Von Bücherschätzen und e-MedienUniversitäts- und Stadtbibliothek wird 100 Jahre alt

Avantgarde-Architektur der 60er Jahre: Hinter markanten Fassaden hütet die USB vielfältige Bestände.
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Köln – Zum 100-jährigen Bestehen der Universitäts- und Stadtbibliothek spricht Martina Windrath mit Direktor Dr. Hubertus Neuhausen über Trends und Herausforderungen.
Eigentlich wollten Sie groß den 100. Geburtstag der am 14. Mai 1920 von der Stadt gegründeten USB feiern – eine Schatzkammer voller historischer Bücher und moderner elektronischer Medien. Aber mit Blick auf Corona ist Ihnen sicher nicht zum Feiern zumute?
Eher nicht. Wir hatten unter anderem einen Festakt zum 100. Geburtstag der USB geplant, an dem auch die Wissenschaftsministerin teilnehmen wollte. Das mussten wir verschieben. Und es hat uns alle emotional sehr mitgenommen, dass wir die Bibliothek schließen mussten. Bisher hatten wir nahezu jeden Tag geöffnet, über 5000 Besucher kommen in normalen Zeiten täglich, zwei Millionen im Jahr in unser Haus.
Das USB-Team hat wahrscheinlich sowieso keine Zeit zum Feiern: Die Uni hat ihr Semester in der Corona-Krise aufs Digitale umstellen müssen, auch die USB?
Der Digitalisierungsschub durch Corona ist eine riesige Herausforderung, aber auch eine spannende Entwicklung. In den letzten 15 Jahren haben wir bereits sehr viele elektronische Medien gekauft und den e-Bestand strategisch ausgebaut. Das zahlt sich jetzt aus. Mittlerweile können wir 3,8 Millionen digitale Objekte anbieten und es werden laufend mehr. Auch die Zugriffszahlen steigen deutlich. Wegen der Corona-Krise haben wir Sondermittel bekommen, wir geben mit 4,3 Millionen Euro dieses Jahr fast unser gesamtes Erwerbungsbudget für e-Medien aus. Wir haben bei den Dekanaten eine Umfrage gestartet, was digital benötigt wird, und besorgen das jetzt unter Hochdruck. Übrigens hat unser Haus mittlerweile wieder offen und man kann gedruckte Bücher wieder vor Ort ausleihen. Da der Großteil immer noch aus dem Homeoffice agiert, ist der Bedarf an elektronischen Medien aber ungebrochen da. Diesen Komfort möchte man nicht mehr missen.
Das Fundament der USB bilden allerdings die wertvollen historischen Bestände.
Wir stehen auf zwei Füßen, den e-Medien und den Altbeständen. Wir versuchen, beide Welten unter einen Hut zu bekommen. Mit der Gründung haben wir den gesamten historischen Buchbestand der Stadt anvertraut bekommen, darunter die kostbare Sammlung von Ferdinand Franz Wallraf. So ist eine der herausragenden Bibliotheken in Deutschland entstanden, die größte in NRW.
Die USB: Haus der historischen Sammlungen

Dr. Hubertus Neuhausen
Copyright: USB
Hauptsitz der Universitäts- und Stadtbibliothek ist seit 1968 das von Architekt Rolf Gutbrod entworfene Gebäude an der Universitätsstraße 33 mit der markanten, avantgardistischen Beton-Fassade. Rund 4,4 Millionen Medien befinden sich im Bestand, knapp vier Millionen digitale Objekte: darunter allein 330 000 e-Books, 4633 Zeitschriften-Abos, rund 66 000 elektronische Zeitschriften. Die USB zählt 800 Nutzerarbeitsplätze insgesamt, davon 60 mit Internetzugang.
Die Bibliothek besitzt große Bestände wissenschaftlicher Werke, Lehrbücher und anderer Medien, einen Bücherschatz aus sechs Jahrhunderten. Historische Konvolute der Stadt bildeten den Grundstein der USB, darunter die 1603 gegründete Syndikats- und Ratsbibliothek sowie Bestände von Klöstern, die ab 1794 von den Franzosen geschlossen wurden. Die Bibliothek wurde am 14. Mai 1920, ein Jahr nach der neuen Uni, von der Stadt gegründet.
Restauriert wird seit 2018 die Sammlung von Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824), letzter Rektor der alten Uni . Sie umfasst rund 79 000 Werke aus dem 15. bis 17. Jahrhundert. Zu bedeutenden Alt-Werken gehört auch der Nachlass des Kölner Architekten Jakob Ignaz Hittorf (1792-1867), der Paris mit gestaltete. Besonders wertvoll: die älteste Edition von Shakespeares Werken 1623; das „First Folio“ gilt als eines der teuersten Bücher weltweit. Speziell: das „New Kochbuch“ anno 1581 vom Leibkoch des Erzbischofs von Mainz, mit 2200 Rezepten - von der Froschpastete bis zum Bärenbraten.
Nach Wochen der Corona-Schließung ist die USB schrittweise wieder zugänglich. Weitere Infos dazu auf der Homepage.(MW)
www.ub.uni-koeln.de
Was wandelt sich?
Wenn die Uni sich digitalisiert, dann können wir auch nicht mehr so weiter machen wie bisher. Wir tun uns mit anderen Partnern zusammen und bieten gemeinsam im Netzwerk Services und Beratung an. Zum Beispiel haben wir ein Projekt zum Forschungsdatenmanagement eingeworben. Dabei geht es um Messergebnisse, Daten, Bilder – Materialien, die mittlerweile fast genauso wichtig wie Publikationen sind.
Gibt es Wünsche zum 100.?
Ich wünsche mir zum Beispiel, dass die wundervollen alten Sammlungen von den Forschenden an unserer Uni intensiv erforscht werden, etwa die Bibliothek Wallraf oder der alten Jesuitengymnasien.
Was ist mit der dringend nötigen Sanierung der USB? Der 60er-Jahre-Bau entspricht teils nicht mehr den modernen Anforderungen, etwa bei der Ausstattung mit Steckdosen. Sie warten seit Jahren.
Es sind noch eine Menge Fragen zu klären. Der Uni-Masterplan Bauen wird gerade überarbeitet, das bleibt abzuwarten.