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Trauerbegleitung stark nachgefragt„Trauernde brauchen Jemanden, der das aushält"

Lesezeit 3 Minuten

Trauernde fühlen sich oft alleine

Köln – „Das Wichtigste, das Trauende brauchen, ist jemand, der ihre Trauer aushält. Jemand, der bleibt, wenn die Emotionen kommen“, sagt Nancy Hölterhof. Die Gestalttherapeutin bildet seit einigen Jahren Trauerbegleiterinnen und -begleiter aus. Gerade hat sie zusammen mit Norbert Reicherts einen Kurs beim Hospizverein Mülheim abgeschlossen. 15 Frauen und Männer im Alter von Ende Zwanzig bis Ende 60 haben daran teilgenommen. „Wir haben erstmals einen solchen Kurs angeboten. Denn wir haben festgestellt, dass Trauerbegleitung bei uns immer stärker nachgefragt wird“, sagt Johannes Claßen, Vorsitzender des Hospizvereins Mülheim.

Einen Grund für die steigende Nachfrage glaubt er zu kennen. „Ich glaube, dass die Kirchen das nicht mehr leisten können, weil die Seelsorgebereiche zu groß geworden sind“, meint Claßen. Ausbilderin Hölterhof sieht noch ein weiteres Motiv: „Gerade in Großstädten wie Köln sind viele Menschen einsam und Familiensysteme tragen oft nicht mehr so wie früher.“ Ein halbes Jahr haben die Teilnehmenden sich an fünf Wochenenden und bei zwei Abendveranstaltungen auf ihre Aufgabe als ehrenamtliche Trauerbegleitende vorbereitet. „Ich war mir erst unsicher, ob ich dem gewachsen bin“, gesteht Gunda Padro.

Die 65-Jährige arbeitet seit längerem als Sterbebegleiterin. Auch das ist anspruchsvoll. Aber auf andere Art. „Trauernde sind sehr verletzlich. Als Begleitung muss man das aushalten können“, sagt Padro.

Lösungsvorschläge nicht Sinn der Trauerbegleitung

In vielen Übungen hat sie gelernt, mit unterschiedlichen Situationen umzugehen. Dabei haben die Teilnehmenden verschiedene Rollen eingenommen und dann im Gespräch bewertet, wie es sich angefühlt hat.

Wichtig bei jeder Situation: Lösungsvorschläge sind nicht der Sinn einer Trauerbegleitung. Stattdessen geht es darum, jeden Menschen mit seiner einzigartigen Situation anzunehmen. „Begleitung bedeutet, stützend hinter dem Trauernden hinterherzugehen“, bringt es Hölterhof auf den Punkt. Eigentlich einfach. Doch für viele Menschen eine große Herausforderung.

Rituale, um Abschied zu nehmen

Immer wieder, so erzählen die Experten, erleben Menschen nach einem großen Verlust, dass sie isoliert sind. „Andere gehen ihnen aus dem Weg aus Unsicherheit, wie sie sich verhalten sollen“, weiß Hölterhof. Ihre Anregung: Die Unsicherheit thematisieren. Und: Auf keinen Fall krampfhaft nach tröstenden Worten suchen. „Die Menschen sind im Wortsinn untröstlich. Es wird ja nicht wieder gut. Wenn jemand einfach da ist, ist das das Größte, was man bieten kann“, sagt Hölterhof.

Dabei sei es letztlich unerheblich, ob jemand gestorben ist oder ein anderer schwerer Verlust − das Wegfallen der Arbeitsstelle, eine Trennung − zu beklagen sei. „Trauer braucht ihre Zeit“, sagt Hölterhof, „wie lange die ist, ist ganz individuell.“

Das Problem sei, dass die Gesellschaft erwarte, dass schnell „Normalität“ einkehre. Dabei sei Trauer genau das, was nach einem Verlust ansteht. „Trauer ist die Lösung. Es geht kein Weg an ihr vorbei“, sagt Hölterhof.

Zuweilen können auch Rituale helfen, Abschied zu nehmen. Wie ein solches Ritual aussehen kann, ist so vielfältig wie die Menschen selbst. Dem einen mag es helfen, eine Erinnerungsecke oder -kiste zu gestalten. Ein anderer schreibt vielleicht seine Gedanken nieder, zündet das Papier an und lässt die Gedanken symbolisch in den Himmel steigen. „Man kann sich hier selbst etwas erfinden“, ermutigt Hölterhof und erinnert sich an ein Beispiel: „Eine trauernde Tochter hat ein Jahr jeden Tag ein Schmuckstück ihrer verstorbenen Mutter getragen und so für sich deutlich gemacht, dass dies eine besondere Zeit für sie war.“