ich bin seit der Einführung der Offenen Ganztagsschulen dabei, seit das System vom Hortangebot mit seinen altersgemischten Gruppen vor rund 16 Jahren auf die OGS mit ihren Gruppen im Klassenverband ausgebaut wurde. Ich finde das OGS-System grundsätzlich besser, weil die Kinder im gleichen Alter besser gefördert werden können. Insofern sind die Kinder gut aufgehoben, es gibt etwa bei uns an der GGS Antwerpener Straße eine gute Verzahnung von Schule und dem Freien Träger Netzwerk e.V., gerade hatten wir eine positive Qualitätsanalyse. Es gibt auch schöne Räume und sogar eine Mensa. Aber das ist an etlichen anderen Schule leider nicht der Fall.“
27 Nationen im Kölnberg – und in der OGS
Etliche der Pänz aus 27 Nationen leben in beengten Wohnungen auf dem Kölnberg. Sie freuen sich umso mehr über die Angebote der Schule mit Spielplatz und Sportanlagen, vielen AGs von Aerobic- bis Schminkkursen, Ausflügen, Nachhilfe. „Es läuft hier gut, vor allem wegen des sehr engagierten Teams, der Träger sorgt gut für uns, bezahlt tariflich“, sagt Halbich-Grundmann. Trotzdem: Der Ganztag ist eng getaktet bis 16.30 Uhr. Um Herausforderungen wie Platznot zu meistern, sind individuelle Ideen gefragt. Zum Beispiel die offene Gruppe: Jeden Tag nach dem Essen geht's erstmal raus an die frische Luft. Für die, die lieber drinnen spielen, bleibt stets eine Gruppe offen mit Betreuung durch Erzieherin und Ergänzungskraft.

OGS-Leiterin Halbich-Grundmann
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Eine andere Idee stammt von den Grundschülern selbst und betrifft die OGS-Toiletten, nur zwei für 170 Pänz. „Hier ist es manchmal schmutzig, aber wir machen eine Kontrolle“, erzählen Kinder. Vor den WCs schreibt ein Schüler den Namen des Nutzers auf und guckt, ob alles sauber hinterlassen wurde. Wenn nicht, wird der Verursacher zur Rede gestellt.Mit je 33 Kindern sind die OGS-Gruppen in der „Grundschule IM Süden“ groß. Pädagogisch wünschenswert: 25. Dennoch kommt kein Eindruck von Enge auf. Denn gegessen wird in drei Schichten ab 12 bis 14 Uhr in wohnlichen Großräumen. „Die Kinder sollen ein Zuhause-Gefühl bekommen“, so Becker. Eine Mensa sei nicht nötig, aber zwei Gruppenräume mehr sowie Arbeitsplätze für Mitarbeiter, auch Förderräume für die sechs Sonderpädagogen und ein Büro für die knapp zehn Integrationshelfer, rechnet die OGS-Leiterin vor. Sie selbst muss sich mit einer Art Glaskabine begnügen. Nicht ideal für Elterngespräche.

Nachmittags stehen viel Sport und Spiel auf dem Programm.
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Die Gruppenräume bieten viele Möglichkeiten zur Entfaltung mit Bau-Ecken und Ruhezonen, Kletter-Höhlen, Puppenhaus und Kuscheltieren. Auch Zahnbürsten stehen bereit, fürs Zähneputzen nach dem Mittagessen. An vielen anderen Schulen finden in den Klassen auch Essen und Betreuung statt. „Wir befürworten aber, dass die Kinder nach dem Unterricht in einer wohnlicheren Umgebung essen und spielen können. Das ist doch sonst eher eine Abfertigung“, findet die Sozialpädagogin mit Blick aufs „Klasse-gleich-Gruppe-Prinzip“. „Ich verstehe nicht, wieso so viele Eltern das ohne Kritik hinnehmen.“ Das liege wohl daran, dass viele die Betreuung dringend brauchen.
Hintergrund: Das OGS-Modell
Die Grenze ist erreicht, räumte das Amt für Schulentwicklung der Stadt ein, als die Mitteilung zum OGS-Ausbau im Schulausschuss vorgelegt wurde. „Wir wollen nichts beschönigen.“ Es wurde viel für den Platz-Ausbau getan, aber die Rahmenbedingungen seien teilweise problematisch: Das Angebot kletterte vom Start 2003 mit anfangs nur fünf Schulen auf nun über 150 mit knapp 30000 Plätzen; die Zahl wird auf 31051 erhöht, bis 2020/21 sollen es 33000 werden.

