Schulnotstand in Köln54 neue Schulen bis 2030 dringend nötig

Ist das Ex-Möbelhaus zur Schule umzurüsten? Das wollen CDU und Grüne prüfen lassen.
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Köln – Der Schulplatznotstand verschärft sich: Köln wächst mittelfristig sehr stark weiter und damit steigen die Kinderzahlen und der Bedarf an Schulen. Obwohl die Stadt bereits zusätzliche Plätze schuf, mehr Klassen einrichtete und sie vergrößerte, Container aufstellte: Es reicht nicht.
In der Schulentwicklungsplanung 2020 aktualisierte die Schulverwaltung mit Blick auf die neuen „kleinräumigen Bevölkerungsprognosen“ den Rahmenplan von 2019 und korrigierte den Bedarf nach oben: Es ergibt sich ein aktualisierter Bedarf an mindestens 54 neuen Schulen beziehungsweise Schulgebäuden bis 2030, davon mindestens 30 Grundschulen, 21 weiterführenden Schulen, zwei Berufskollegs. Ein paar starteten bereits im Interim. 2018 war die Stadt noch von 46 neuen Schulbauten ausgegangen. 13 neue Gesamtschulen und acht Gymnasien seien in Planung.
200-seitiger Plan wurde vorgestellt
„Wir können nicht fünf bis zehn Jahre warten“, bis sie in Betrieb gehen, betont Frank Pfeuffer, Leiter der Integrierten Jugendhilfe- und Schulentwicklungsplanung der Stadt. Benötigt werden neue Flächen zur Bebauung und weitere Beschleunigung, mehr Schulbauprogramme mit Total- und Generalunternehmern (GU/TU), aber auch neue Ideen: „Denkverbote gibt es nicht“, sagte Pfeuffer bei der Vorstellung des 200-seitigen Plans, der gestern im Schulausschuss präsentiert wurde und nun zur Beratung in alle Gremien und Schulen geht, bevor er am 18. Juni im Rat auf der Tagesordnung steht.
Drei Gesamtschulen erstmal geplant
Erstes Ziel sei es, mindestens drei Gesamtschulen wenigstens im Interim 2023/24 an den Start zu bringen, 2025/26 sollen drei weitere folgen; ebenso je drei Gymnasien. „Der in den Schulbau gekommene Schwung muss weiter mit Tempo versehen werden“, unterstreicht Pfeuffer. Der Schulbaunotstand sei so groß, dass es nicht erlaubt sei, „etwas nicht zu denken“. Die Stadt legte bereits ein Akutprogramm auf, von der Schulbau-Prioritätenliste bis zu weiteren TU/GU-Paketen. Geprüft wird auch die Bildung einer Schulbau-Gesellschaft.
Leerstehendes Möbelhaus als Schul-Interim nutzen?
Der Schulplatznotstand besteht seit Jahren besonders an Gesamtschulen und Gymnasien, beklagen nicht nur Elternvertreter – auch die Politik schlägt nicht erst seit gestern Alarm: „Das Bauen von Schulen geht zu langsam voran“, schreiben CDU und Grüne in einer Anfrage im Schulausschuss – und schlagen vor zu prüfen, das leerstehende Möbelhaus Flamme an der Grenze zu Poll übergangsweise als Schulstandort zu nutzen. „Bei der Einrichtung der dringend benötigten Schulplätze müssen auch kreative neue und ungewöhnliche Wege gegangen werden.“ Nach Einschätzung von CDU und Grünen könnte das Möbelhaus „mit dem Einziehen von Wänden und weiteren baulichen Maßnahmen schnell hergerichtet werden“.
951 Kinder sind beim Anmeldeverfahren an den Gesamtschulen abgelehnt worden. Die SPD forder , „die schon jetzt dringend benötigten sechs Interims-Schulbauten – drei davon für Gesamtschulen – „umgehend zu realisieren“. Auch die Linke drückt aufs Tempo. Die Suche nach Flächen müsse forciert und auch bisher erfolglose Grundstücksprüfungen für die Interimsstandorte offengelegt werden, so die SPD. Auch bereits verworfene Flächen wie das Grundstück an der Herbesthaler Straße im Stadtbezirk Lindenthal sollte einbezogen werden.
Die GEW Köln fordert mit Blick auf den „drastischen Gesamtschulnotstand“ einen bedarfsgerechten Ausbau; was würden Überlegungen zum Aufbau einer stadteigenen Schulbaugesellschaft und neue priorisierende Schulbaulisten nützen, wenn seit Jahrzehnten der Ausbau von Gesamtschulen fehle? Es sei „allerhöchste Zeit, dass die Stadt dem Elternwillen folgt“.(MW)
Weitere denkbare Interimslösungen: Containerpakete, Anmietung von Büroimmobilien, gegebenenfalls werde die Stadt auch Berufskollegs mit freien Kapazitäten „um Unterstützung bitten, ob wir Räume temporär nutzen können“, so die Schulverwaltung. Was die Kollegs nicht freuen wird. Und wie steht es mit eventuellen Umwandlungen einer Schulform? „Das ist eine sehr sensible Angelegenheit“, so Pfeuffer, man freue sich, wenn eine Schulgemeinde solche Ideen unterstütze. Die Stadt wolle aber grundsätzlich „keine Schulstrukturdebatte führen“, grundsätzlich seien Gesamtschulen und Gymnasien gleichberechtigt zu berücksichtigen. Schuldezernent Robert Voigtsberger führt zudem Gespräche mit allen 14 Umlandregionen über eventuell mögliche Kooperationen.
Neben steigenden Schülerzahlen sorgt auch das geänderte Schulwahlverhalten für den unaufhaltsamen Trend zum zweigliedrigen Schulsystem: hin zu Gesamtschulen und Gymnasien. An Hauptschulen sinken die Schülerzahlen. Außerdem werden sich mit der Rückkehr zum „G9“ im Jahr 2026/7 4300 Gymnasiasten ein Jahr länger im Schulsystem befinden. An Gesamtschulen wurden 2020 951 Kinder abgelehnt. Trotz erhöhten Angebots stieg die Nachfrage stadtweit. 2019 erhielten alle „Neuen“ an Gymnasien einen Platz – einige aber nicht an der favorisierten Schule. Die aktuelle Zahl liegt bald vor. Es wird mit 4300 bis 4400 Anmeldungen gerechnet, mehr als bisher. . .