Wegbierverbot, BettelverbotDas sagen prominente Kölner zur neuen Stadtordnung

Feste feiern hat in Köln Tradition, am Brüsseler Platz wird gesungen und gelacht – zurück bleibt oft ein Scherbenmeer.
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Köln – Am Freitag wird die Verwaltung die Änderung der Stadtordnung erläutern. Wie berichtet soll Straßenkunst und aggressives Betteln im Domumfeld verboten werden. Das Wegbier soll nicht mehr überall erlaubt sein. Dahinter steht die Frage, wo eine Stadt Grenzen ziehen soll, wie viel Toleranz wir uns noch gestatten. Simon Lorenz und Jens Meifert haben Stimmen gesammelt.
Franz Meurer, Pfarrer in Höhenberg und Vingst

Franz Meurer
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„Wir brauchen mehr dörfliche Strukturen in der Großstadt. Eine Möglichkeit, um Auswüchse in den Griff zu bekommen, ist Null-Toleranz. Das machen die Leute nicht mit. Also brauchen wir gesellschaftliche Kräfte, die die Ordnung stärken. Ich hebe Müll auf der Straße auf und versuche, Vorbild zu sein. Wenn Straßen verwahrlosen, geht alles den Bach runter. Ein Verbot aller Straßenkunst auf der Domplatte geht mir zu weit. Da brauchen wir gezielte Ansprache. Ohne schwaade geht es einfach nicht.“
Robert Kleine, Stadtdechant

Robert Kleine, Stadtdechant
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„Grundsätzlich müssen sich die Menschen zivilisiert verhalten. Ob Wegbier oder nicht, die Flasche kann man wie anderen Müll vernünftig entsorgen. Ich habe auch nichts gegen Straßenmusik, aber nicht sieben Stunden am Stück die gleichen Akkorde. Wenn die Stadt ein Verbot als einzige Möglichkeit sieht, dann ist mir das lieber, als die Dinge einfach laufen zu lassen. Die Stadt hat jetzt mal einen Aufschlag gemacht, und vielleicht brauchen wir auch mal einen klaren Schnitt, um klar zu stellen: Es muss sich etwas ändern.“
Ulrike Weingarten, Geschäftsführerin „Ludwig im Museum“

Ulrike Weingarten
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„Ich glaube, es ist ein Unterschied, ob jemand ein Bild aufs Pflaster malt oder aggressiv die Passanten angeht. Letzteres ist leider diesen Sommer immer häufiger passiert. Ich bin von einem Bettler letzte Woche bespuckt worden, viele Musiker sind sehr aggressiv, die gehen einfach nicht. Die Außenbeleuchtung des Cafés ist diesen Sommer 13 Mal zerstört worden. Insofern glaube ich, dass wir dringend etwas ändern müssen. Touristen fragen mich: ,Warum lasst ihr das zu?’ Das kann ich nicht beantworten.“
Franco Clemens, Streetworker und Straßenmusiker

Franco Clemens
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„Fehlverhalten in Bezug auf Sauberkeit, Sicherheit und Belästigung zu reglementieren ist legitim, aber die Giftliste der Verwaltung ist überzogen. Sie greift in das geprägte kulturelle und soziale Zusammenleben der Menschen ein. Die unendliche Zahl von neuen Hinweisschildern übersteigt meine Vorstellungskraft. Natürlich ist das direkte Beschallen der Eingangstüren des Doms oder Wegelagerei mit nötigendem Charakter inakzeptabel. Eine Straßen-Kunst-Ordnung mit Regelwerk wäre sinnvoll.“
Olga Scheps, Pianistin und Klassik-Star

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„Ist Musik und Kunst auf der Straße nicht etwas, was zu einer lebendigen Stadt dazugehört, ist es nicht eine Bereicherung?Mein Straßenkonzert im September vor dem Dom war ein spontanes Geschenk an die Kölner und Besucher. Ich habe viele Menschen gesehen, die stehengeblieben sind, die zugehört haben, die sich, wenn auch nur für einen kurzen Moment, in die Musik vertieft haben. Und jetzt kommt dieses Verbot. Ich kann es nicht nachvollziehen und finde es sehr traurig.“
Christoph Becker, Geschäftsführer Deutscher Hotel- und Gaststättenverband Köln
„Die neue Stadtordnung ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Köln muss an seinem Niveau arbeiten. Es gibt Besucher, die denken, hier hast Du Narrenfreiheit und benehmen sich entsprechend. Wir ärgern uns schon seit Jahrzehnten über musikalische Darbietungen von zweifelhaftem Können. Da werden die Gäste der Außengastronomien vergrault. Wir plädieren dafür, das Alkoholverbot noch auszuweiten. Die Büdchen werden darunter nicht leiden und die Kneipen profitieren.“
Ulrich Soénius, Geschäftsführer der IHK Köln

