„Will kritische Ecken finden“Ein Spaziergang mit Kölns erstem Fußverkehrbeauftragten

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Ingo Schmitz (links) unterwegs mit Nico Rathmann 

  • Seit einem Monat ist Nico Rathmann der Fußverkehrbeauftragte der Stadt Köln.
  • Rundschau-Redakteur Ingo Schmitz unternahm mit ihm einen Spaziergang durch die Innenstadt – und damit durch so manchen Engpass.

Köln – Seit Monatsanfang sind Sie in Köln als Fußverkehrsbeauftragter tätig. Vorher arbeiteten Sie in der Stadtverwaltung Heidelberg. Welche Aufgaben hatten Sie dort?

Etwas mehr als fünf Jahre war ich in Heidelberg. Dort habe ich mich um den Fußverkehr gekümmert, mit Schwerpunkt auf die Mobilität der Schüler. Und weil Heidelberg ja schon ein bisschen kleiner ist als Köln (lacht), bearbeitet man dort mehr als ein Thema. Ich habe mich auch um E-Scooter, Car-Sharing, Ladesäulen-Infrastruktur und die Öffentlichkeitsarbeit für die nachhaltige Mobilität gekümmert.

Warum lag ihr Augenmerk besonders auf den Schülern?

In Heidelberg war dafür ein schrecklicher Unfall auf dem Schulweg ein wesentlicher Grund. Grundsätzlich kann man aber sagen, die Bevölkerungsgruppen, die am meisten zu Fuß gehen, sind Schülerinnen und Schüler sowie Seniorinnen und Senioren. Diese beiden Gruppen haben locker einen Anteil an Fußwegen in ihrer Mobilität von über 30 Prozent. Und das sind auch die beiden Gruppen, die es am schwersten haben im Verkehr.

Langer Weg zur Besetzung

37 Jahre ist Nico Rathmann alt. Mit seine Aufgaben ist er eingegliedert in das Amt für Straßen und Verkehrsentwicklung. Bürgerinnen und Bürger, die den Fußverkehrsbeauftragten erreichen wollen, um ihn auf für Fußgänger kritische Stellen hinzuweisen, können ihm eine Mail schreiben: fussverkehrsbeauftragter@stadt-koeln.de

Die Besetzung der Stelle hatte einen langen Vorlauf. Vorerst herrschte in der Verwaltung die Meinung, die Belange der Fußgänger würden bei Verkehrsmaßnahmen stets mitbedacht. Dann sollte die Aufgabe im Verkehrsdezernat verteilt werden. Eine erste Ausschreibung blieb erfolglos. Bei der zweiten setzte sich Rathmann durch. (ngo)

Was hat Sie an dem Sprung nach Köln gereizt?

Ich habe in Köln Geographie studiert, die Stadt ist mir also nicht unbekannt. Es reizt mich sehr, mit meiner Erfahrung im Fußverkehr nun in eine neue Dimension vorzustoßen. Diese Größenordnungen hatte ich in Heidelberg natürlich nicht.

Viele deutsche Städte haben noch keinen Fußverkehrbeauftragten.

Ich würde sagen, gerade mal eine Handvoll haben einen. Fußverkehr ist ein Thema, das in Deutschland gerade erst aufkommt. Sicherlich, weil viele noch unsicher sind, wo man da ansetzen soll. Die Aufgabe ist eine sehr kleinteilige. Das besonders Schöne daran ist aber, dass schon mit kleinen Maßnahmen durchaus viel erreicht werden kann. Und dann kommt auch schnell eine positive Resonanz, denn jeder Mensch geht von Natur aus erst einmal zu Fuß.

Hier kommen wir gerade an eine „schöne Ecke“ (Nico Rathmann biegt bei seinem Stadtspaziergang mit der Rundschau vom Heumarkt auf die Cäcilienstraße ein. Der Bürgersteig, der um die Hausecke führt, ist kaum einen Meter breit. Autos rauschen direkt vorbei). Wenn Sie diesen Engpass hier sehen, würden Sie sagen, Köln braucht dringender als andere Städte einen Fußverkehrbeauftragten?