Leben und lernen im Offenen Ganztag in Rodenkirchen.
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Das einst auf eine Versorgungsquote von 50 Prozent ausgelegte Modell boomt. Der Ganztag, ein freiwilliges Angebot, ist für viele Eltern unverzichtbar geworden. Die Nachfrage ist groß, die Quote bei rund 80 Prozent angelangt, besonders im Rechtsrheinischen liegt sie jedoch darunter. Dieses Jahr konnten über 1000 Kinder nicht in der OGS aufgenommen werden. Da derzeit nur im Bestand erweitert werden kann, wäre laut Verwaltung ein neues Bauprogramm dringend erforderlich. Ein Recht auf einen OGS-Platz gibt es nicht. Die Einführung des Rechtsanspruchs ist im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vereinbart.

Der Alltag in der Schule am Kölnberg ist eng getaktet, es fehlen Räume. Gegessen wird im Drei-Schicht-Betrieb in Gruppenräumen.
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Die Gewerkschaft GEW fordert eine Bezahlung der Mitarbeiter der Freien Träger, die die OGS-Angebote in Kooperation mit den Schulen anbieten, nach Tarif für den Öffentlichen Dienst. Auch die Finanzierung des OGS-Angebots durch Mittel des Landes NRW reiche nicht aus. Von der Stadt kommen Anteile hinzu; die Beiträge der Eltern werden einbezogen, gestaffelt nach Verdienst von null bis 180 Euro im Monat. Hinzu kommen 50 bis 60 Euro Essensgeld.
Silvia Behrendt zum Offenen Ganztag in Rodenkirchen
Silvia Behrendt, Vertreterin der Stadtschulpflegschaft Köln (Grundschulen), berufstätige Mutter von zwei Söhnen, acht und neun Jahre alt, im Offenen Ganztag an der Grüngürtelschule in Rodenkirchen:

Silvia Behrendt, Vertreterin der Stadtschulpflegschaft Köln (Grundschulen).
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„Es gibt unter den Eltern immer eine große Beunruhigung und Verunsicherung, wenn ihre Kinder zur Grundschule angemeldet werden. Die große Frage ist, ob sie auch den gewünschten Platz in der OGS erhalten. In den Kitas ist die Betreuung ja in der Regel gewährleistet, aber beim Schritt in die Grundschule habe auch ich als berufstätige Mutter sehr gebangt. Mein erster Sohn wurde vor vier Jahren eingeschult, ich hatte große Bedenken, aber zum Glück habe ich eine Betreuung bis 18 Uhr bekommen.
Auch in der Grüngürtelschule wird in Schichten gegessen, von Stufe I bis IV. Wir haben von 340 Schülern insgesamt 280 Kinder in der OGS. Jede Gruppe darf einmal die Woche in der Küche essen, was ein Luxus ist, ansonsten werden die OGS-Räume zu Essensräumen. Das ist unschön, aber wir haben nun mal nicht die Räume, so muss man sich behelfen. Unsere OGS macht die Betreuung sehr gut. Doch es gibt auch hier bauliche Probleme, das Angebot ist ja in den letzten 15 Jahren erheblich gewachsen.
Das hätte man allerdings vorhersehen und sich besser darauf einstellen können. Es gab und gibt schließlich klar den Trend hin zu berufstätigen Müttern und Ganztag. Es muss die Forderung sein, dass für jedes Kind in Köln ein OGS-Platz geschaffen wird, damit Eltern ihren beruflichen Werdegang weitergehen können. Ich glaube übrigens nicht daran, dass 2025 der OGS-Rechtsanspruch kommt – ein weiterer Ausbau der Plätze ist unrealistisch, wenn nicht parallel ein Bauprogramm aufgelegt wird. An unserer Schule gibt es keinen Raum, der frei ist.
Prinzipiell ist die Betreuung im Offenen Ganztag relativ okay, aber es gibt in der Stadt Grundschulen, die in der Stadt besonders gut aufgestellt sind und andere nicht. Da könnte man noch mehr tun, um gleiche Angebote und Standards zu gewährleisten.
Ich finde, Politik und Verwaltung müssten in Köln enger zusammenarbeiten, an einem Strang ziehen. So wird manches auf dem Rücken unserer Kinder ausgetragen.“