Schatzhaus der GeschichteDas neue Kölner Stadtarchiv am Eifelwall setzt Maßstäbe

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Hell und freundlich sind Foyer und Lesesaal im neuen Stadtarchiv.

Köln – „Wir sind sehr glücklich, hier zu sein.“ Auch nach acht Monaten ist bei Dr. Ulrich Fischer, dem stellvertretenden Leiter des Stadtarchivs, die Freude über den neuen Standort nicht zu übersehen.

Der im September 2021 eröffnete Neubau am Eifelwall hat den mehr als 180 Mitarbeitenden des Historischen Archivs und des Rheinischen Bildarchivs eine neue Heimat gegeben, die sich durch hohe Funktionalität und zeitlose Ästhetik auszeichnet. „Endlich haben wir wieder einen schönen Lesesaal, wo unsere Besucher arbeiten können. Das ist ja das Herz eines Archivs“, betont Fischer.

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Ein Dokument aus dem Kölner Archiv

Nach der Katastrophe 2009, als beim Einsturz des alten Archivgebäudes an der Severinstraße zwei Menschen starben und das Gedächtnis der Stadt verschüttet wurde, waren die geborgenen Archivalien 13 Jahre lang auf 20 Gastarchive verteilt.

Direktorin „Kulturmanagerin des Jahres“

Dr. Bettina Schmidt-Czaia (61) leitet seit November 2005  das Historische Archiv der Stadt Köln, nun wird ihr eine besondere Ehre zuteil. Der Kölner Kulturrat zeichnet die Historikerin  als „Kulturmanager*in des Jahres 2021“ aus. Co-Preisträger sind Kerstin Ortmeier und Gerhardt Haag vom Afri Cologne Festival.

Die Auszeichnung  wird  am heutigen Montag übergeben, sie ist Teil des seit 2010 verliehenen Kölner Kulturpreises. Die Jury, die ihre Begründung erst heute offiziell veröffentlicht, würdigt mit der Auszeichnung für Schmidt-Czaia acht Monate nach Eröffnung des Archivneubaus den besonderen Einsatz der leitenden Archivdirektorin. Im Rahmen ihrer bald 17-jährigen Tätigkeit im Haus steuerte sie das Stadtarchiv nach der Einsturz-Katastrophe 2009 durch eine beispiellos schwierige Zeit. Zigtausende Archivgüter waren zerfetzt. Sie wieder nutzbar zu machen, ist  Aufgabe für Generationen. Schmidt-Czaia und ihr Team haben diesen Prozess mit viel Engagement angepackt und in 13 Jahren schon mehr erreicht, als mancher nach dem Einsturz zu hoffen wagte.

Von Beginn an setzten sich die Mitarbeiter unermüdlich dafür ein, die geretteten Stücke wieder nutzbar zu machen. Lange diente ein ehemaliges Möbellager in Porz als Werkstatt, viermal musste das Archiv an neue Standorte umziehen. „Wie ein Wanderzirkus“, befand Direktorin Dr. Bettina Schmidt-Czaia. Jetzt haben sowohl die Menschen als auch die Archivalien endlich ein würdiges neues Zuhause gefunden. „Wir sind angekommen“, sagt Fischer.

Viele Schätze noch vom Einsturz gezeichnet

Der 128 Meter lange und 45 Meter breite Neubau gilt als  eines der modernsten Archive Europas. Ein ausgeklügeltes, energiesparendes Klimatisierungskonzept schafft ideale Bedingungen für die empfindlichen Zeitdokumente. Es gibt neun Klimazonen – vom Tiefkühlkeller mit minus 18 Grad bis zum angenehm temperierten Vortragsraum. „Schatzhaus“ haben die Architekten den erhöhten Gebäudeteil genannt, in dem sich die 28 Magazinräume mit insgesamt 50 Regalkilometern Lagerfläche befinden.

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Von außen zeigt sich der Bau schnörkellos.

Der Name ist Programm, denn die Kölner Bestände gelten als bedeutendstes kommunales Archiv nördlich der Alpen. Doch noch sind viele Schätze der Kölner Geschichte vom Einsturz gezeichnet. Erst 18 Prozent der geborgenen Archivalien wurden bisher gereinigt, aber längst nicht alle davon restauriert. „Alle Dokumente vom Baustaub zu befreien, wird uns noch rund 30 Jahre beschäftigen“, erläutert Fischer.

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Die Mitarbeiter freuen sich über moderne Arbeitsplätze.

An einem Schreinsbuch, einer Art Grundbuch aus dem 18. Jahrhundert, zeigt  Esther Ibimoroti (46), wie man den Baustaub mit Schwämmchen und Pinsel vorsichtig Seite für Seite entfernt. Rund eine Woche wird sie an dem Buch arbeiten. Die neuen Werkstatträume seien hervorragend ausgestattet, viel besser als die alten in Porz, meint sie. „Und es ist schön, dass  jetzt alles unter einem Dach vereint ist.“

„Kölner können stolz auf ihr neues Archiv sein“

Nebenan drapiert ein Kollege Papierschnipsel in einem Glasträger. Die Fetzen werden mit einem extra dafür konzipierten Scanner digitalisiert. Später lässt sich mit Hilfe künstlicher Intelligenz ermitteln, welche Stücke zusammengehören. So können zerrissene Dokumente wiederhergestellt werden, denn anhand bestimmter Parameter erkennt das Programm zum Beispiel, dass ein heute gescanntes Stück Papier zur selben Seite gehört wie ein Fetzen, der vor drei Monaten erfasst wurde. „Andere Archive haben großes Interesse an dieser eigens für uns entwickelten Lösung“, so Fischer.

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Der moderne Scan-Service ermöglicht es, zerrissene Dokumente wiederherzustellen.

Augustinus Janssen (65) aus Sittard in den Niederlanden ist das erste Mal im neuen Haus und begeistert. „Ich war schon in vielen Archiven und finde dieses Haus vorzüglich. Es ist sehr angenehm, hier zu arbeiten. Die Kölner können stolz auf ihr neues Archiv sein.“

Zahlen zum Archiv

29 Restauratoren und 38 Assistenzkräfte arbeiten im Stadtarchiv, in dem sich Europas größte Papierrestaurierung befindet. Der Neubau am Eifelwall, der knapp 90 Millionen Euro gekostet hat, bietet 14 500 Quadratmeter Nutzfläche. Davon stehen 8800 Quadratmeter im sechsgeschossigen „Schatzhaus“ zur Lagerung der bislang 36 laufenden Regalkilometer Archivgut zur Verfügung. 2,2 Regalkilometer sind dort für das Rheinische Bildarchiv reserviert, das 5,5 Millionen Fotografien im Bestand hat.

Der Lateinlehrer forscht privat über den Sittarder Jesuiten Jacobus Kritzraedt (1602-1672). Vor dem Einsturz hat er schon im alten Archiv recherchiert und ist voll des Lobes. „Das Team war  schon damals sehr freundlich und hilfsbereit. Daran hat sich nichts geändert.“

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