Oh ja, die Ecke ist gut (lacht). So etwas sollte kein Standard sein, aber manchmal lassen sich solche Engstellen nicht vermeiden. Köln hat mit einem 25-prozentigen Fußverkehranteil schon einen guten Wert. Aber es gibt natürlich noch Luft nach oben.

Hat den Köln von der Grundstruktur her Fußgängerpotenzial? Im Innenstadtkern beispielsweise ist vieles gut zu Fuß erreichbar.

Immerhin: Die Hohe Straße war die erste Fußgängerzone Deutschlands. Köln halt also durchaus traditionell Potenzial, kann sich aber an einer Stadt wie Paris ein Beispiel nehmen. Dort gilt das Prinzip: Alles, was im Umkreis von 15 Minuten Gehzeit liegt, soll auch gut erreichbar sein.

Wir gehen ja gerade über die Cäcilienstraße, die sogenannte Ost-West-Achse. In Zukunft soll sie umgestaltet werden. Worauf würden Sie dabei das Gewicht legen?

(Lacht) Ich bin natürlich nicht alleine in der Stadtverwaltung gefragt, wenn es um so eine Aufgabe geht. Diese Straße könnte selbstverständlich mehr Aufenthaltsqualität gebrauchen. Wenn ich mich hier umschaue, sehe ich wenig Grün, wenig Bäume. Fußgängerinnen und Fußgänger müssen hier in zwei Zügen die Straße queren. Das ist immer nachteilig. In dieser Straße wird Fußverkehr gleich mehrfach ausgebremst. So kommen Fußgängerinnen und Fußgänger nicht weit in der Stadt.

Geht es beim zu Fuß gehen vorrangig um Aufenthaltsqualität, oder nicht auch wesentlich darum, schnell ans Ziel zu kommen?

Im Alltagsverkehr ist wichtig, schnelle Verbindungen zu schaffen, damit auch Wege bis zu drei Kilometer gerne zur Fuß zurückgelegt werden. Wien macht das vor mit schnellen Schleichwegen. Bei der Planung muss immer bedacht werden, zu Fuß Gehende sind von allen Verkehrsteilnehmern die umwegeempfindlichsten. Das gilt ganz besonders bei Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind.

(Fahrradfahrer ziehen auf ihrem schmalen Radstreifen an dem ebenso schmalen Streifen für Fußgänger eng vorbei). Ist das das Konfliktfeld ihrer Arbeit: Radfahrer gegen Fußgänger?

Hier wurden Radfahrer und Fußgänger sehr deutlich an den Rand gedrückt. Wenn mehr Platz da ist, geht beides aber gut zusammen. Ich glaube nicht, dass Fußgänger pauschal etwas gegen Radfahrer haben. Beide wünschen sich einfach nur reibungslosere Abläufe. Wenn ihnen statt der Autos mehr Fläche gegeben wird, kann das auch gelingen.

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Bei dem Rundgang durch die Innenstadt bekam der neue Fußverkehrbeauftragte  so einige Engstellen zu sehen. 

Das Mobilitätsdezernat hat Großes mit Ihnen vor. Sie sollen nicht weniger als ein Fußgängerkonzept für die Stadt entwickeln. Braucht so etwas nicht Zeit?

In einem ersten Schritt will ich Themenfelder im Fußverkehr abstecken. Dazu plane ich Stadtspaziergänge wie diesen heute hier mit den Zufußgehenden in den Stadtvierteln. Nur die Menschen vor Ort wissen wirklich, wo es brennt. So will ich herausfinden, wo es kritische Ecken gibt, wie die dort eben beispielsweise. Zudem will ich Fußverkehrschecks durchführen, bei den es vorrangig um Wegebeziehungen geht. Auf beiden aufbauend kann ich in naher Zukunft eine Gesamtkonzept entwickeln.

Gibt es schon Einzelaspekte der Kölner Mobilität, die sie gerne in den Fokus nehmen wollen und uns schon verraten können?

Naja, bei einer ADAC-Untersuchung kam heraus, dass Autofahrer in Köln nicht so gerne am Zebrastreifen halten. Ich kann mir das gar nicht vorstellen und würde mir gerne mal genauer anschauen, welche Gründe das hat.

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