Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Sicherheit in der FerneDie ersten Geflüchteten aus der Ukraine sind in Köln

Lesezeit 5 Minuten
Flüchtlinge in Köln

Ankunft und Ungewissheit: Zwei Kinder schauen durch die Scheibe des Reisebusses, der sie nach Köln gebracht hat. 

Köln – Die Türen des Reisebusses gehen mit einen leisen Zischen auf. Ein Mädchen an der Hand seiner Mutter steigt als erstes aus. In der anderen hält es eine flauschige Kuschel-Ente. Nach und nach steigen 45 Ukrainerinnen und Ukrainer aus dem Bus, der gerade etwa 700 Kilometer zurückgelegt hat. Die Sonne scheint auf den Platz vor der Unterkunft an der Sinnersdorfer Straße in Roggendorf-Thenhoven, die für einige vorerst das Zuhause sein wird, während russischen Truppen ihre Heimat angreifen.

Um 2 Uhr nachts fuhr der Bus los

Vor dem Tor der Unterkunft wartet Mohsain Reja. Er winkt in Richtung der Ankünftlinge. Als das Tor etwas später geöffnet wird, damit ein Auto passieren kann, kommt ein Mann und die beiden umarmen sich herzlich. Reja erzählt: „Meine Tante und mein Onkel sind angekommen. Ich habe für sie eine Wohnung besorgt“. Erst am Mittwochabend hat er erfahren, dass die beiden mit ihren zwei Kindern in dem Bus sitzen. „Nachts um 2 Uhr ging es los.“

Flüchtlinge in Köln 2

Geflüchtete aus der Ukraine steigen vor den Gebäuden eines Flüchtlingsheims in Köln aus einem Bus.

Die Familie lebt eigentlich in Kiew. Viel erzählen möchte Rejas Onkel nicht, erst einmal ankommen. Seine Frau und die Kinder kommen auch an den Zaun, um Reja zu begrüßen. Während sie zurück zu der Versorgungsstation gehen, erzählt Reja noch ein bisschen, wie er die Situation erlebt hat: „Letzte Woche haben wir jede Stunde miteinander telefoniert.“

Flüchtlinge in Köln 3

Flüchtlinge bei ihrer Ankunft in Köln

Einmal habe die Tante mit einem der Kinder Schutz in der U-Bahn suchen müssen. „Sie hatten viel Angst. Die Schulen waren zu, die Lebensmittel sind teuer geworden, aber dann haben sie erst einmal gewartet – bis vorgestern. Dann sind sie nach Polen geflüchtet. Als mein Onkel gesagt hat, er habe einen Bus gefunden, meinte ich nur: ,Geh sofort da rein’.“

Flüchtlinge in Köln 4

Den Kindern merkt man die Strapazen der Flucht besonders an.

Das Hab und Gut der Geflüchteten ist in Tüten, Säcke, Koffer und Taschen verstaut. Nachdem alle aus dem Bus gestiegen sind, werden sie erst einmal vom Deutschen Roten Kreuz und vom Verein Blau-Gelbes Kreuz versorgt. Zwei kleine Jungs aus dem Veedel kommen von außen zu dem Tor und fragen, ob die anderen Fußballspielen wollen. Nein, das passt jetzt nicht. Noch nicht vielleicht.

Hilfsangebote

Das Blau-Gelbe Kreuz ist eine wesentliche Stütze bei der Organisation von Hilfstransporten und der Aufnahme von Flüchtlingen. Kleiderspenden werden derzeit nicht angenommen. Eine Liste mit Waren findet sich im Netz.

www.bgk-verein.de

Die KG Ponyhof nimmt täglich um 16 Uhr an der Zülpicher Straße 312 in Sülz Hilfsgüter an. Die Karnevalisten unterstützen den Verein „Refugees Foundation“. Auch hier gibt es online eine Liste, was benötigt wird.

www.kg-ponyhof.koeln

Auch die Stadt versucht, einen Überblick über die vielen Hilfsangebote zu bekommen. Wer helfen möchte, kann sein Angebot unter der Mailadresse ukraine@koelnhilft.koeln an die Stadt schicken. (tho)

