Zufluchtsort seit 40 JahrenMaria Mies gründete 1976 das erste autonome Frauenhaus in Köln

Mit einer Unterschriftenaktion überzeugte sie die Stadt zum Handeln: Maria Mies feierte jetzt ihren 85. Geburtstag.
Copyright: Meisenberg Lizenz
Köln – „Gewalt an Frauen gibt es in Köln nicht, hat man uns gesagt“, erzählt die Professorin Maria Mies. „Aber wir wussten, dass die Wahrheit ganz anders aussah.“ Vierzig Jahre ist es her, dass die Feministin und Öko-Aktivistin gemeinsam mit ihren Studentinnen in Köln das erste autonome Frauenhaus in Deutschland gegründet hat. Vergangene Woche feierte sie ihren 85. Geburtstag.
Aufgewachsen mit elf Geschwistern in einem Dorf in der Eifel, bekam Maria Mies als junges Mädchen die Chance, die höhere Schule zu besuchen. Nach ihrer Ausbildung als Realschullehrerin arbeitete sie in der indischen Stadt Poona am Goethe-Institut. Mit neuen Erkenntnissen über die Frauenrolle in Indien nahm Mies nach ihrer Rückkehr 1968 mit 38 Jahren ein Studium der Sozialwissenschaften auf. Nach ihrer Promotion zum Thema „Indische Frauen zwischen Patriarchat und Chancengleichheit“ bekam Mies eine Stelle an der neu gegründeten Fachhochschule in Köln und legte ihre Forschungsschwerpunkte auf soziale Minderheiten und Frauen.
Ein Zufluchtsort für Frauen
„Eines Tages kamen meine Studentinnen zu mir und wollten etwas Praktisches machen und schlugen mir ein Haus für geprügelte Frauen vor“, erinnert sich Mies. Die Studentinnen suchten beim Sozialdezernat der Stadt Köln Unterstützung und wurden abgewiesen: Geprügelte Frauen gebe es in Köln nicht. „Das wollten wir uns natürlich nicht gefallen lassen und starteten eine Aktion in der Schildergasse, um zu zeigen, dass Gewalt gegen Frauen ein großes Thema in unserer Gesellschaft ist“, blickt Mies zurück. 2000 Unterschriften sammelte die Gruppe von Menschen, die von geschlagenen Frauen wussten.
Die Aktion in der Innenstadt sprach sich schnell herum und schon bald meldeten sich die ersten Frauen. „Weil wir noch gar keine Unterkunft hatten, nahmen wir die Frauen erstmal in unseren Privatwohnungen auf“, berichtet Mies. „Der Stadt haben wir immer berichtet, wie viele Frauen bei uns untergekommen waren.“ Nachdem die Stadt eigene Untersuchungen durchgeführt hatte, wurde der Gruppe im Winter 1976 ein Haus zur Verfügung gestellt. Die Konzeption des autonomen Frauenhauses ist dabei bis heute gleich geblieben: Es bietet den Frauen einen Zufluchtsort, an dem sie mit anderen Frauen Schutz finden und weiterhin selbstständig haushalten und leben können.
„Nachrichten aus dem Ghetto Liebe“
„Im Frauenhaus sprachen die Frauen dann zum ersten Mal über ihre Schicksale. Es war schrecklich zu hören, auf wie viele unterschiedliche Weisen sie Gewalt erfahren hatten. Ich habe zu meinen Studentinnen gesagt: Schreibt auf, was euch die Frauen erzählen. Es muss dokumentiert werden“. Aus den Aufzeichnungen entstand das Buch „Nachrichten aus dem Ghetto Liebe“. „Auch wenn die Frauen aus allen Gesellschaftsschichten stammten, hatten sie eins gemeinsam: Sie wollten geliebt werden. Die Liebe war der Grund dafür, dass sie alle möglichen Brutalitäten ertragen haben“, erklärt die 85-Jährige.
Die Gründung des Frauenhauses und ihre politischen Aktivitäten haben Mies vor allem eins gezeigt: „Erst wenn die Menschen von etwas betroffen sind, dann können sie etwas dagegen unternehmen. Und dabei muss man nicht nur irgendwo seine Unterschrift setzen oder gucken, ob man genug Geld hat oder von einer Partei unterstützt wird. Man muss aktiv werden und selbst mit einer kleinen Gruppe kann man etwas Großes schaffen.“