Besuch beim WSF Neptun MülheimPaddeln auf dem Rhein ist das reine Vergnügen
Köln – Es herrscht reges Treiben auf dem kleinen Garagenhof. Einen Steinwurf vom Rhein entfernt werden Boote aus den Wandhalterungen gewuchtet, deren Rückenpolsterung mit Luft befüllt und Schwimmwesten sowie Helme verteilt. Beim WSF Neptun Mülheim bereiten sich ein Dutzend Vereinsmitglieder oder solche, die es noch werden könnten, auf eine Kanuwanderung vor.
Mittendrin ist Thomas Quink. Der 54-Jährige zog vor einem Jahr in den Kölner Norden und weiß als „fortgeschrittener Anfänger“ nicht nur sich selbst zu helfen, sondern kümmert sich auch schon um Wassersportfreunde, die erstmals dabei sind. „Ich bin hier etliche Mal vorbeispaziert und dachte immer, das sieht nach Spaß und netten Leuten aus“, berichtet Quink. Das kribbelige, leicht angespannte Gefühl, als er zum ersten Mal in seinem geliehenen Kajak auf dem großen Fluss paddelte, hat er noch genau parat. „Das ist schon aufregend, wenn du plötzlich auf dem Rhein bist, die Schiffe vorbeifahren und die Wellen kommen“, meint der Neu-Mülheimer, der beruflich als Trainer und Coach für Unternehmen unterwegs ist.
Ohne Vorerfahrung ging es für ihn erstmal darum, die richtige Technik zu erlernen und ein Gespür für Boot und Wasser zu entwickeln. Für die Sicherheit sind Schwimmwesten verpflichtend, Helme werden je nach Strecke getragen oder eben nicht. „Die größte Herausforderung am Anfang war, nicht immer im Kreis zu fahren“, meint Quink mit einem Lächeln.
Gerhard Hilburg und Daniele Wiedemuth nicken wissend: Der Vorsitzende und die Kassiererin sind schon seit Jahren oder Jahrzehnten für den 1950 vom Kabel- und Drahtseilproduzenten Felten & Guilleaume gegründeten Mülheimer Kanuverein aktiv und sehen Thomas Quink beispielhaft für eine generell positive Entwicklung. „In den letzten sieben, acht Jahren hat sich unsere Mitgliederzahl etwa verdoppelt“, freut sich Hildburg über momentan gut 160 Wassersportfreunde an der Düsseldorfer Straße.
Das sind zwar noch 100 Mitglieder weniger als beim größten Verein, KC Grün-Gelb in Rodenkirchen. Für Köln aber ein überdurchschnittlicher Wert. „Wir hatten auch in den letzten Jahren guten Zulauf“, spricht Hildburg über die Corona-Pandemie. „Das ist eben eine Sportart, die auf dem Rhein das ganze Jahr über gemacht werden kann, ohne großen Kontakt und mit genügend Abstand.“
Natürlich bleiben nicht alle Interessierten auch bei der Stange oder besser am Paddel. Der Wassersport ist für Anfänger nämlich nicht nur relativ betreuungs-, sondern auch kostenintensiv. Mit Jahresbeiträgen von 100 bis 200 Euro sind die rund 17 Kanuvereine aus Köln zwar vergleichsweise günstig. Aber: „Wer sich ein normales Boot kaufen möchte, muss mit 1200 und 2000 Euro rechnen. Es geht aber natürlich auch teurer“, verrät Hildburg. „Mein eigener Kanadier ist etwa 3000 Euro wert.“
Der Präsident betont aber, dass es in jedem Verein genügend Leihboote gebe. „Da ist das Verhältnis zu den selbst gekauften Booten etwa 50 zu 50.“ Was die Faszination „seiner Sportart“ ausmacht, könne er nur schwer beschreiben, schließlich gebe es „so viele Facetten“. Neben dem Flow, in den die Wassersportfreunde nicht nur beim Kanuwandern, sondern auch in den Disziplinen „Wildwasser“, „Slalom“ und „Rennen“, aber auch beim „Kanusegeln“, „Polo“, „Drachenboot“ oder dem „Wellen-Freestyle“ kommen können, zählt auch der soziale Aspekt viel.
Aktuell ist eine größere Gruppe von WSFlern in Frankreich auf Tour, aber auch Österreich oder nähergelegene Kanustrecken Hohenlimburg sind beliebte Ausflugsziele. „Wir haben aber auch abseits vom Wasser unsere Aktionen“, fügt Hilburg lächelnd hinzu.
Trainer werden immer gesucht
Beispielsweise die wöchentlichen Thekenabende in der Vereinsgaststätte, der Tag der offenen Tür oder die Rüsttage. Das Angebot beim „Neptun“ ist groß und wird gut angenommen.Die solidarische Gemeinschaft setzt sich auch für Geflüchtete ein und hat dank der Russisch-Kenntnisse von Daniele Wiedemuth einige ukrainische Frauen mit an Bord. So gab es eigene Kurse für Anfänger aus der Ukraine, die vom NRW- und dem Kölner Sportbund koordiniert wurden. Sie schließt ihre Ausführungen mit einem Appell: „Wir haben zwar einen Erwachsenen- und zwei Jugendtrainer. Aber wir können aber noch mehr Leute brauchen, die unsere Neulinge einweisen und anleiten. Das müssen oft erfahrene Mitglieder übernehmen, die gar keine Trainer sind.“
Um die positive Entwicklung künftig beizubehalten, brauchen nicht nur die Wassersportfreunde in Mülheim, sondern auch die in Rodenkirchen, Weiß oder Deutz und Porz motivierten und engagierten Nachwuchs.
Das Niedrigwasser des Rheins in den letzten Wochen hat den Betrieb übrigens kaum beeinflusst: „Wir brauchen nicht viel Wasser unter dem Boot“, meint Geschäftsführer Christoph Gerdes. „Ist halt ein bisschen enger dann.“ Inzwischen ist der Pegel wieder leicht gestiegen, „aber wenig Wasser ist es schon noch“, sagt Gerdes.