Virale Food-Trends sorgen auch in Kölner immer wieder für lange Schlangen, etwa auf der Ehrenstraße. Experten berichten, wie das Geschäft funktioniert.
Zimtschnecken, Cookies und Co.So funktioniert das Geschäft mit viralen Food-Trends in Köln

Parham Pouramin war im Café Buur einer der ersten, der auf virale Food-Trends setzte.
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Wer dem Thema der viralen Food-Trends näherkommen will, der sollte als Erstes der Ehrenstraße einen Besuch abstatten. Auf wenigen hundert Metern reihen sich hier Geschäfte aneinander, die sich genau diesem Thema widmen. Die meisten fokussieren sich dabei auf ein Hauptprodukt, um das sich das Gesamtkonzept dreht. Ein Laden verkauft ausschließlich Cookies, der nächste hat sich auf Milchreis spezialisiert, gefolgt von einem Bagel-Konzept, einem mit Kaiserschmarrn und einem, das Pizza mit Croissant-Teig verkauft. Was diese Konzepte eint: Sie alle setzen auf Produkte, die in den sozialen Medien viral gehen sollen, also tausendfach geliked und geteilt werden – oftmals, weil sie völlig unabhängig vom Geschmack und der Produktqualität einfach nur gut aussehen. Lange Schlangen vor den Läden sind in der realen Welt der Lohn dafür, dass das Konzept in den Sozialen Medien aufgeht.

Bunt verzierte Kekse gibt es bei Cookie Couture auf der Ehrenstraße.
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Foodblogger Ramon Bruschi kennt die Szene gut. Sie ist quasi ein wesentlicher Bestandteil seiner Geschäftsgrundlage. Seine Videos über Food-Trends und gastronomische Neueröffnungen erreichen auf dem Profil @horusfoodclub teilweise hunderttausende Aufrufe. Köln sei im Vergleich zu anderen Großstädten allerdings „leider immer ein paar Jahre später dran“ mit den Trends, erklärt er. Wenn ein Trend hier ankomme, stehe oft die bloße Nachahmung im Vordergrund. Dabei gerate manchmal aus dem Blick, worum es bei dem ursprünglichen Trend eigentlich ging: „um ein starkes, qualitativ hochwertiges Produkt“. Um einen Hype zu erzeugen, müsse das Konzept eine Lücke füllen, von der man vorher vielleicht nicht mal wusste, dass sie da ist, glaubt Bruschi. „Dieser Aha-Effekt löst dann das Bedürfnis aus, Freunden und Familie davon zu berichten und zu beobachten, wie sie darauf reagieren.“ Das geschieht über die Sozialen Medien und kann Konzepten teilweise über Nacht zu großer Popularität verhelfen – erst recht, wenn reichweitenstarke Influencer involviert sind.
Vorreiter sind Metropolen wie New York, Tokio oder London
Die großen Trends entstehen laut Bruschi in Metropolen wie New York, Tokio oder London. In Deutschland erreichen sie zunächst Berlin, bevor sie sich langsam in andere Großstädte wie München oder eben Köln ausbreiten. Dabei gebe es noch viele Lücken: „Was mir sofort einfällt, sind Artisan Bakeries, also Kunsthandwerksbäckereien“, sagt der Food-Influencer. Zwar gebe es vereinzelte Vorreiter wie „Prot“ im Belgischen Viertel oder die „Mehlwerkstatt“, als richtiger Trend sei das Konzept in Köln aber noch nicht angekommen.
Trends und Hypes, das steckt bereits in der Bedeutung der beiden Worte, sind in der Regel nichts Langfristiges. Genauso schnell, wie sie auf der Bildfläche auftauchen, können sie auch wieder verschwinden. Branchenkenner berichten, dass viele gastronomische Konzepte mit Fokus auf Trend-Produkten von Beginn an darauf ausgelegt seien, nach zwei oder drei erfolgreichen Jahren wieder zu verschwinden. Auch die Vermieter wüssten teilweise darüber Bescheid.
Prominentestes Beispiel, wie schnell nach einem Hype der Absturz folgen kann, ist die Kette „Royal Donuts“. Der erste Laden eröffnete in Köln auf der Luxemburger Straße, dort bildeten sich teilweise 100 Meter lange Schlangen. Die Bilder verbreiteten sich online wie ein Lauffeuer. Alle wollten plötzlich von den knallbunten Donuts kosten. Per Franchise-Konzept expandierte das Unternehmen. Überall in Deutschland schossen in kürzester Zeit neue Läden aus dem Boden, kurze Zeit später auch im europäischen Ausland und sogar in Dubai. Insgesamt entstanden fast 300 Läden. Gründer Enes Seker wurde selbst zum Social-Media-Star.