Ursprünglich waren die Busse für Dienstag angekündigt worden, doch an der polnischen Grenze hatte es immer wieder Schwierigkeiten gegeben. Da die Ukraine nicht zur Europäischen Union gehört, mussten die ukrainischen Geflüchteten erst einmal registriert werden. Bei so vielen Menschen, die gerade aus dem Land fliehen, dauert das seine Zeit. Auch Elisabeth Gruber ist mit ihrer Mutter hier, um ihre Familie abzuholen. Gruber kommt aus Kleve. Ihre Oma Anastasia und die Tante mit ihren zwei Kindern waren auch mit in dem Reisebus. Aus der Nähe von Lwiw hatten sie sich auf den Weg gemacht. Auch Elisabeth Gruber und ihre Mutter hatten erst gestern erfahren, dass der Bus nun in Köln ankommt. „Jetzt müssen wir zwei Stunden nach Hause fahren“, sagt Gruber. Dann haben Oma Anastasia und die Familie es geschafft und können sich ausruhen.

Auch Mohsain Rejas Familie hat inzwischen ihr Gepäck geholt. Auf einen Zettel müssen sie noch die neue Adresse aufschreiben. Das Tor zur Unterkunft wird geöffnet und die Familie macht sich mit Reja auf den Weg zu der Wohnung, in der sie unterkommen können.

Nachbarschaftshilfe im Kölner Westen – Transporte bis in die Ukraine

Das Ziel heißt Czernowitz, eine malerische Stadt am Pruth im Südwesten der Ukraine. Wassily (53) ist dort aufgewachsen, seine Eltern, seine Tochter und ein Enkel leben dort. Jetzt steht der Ukrainer in einer alten Stallung auf einem Hof im Westen Kölns. Wo früher Tiere standen, stapeln sich Kartons und Säcke. „Die Hilfsbereitschaft aus Deutschland ist unglaublich“, sagt Wassily gerührt. Der anfängliche Schock über den Krieg in seiner Heimat hat sich bei ihm in Aktionismus verwandelt.

20 Helferinnen und Helfer hat der Mann mit Freisprech-Kopfhörern im Ohr in aller Eile rekrutiert. Viele Studierende sind dabei, sie hocken inmitten von Kartons und sortieren Kleidungsstücke nach Größe, sie beschriften Säcke, verpacken Medikamente, Wasserflaschen und Schlafsäcke. Über die sozialen Netzwerke hat Wassily Freunde und Bekannte informiert, die Kirchengemeinde hilft, ein Karnevalsverein ist involviert, eine Apotheke hat Verbandsmaterial gespendet.

Die Hilfsbereitschaft in der Stadt ist groß, viele Initiativen und Privatpersonen versuchen, irgendwie Hilfe für die Menschen in der Ukraine zu organisieren. Auch Spediteure wollen helfen und. „Lkw-Fahrer melden sich, die Hilfsgüter an die ukrainisch-polnische Grenze bringen wollen“, erzählt Natalie Nothstein vom Verein Blau-Gelbes Kreuz.

Im alten Stall, den Wassily nutzen darf, ist die Lage ähnlich. „Wir können vor allem Medikamente brauchen und Lebensmittel. Denn die Logistik in der Ukraine ist gestört, es gibt in den Läden nicht immer etwas“, weiß er.

Auf seinem Handy hat Wassily Fotos aus seiner Heimat. Auf einem Bild ist der Saal eines geräumigen Restaurants zu sehen, in dem rund 50 Betten aufgebaut worden sind. „Wir helfen den Flüchtlingen in der Ukraine. Aus dem Landesinneren kommen viele Menschen nach Czernowitz. Die Leute haben fast nichts bei sich“, erzählt er. Die Stadt, in der rund 250 000 Menschen leben, liegt etwa eine Autostunde von der rumänischen Grenze entfernt. „Wenn die Lage schlimmer wird, können unsere Leute schnell das Land verlassen.“

6 Transporter haben den Hof im Westen Kölns bereits Richtung Ukraine verlassen. An der Grenze ist nicht Endstation, die Fahrzeuge sind bislang stets nach Czenrowitz gelangt. Und wieder raus. „Wir haben Kontakte zum Grenzpersonal. Und es gibt rumänische Fahrer, die ohnehin die Ukraine wieder verlassen dürfen“, berichtet Wassily. Jetzt, so erzählt er, flüchteten viele Menschen in der Ukraine ins Grenzgebiet. Auch nach Czernowitz. „Auf dem Rückweg nehmen die Fahrer teilweise auch Flüchtlinge, die es nach Rumänien geschafft haben, mit nach Deutschland oder nach Österreich“, sagt er. (tho)