Sozialbeiträge jahrelang nicht gezahltProzess gegen Mitarbeiter der Stadt eingestellt

Bei archäologischen Grabungen in Köln beschäftigte die Bodendenkmalpflege jahrelang Praktikanten.
Copyright: picture-alliance/ dpa
Köln – „Am Sozialstaat vorbei gebuddelt“ – unter dieser Überschrift berichtete die Rundschau im Juni 2020 darüber, dass die Stadt Köln jahrelang illegal Praktikanten als Grabungshelfer in der archäologischen Bodendenkmalpflege beschäftigt hat, ohne für sie Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Vom 1. Januar 2014 bis zum 28. Februar 2018 wurden nach Rundschau-Informationen 164 Personen auf diese Weise an den Sozialkassen vorbei beschäftigt. Auch Werkverträge waren davon betroffen.
Zwei Mitarbeiter der Stadt waren angeklagt
Durch die nachträgliche Zahlung der Sozialbeiträge entstanden der Stadt zusätzliche Kosten durch Säumniszuschläge in Höhe von 107.904,50 Euro (siehe Infotext). Die Staatsanwaltschaft ermittelte, zwei städtische Mitarbeiter wurden angeklagt. Inzwischen hat das Amtsgericht Köln das Verfahren gegen beide Angeschuldigte gegen die Zahlung von Geldauflagen eingestellt. Die Stadt prüft noch, ob es arbeitsrechtliche Konsequenzen geben wird. Aber der Reihe nach.
Zusätzliche Kosten für die Stadt
39 503 Euro Säumniszuschlag musste die Stadt Köln an die Rentenversicherung bezahlen, weil sie in den Jahren 2010 bis 2013 für Grabungshelfer und andere Mitarbeiter der Archäologischen Bodendenkmalpflege der Stadt keine Sozialversicherungsbeiträge entrichtet hatte. Außerdem musste sie die Beiträge in Höhe von insgesamt 145 045,12 Euro nachzahlen. Für die Jahre 2014 bis 2017 forderte die Rentenversicherung 326 509,70 Euro nach, inklusive 68 401,50 Euro Säumniszuschlag. Durch die nachträgliche Zahlung sind somit Mehrkosten in Höhe von 107 904,50 Euro entstanden. Diese Mehrkosten wurden von der Stadt bezahlt.
Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung vorenthält, kann gemäß Paragraf 266a Strafgesetzbuch mit Geldstrafe oder mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft werden. (fu)
Die Missstände in der städtischen Bodendenkmalpflege, die am Römisch-Germanischen Museum (RGM) angesiedelt ist, waren im Rahmen einer seit 2015 laufenden Betriebsprüfung der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) bei der Stadt aufgefallen. Bereits am 3. August 2016 erging ein Bescheid der DRV, worauf die Stadt erstmals Sozialbeiträge nachzahlen musste. Trotzdem lief die beanstandete Beschäftigungspraxis, die am RGM seit vielen Jahren üblich gewesen sein soll, auch danach noch anderthalb Jahre weiter, ehe sie laut Stadt erst Ende Februar 2018 vollständig und endgültig beendet wurde.
Sozialbetrug bei der Stadt Köln?
Im Rathaus sorgte der Fall mächtig für Wirbel, von Sozialbetrug war die Rede. Ratsmitglieder übten harsche Kritik. Es sei ein Skandal, „dass ein städtisches Amt über viele Jahre praktisch Schwarzarbeit im großen Stil praktiziert hat“, hieß es.
Am 18. Mai 2021 klagte die Staatsanwaltschaft Köln zwei städtische Mitarbeiter in leitender Position wegen des Tatvorwurfs „Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (Paragraph 266a Strafgesetzbuch) an. Zu einer öffentlichen Hauptverhandlung kam es jedoch nicht.
Das Amtsgericht Köln erklärte auf Anfrage, das Verfahren gegen beide Angeschuldigte (Az. 583 Ls 135/21) sei ohne Verhandlung gegen Geldauflagen eingestellt worden. Ein Beschuldigter musste 5000 Euro zahlen, der andere 12 000 Euro. Das Geld ging an karitative Organisationen wie „Ärzte ohne Grenzen“, Welthungerhilfe und „Helfen durch Geben – der Sack e.V.“ sowie an die Staatskasse.
Einstellung des Verfahrens erfolgt
Das Strafverfahren wurde gemäß Paragraf 153a Strafprozessordnung eingestellt. Wesentlicher Grund für die Einstellung war laut eines Gerichtssprechers, dass kein öffentliches Interesse für eine strafrechtliche Verfolgung bestehe, da die nicht entrichteten Sozialbeiträge von der Stadt Köln vollständig nachgezahlt wurden und die beiden Angeschuldigten sich nicht persönlich bereichert hatten.
Nachdem beide Angeschuldigte die Geldauflagen vollständig bezahlt hatten, sei das Strafverfahren mit Beschluss vom 29. Dezember 2021 und 31. Januar 2022 endgültig eingestellt worden, so der Sprecher des Amtsgerichts. Damit sind die Betroffenen nicht vorbestraft. Inwieweit der Fall für sie arbeitsrechtliche Konsequenzen haben wird, ist noch offen. Die Stadt hatte bereits 2020 erklärt, ein Disziplinarverfahren sei eingeleitet. Nun teilte sie auf Anfrage mit: „Die Sachverhalte sind juristisch geprüft und befinden sich gerade in der disziplinarischen und arbeitsrechtlichen Bewertung.“ Konkrete Aussagen dazu könne und dürfe man nicht machen. Die Frage, ob die Stadt beabsichtigt, die verantwortlichen Mitarbeiter in Regress zu nehmen, ist laut Stadt „in der juristischen Prüfung“. Fest steht bereits, dass die Stadt ihren Mitarbeitern die Geldauflagen des Gerichts nicht erstatten wird. „Die Stadt Köln übernimmt für die Mitarbeitenden keine Strafen, Geldbußen, Geldauflagen oder ähnliches“, teilte die Verwaltung mit.
Zur Frage, ob die Rentenversicherung noch in anderen Fällen Sozialbeiträge nachgefordert hat, wollte die Stadt keine Aussage treffen. Begründung: „Die aktuelle Betriebsprüfung ist noch nicht abgeschlossen.“ Sie betonte: „Durch Schulungen, Aufklärung und Kontrolle sollen solche Vorfälle in Zukunft ausgeschlossen werden.“
Der Leiter der Bodendenkmalpflege und des RGM, Dr. Marcus Trier, äußerte sich auf Nachfrage nicht zu dem Fall. Kulturdezernent Stefan Charles erklärte: „Ich bin mit den zuständigen städtischen Dienststellen in Kontakt, und wir haben Vorkehrungen getroffen, dass derartige Vorgänge in Zukunft verhindert werden.“