Warum streiken die Apothekerinnen und Apotheker? Iris Zeien von der Vital Apotheke in Höhenhaus erzählt aus ihrem Alltag.
Streik in ApothekenWas eine Kölner Apothekerin nervt

Iris Zeien in ihrer Apotheke.
Copyright: Meike Böschemeyer
„Klar bleibt die Apotheke zu.“ Iris Zeien, Apothekerin in Höhenhaus, beteiligt sich am Mittwoch am bundesweiten Streik der Apotheken. „Es ist so nervig geworden, dass nicht nur ich, sondern auch meine Mitarbeitenden auf dem Zahnfleisch gehen“, erklärt die 62-Jährige.
Dabei ist es ihr wichtig, etwas klarzustellen.„Ich bin mit Leib und Seele Apothekerin“, sagt Zeien mit Nachdruck. Seit 38 Jahren arbeitet sie in dem Beruf, vor 27 Jahren übernahm sie mit der „Engel-Apotheke“ in Ostheim ihre erste eigene Offizin. Dann kam die Vital-Apotheke in Höhenhaus dazu.
„Apotheke für viele sehr wichtig“
„Für die Menschen, vor allem auch für Ältere, ist die Apotheke wichtig“, sagt Zeien. Beraten, erklären, Ängste nehmen und dafür sorgen, dass Menschen möglichst gut behandelt werden − all das mag die Kölnerin an ihrer Arbeit. Aber seit einer ganzen Weile stimmt für sie die Balance Privatleben-Arbeitsleben nicht mehr. „Seit drei Jahren bin ich nur noch Apotheke. Jeden Tag bin ich etwa drei Stunden länger bei der Arbeit“, stöhnt Zeien, „Im ganzen letzten Jahr bin ich kein einziges Mal dazu gekommen, meinen Sohn in Bayern zu besuchen.“
Während die Herausforderungen durch Corona „irgendwie noch planbar“ gewesen seien, beuteln die Lieferengpässe bei Medikamenten Zeien enorm. Sie betreffen (wie berichtet) eine Vielzahl wichtiger Arzneien von Antibiotika bis hin zu Fiebersäften. Die Folge ist eine Menge Mehrarbeit.
„Gefühlt bei jedem zweiten oder dritten Rezept gibt es ein Problem“, sagt Zeien. Steht dort beispielsweise das bekannte Blutdruckmedikament „Candesartan 100 Tabletten á 8 mg“ heißt das noch lange nicht, dass der Kunde das in der gewohnten Form mit nach Hause nehmen kann.
Langwierige Recherche nach Ersatz
„Einen Augenblick bitte ...“ So beginnt meistens die Odyssee durch Online-Verzeichnisse. Hat Zeien festgestellt, dass das Medikament des verordneten Herstellers weder vorrätig noch lieferbar ist, macht sie sich auf die Suche nach Alternativen mit demselben Wirkstoff. Allerdings: Sie kann längst nicht jedes nehmen. „Ich muss darauf achten, für welchen Hersteller es Verträge mit den Krankenkassen gibt.“
Ist in der verordneten Menge nichts zu finden, sucht Zeien nach kleineren Packungen. Wird sie da nicht fündig, sucht sie nach anderen Dosierungen. „Komme ich an 4-mg-Tabletten, muss der Patient zwei statt einer nehmen“, erklärt sie. Sind stattdessen nur 16 mg auf dem Markt, wird es komplizierter. Die Arztpraxis muss informiert werden. Ein neues Rezept muss her. „Immer wieder rufen wir in den Praxen an, manchmal geht die Bitte nach dem neuen Rezept unter und wir müssen noch mal nachfragen“, erklärt Iris Zeien.
Kunden haben Angst vor Ersatzmedikament
Hinzu kommt die Beratung. Und die wird immer wichtiger. „Die Patienten sind sehr verunsichert, wenn sie nicht ihr gewohntes Medikament kriegen, zwei statt einer Tablette nehmen müssen oder die eine andere Farbe hat. Die haben Angst“, weiß die Apothekerin, „Da ist es unsere Aufgabe, sie abzuholen und eine Lösung zu präsentieren. Das ist viel Arbeit.“ Eine Arbeit, die Zeien sehr wichtig ist. „Beratung und ein Vertrauensverhältnis“ sieht sie als eine der Stärken und wichtigen Aufgaben der Vor-Ort-Apotheken.
Gerade ältere Menschen, die mehrere Arzneien nehmen, oder Menschen, die aufgrund von Sprachbarrieren oder Aufregung beim Arzt nicht alles verstehen, suchen in der Apotheke Rat. Ein Rat, den die Krankenkassen mit einer Fixkostenpauschale von 8,50 Euro pro verordnetem Medikament vergüten. „Diese Pauschale ist seit 20 Jahren unverändert“, schimpft Zeien.
In der Klemme
Dass die Politik angesichts der Lieferengpässe 50 Cent mehr bei Problemfällen ins Gespräch gebracht hat, findet Zeien „unverschämt“. Sehr viel mehr Arbeit, auch Bürokratie und unter dem Strich weniger Geld − so sieht sie ihre Situation. „Meine Mitarbeiter leisten sehr viel. Sie arbeiten Oberkante Unterlippe. Die hätten auch gerne mehr Geld. Aber wovon soll ich das bezahlen, wenn ich von den Krankenkassen keine höhere Erstattung für meinen Aufwand bekomme? Das macht ja den Arbeitsplatz unattraktiv.“