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„Die Sauberkeit steht für uns an oberster Stelle. Die kann auf verschiedensten Wegen erreicht werden. Wir sind gegen generelle Verbote, unterstützen aber alles, was dabei hilft, die Stadt sauber zu halten. Sie soll nicht hygienisch rein wirken, aber auch nicht verunreinigt. Dafür wäre schon die bisherige Stadtordnung ausreichend, wenn Verstöße stärker verfolgt würden. Ein flexibel gehandhabtes Alkoholverbot könnte dazu beitragen, Müll durch Bierflaschen zu vermeiden. Bei den Straßenmusikern ist es so, dass es auch Darbietungen gibt, die eine Belästigung darstellen - etwa für die Hotels, die Gastronomie, aber auch die Mitarbeiter in den Büros in der Domumgebung.“
Detlef Hagenbruch, Sprecher Bürgerbüro Brüsseler Platz

Detlef Hagenbruch
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„Das Schöne am Dom ist doch, dass sich die Besucher aus aller Welt an der Kathedrale, aber auch an dem lebendigen Umfeld erfreuen können. Straßenmusik und Kunst gehören einfach dazu. Dass die Stadt dieses Umfeld totberuhigen will, kann ich nicht verstehen. Und das Wegbier werden wir nicht einfach verbieten können. Nachvollziehen könnte ich ein Alkoholverbot auf einzelnen Plätzen, aber das ist rechtlich schwierig durchzusetzen. Ich finde bekanntermaßen, dass die Zustände am Brüsseler Platz nicht hinzunehmen sind, und ich finde es auch nicht gut, dass jeder mit der Bierflasche durch die Gegend läuft. Wir werden aber nicht alles über Verbote regeln können, das wird nicht gelingen. Es wäre schon viel gewonnen, wenn die bestehenden Regeln durchgesetzt würden.“
Zum Hintergrund der Stadtordnung
Die Stadt will die Kölner Stadtordnung (KSO) deutlich verschärfen. Vor allem rund um den Dom sollen neue Regeln gelten. Straßenmusik,-schauspiel und andere Straßenkunst sollen ganzjährig auf Domplatte, Domkloster, Wallrafplatz, Freitreppe und Roncalliplatz verboten werden. Dies gilt für sämtliche Bereiche mit Gassen und Durchgängen in Domnähe.
Diese Regelverschärfung steht in Zusammenhang mit den Ereignissen der Silvesternacht und der geplanten ganzjährigen Schutzzone. Für die Ratssitzung am 17. November hat die Verwaltung eine Vorlage erstellt. Untersagt wird Betteln, wenn es bandenmäßig, durch Kinder oder durch Vortäuschen von Gebrechen erfolgt. Auf Spielplätzen und in der Nähe von Kindergärten oder Schulen dürfen keine alkoholischen Getränke mehr mitgeführt werden. Dieses Verbot sieht der neue Paragraf 11a der KSO vor. Würde diese Vorschrift konsequent umgesetzt, wäre das so genannte Wegbier auch in Teilen des Brüsseler Platzes, des Belgischen Viertels, des Rathenauplatzes, des Volksgartens, des Stadtgartens oder auf der Zülpicher Straße untersagt. Straßenmusik soll auch außerhalb der Domumgebung mit elektronischen Verstärkern verboten werden. Der Ordnungsdienst soll neue Messgeräte erhalten. Der Rheinboulevard Deutz wird rechtlich zur Grünanlage. Grillen ist dann genauso untersagt wie Ballspiele, aber auch Drachensteigen und Frisbeespielen. Betriebe, die unter das Nichtraucherschutzgesetz fallen, etwa Restaurant und Kneipen aber auch Kioske, müssen außen Aschenbecher aufstellen. (mft/sol)
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