„Crusty Slices“ ist das neue Konzept von „Royal Donuts“-Gründer Enes Seker.
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Doch so schnell es bergauf ging, ging es auch wieder bergab. Was stark vereinfacht fehlte, waren professionelle Franchise-Strukturen und eine funktionierende Kommunikation zwischen Zentrale und Filialen. Als der anfängliche Hype sich auflöste, fehlte vor allem in kleineren Städten und schwächeren Lagen die Nachfrage. Eine Standortanalyse gab es vorab nicht, räumte Seker später ein. Mittlerweile ist nur noch ein Bruchteil der Läden übrig geblieben. Einige Franchise-Nehmer mussten nach dem Absturz Privatinsolvenz anmelden. Gründer Enes Seker ist derweil mit seinem neuen Konzept „Crusty Slices“ an den Start gegangen: der eingangs erwähnten Croissant-Pizza.
Zimtschnecken von „Cinnamood“: Eine Kölner Erfolgsgeschichte
Es gibt aber auch Ausnahmen, wenn auch wenige, in denen aus einem Trend eine etablierte Marke geworden ist. Eine echte Kölner Erfolgsgeschichte ist in dieser Hinsicht das Unternehmen „Cinnamood“. 2022 starteten Luca Breuer und Anna Schlecht ihren ersten Laden auf der Ehrenstraße, in dem sie seitdem bunte Zimtschnecken-Kreationen verkaufen. Per Franchise-Konzept expandierte das Unternehmen in den vergangenen Jahren. Über 30 Standorte gibt es mittlerweile in Deutschland, weitere in Österreich, der Schweiz, Luxemburg und sogar einen in Prag. Anders als „Royal Donuts“ setzt „Cinnamood“ vor allem auf Standorte in Großstädten.

Die bunten Zimtschnecken von „Cinnamood“.
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Perfektionismus und hochwertige Produkte, seien das Erfolgsrezept, sagen die beiden Gründer. Die Optik sei der entscheidende Punkt, um Kunden erstmalig anzulocken. Die spiegelt sich in den Filialen von „Cinnamood“ nicht nur in den Zimtschnecken wider, sondern auch im Marketing und in der Gestaltung der Filialen. Der Geschmack sei schließlich entscheidend für wiederkehrende Besucher.
Café Buur in Köln: Der kölsche Vorreiter
Ein Experte auf dem Gebiet der viralen Food-Trends ist auch Parham Pouramin. Genauer gesagt, war er einer der ersten überhaupt, der in dieser damals völlig neuen Welt Maßstäbe gesetzt hat. 2017 eröffnete er das Café Buur auf der Richard-Wagner-Straße. „Wir waren die Ersten, die auf Instagram große Aufmerksamkeit erreicht haben, indem wir schöne Fotos gemacht haben. Das war eine Kombination aus den Gerichten, Zutaten, Deko und anderen coolen Sachen.“ Das habe den Influencern in den Sozialen Medien Futter gegeben.

Spritzen mit Schoko-Soße waren vor einigen Jahren ein Trend.
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Reichweiten-Treiber waren in der Anfangszeit vor allem aufmerksamkeitserregende Gewinnspiele. Als das Café Buur einmal ein englisches Frühstück mit Straußenei auf der Karte hatte, konnten die Gäste plötzlich auch ein Straußenei für zu Hause gewinnen. Die Trends kamen und gingen. Chai Latte, Golden Milk, Lotus- und Pistaziencreme, Avocado-Brot, pochierte Eier, Bananenbrot, eine Mini-Wäscheleine für Bacon oder Sucuk oder Plastik-Spritzen, mit denen die Gäste zum Beispiel Schoko-Soße selbst über ihren Pancakes verteilen konnten. „Jedes Jahr ändert sich etwas – und wir sind immer mit der Zeit gegangen.“ Als jüngsten Beispiel für die Vorreiter-Rolle seines Cafés nennt Pouramin das aktuelle Trendgetränk Strawberry Iced Matcha Latte. „Wir haben das in Amsterdam gefunden und waren die Ersten, die es in Deutschland eingeführt haben.“
Das Wort Hype nutzt Pouramin nur ungern. „Ein Hype ist etwas, was ganz schnell wieder weg ist. Aber wir sind seit acht Jahren dabei und immer noch im Fokus.“ Die Grundlage dafür sei eine gute Qualität auf dem Teller und im Service. „Wenn wir etwas machen, dann muss das Hand und Fuß haben.“
Interview mit Trend-Expertin

Prof. Dr. Johanna Gollnhofer von der Universität St. Gallen ist Expertin für Marketing, Food und Trends.
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Wie entstehen virale Food-Trends?
Es gibt zwei Kriterien, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass ein Trend viral geht. Zum einen muss etwas ästhetisch sehr ansprechend, also instagrammable sein. Zum anderen müssen es die Leute kaufen oder nachmachen können. Essen wird so ansprechend dargestellt, dass es schon fast unwiderstehlich ist, Menschen teilen es dann oder kochen es nach. Das Virale entsteht vor allem durch User-generated-Content, also Fotos und Videos, die auf Social Media gepostet werden.
Welche Lebensdauer haben virale Trends?
Insgesamt ist Social Media sehr schnelllebig, daher gibt es immer wieder neue Trends. Das liegt auch daran, dass die Erstellung von hochwertigen Videos mit dem Smartphone wenig Zeit und Kosten in Anspruch nimmt.
Kann man sich einen Trend mit gutem Marketing auch erkaufen?
Ein gewisser Kapitaleinsatz kann sicherlich helfen, garantiert aber noch längst nicht, dass etwas viral geht. Damit das passiert, müssen die anderen Userinnen und User das Produkt so gut finden, dass sie es auch weiter teilen oder eben mit der Idee weiterarbeiten. Das ist das Besondere am Viralen. Das kann man sich nicht erkaufen, man muss es sich eben auch verdienen.