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42. PassionsfestspieleZehn Gründe, warum eine Reise nach Oberammergau lohnt

Lesezeit 1 Minute
Oberammergau kleiner

Sicherlich einer der bewegendsten Momente des Stücks: die Kreuzigung. 

Köln – Noch bis zum 2. Oktober werden die Oberammergauer Passionsspiele aufgeführt. Axel Hill sagt, warum man sich in das kleine Örtchen aufmachen sollte.

Ist das „Jesus Christ Superstar“ ohne die Hits? Ein Bühnenspektakel in der Theatervariante von Cinemascope? Nein. Die Dramaturgie eines Passionsspiels gehorcht ihren eigenen Gesetzen. Teile der gesprochenen Texte erscheinen oft redundant, an einem Schauspielhaus hätte man sicherlich gestraffter erzählt.

Oberammergau

Der Jesusdarsteller Frederik Mayet bei den 42. Oberammergauer Passionsspielen

Die schematische Abfolge durch den Wechsel zwischen Spielszenen des Neuen und von Chor und Orchester begleiteten „lebenden Bildern“ aus dem Alten Testament scheint hyperstreng. Und die Einsätze des Chores verlaufen nach einer rigiden, sich bei jedem Auftritt wiederholenden Choreographie. Aber es ist gerade dieses repetitive Element, das in den Bann zieht, die das Bühnenwerk zum Ritual werden lassen, an dem man in diesem Moment teilnimmt, ob man nun gläubig ist oder nicht.

Acht Stunden (inklusive Pause), die zwar nicht wie im Flug vergehen, aber letztlich schneller rum sind, als man es zu Beginn gedacht hätte. Im Gegenteil: Nach 150 Minuten des ersten Teils und der dreistündigen Pause hat man Feuer gefangen.

Karten und Übernachtungen

Über die Homepage der Passionsspiele (www.passionsspiele-oberammergau.de) oder auch telefonisch (O8822 / 835 93 30, Mo bis Fr 9– 17 Uhr) kann man nicht nur die Karten für die Vorstellungen buchen, sondern auch die verschiedenen Arrangements. Die Tickets kosten zwischen 30 und 180 Euro (zzgl. VVK-Gebühr), die Preise für Übernachtungspakete richten sich nach der Kategorie der Unterkunft. Gespielt wird dienstags und von Donnerstag bis Sonntag. (HLL)

Die Botschaft Jesu’ von der Linken Wange trug seinerzeit skandalöse Züge. Da wird das jüdische Volk von den Römern unterdrückt und soll sich nicht wehren? Im Licht des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine stellt sich dieses moralische Dilemma nun für uns erneut dar, ohne das Regisseur Christian Stückl das Publikum mit dem Holzhammer bearbeiten muss.

Wenn man diese bekannte Geschichte so auf der Bühne sieht, wird klar: Jesus und seine Jünger, Kaiphas und seine Priester, Pontius Pilatus und seine Soldaten – hier sind ausschließlich Männer die handelnden, die bestimmenden Personen. Frauen wie Maria und Magdalena tauchen nur blitzlichtartig auf – als Stimmen der Vernunft, die aber von der männlichen Übermacht übertönt werden. Doch das letzte Wort gewährt Stückl Magdalena und lässt sie die Auferstehung verkünden. Ein starker Schlusspunkt!

Der Regisseur, der heuer zum vierten Mal inszeniert, macht mit seiner neuen Fassung klar: Das Judentum ist nicht nur die Basis des Christentums, Jesus selber hatte nicht vor, eine neue Religion zu gründen, sondern seiner Glaubensgemeinschaft neue Impulse zu geben. Und so tragen alle Männer Kippas, sprechen Jesus als Rabbi an und legen zum Gebet einen Schal über den Kopf. Den Tisch des Abendmahles ziert eine Menora. Und im musikalisch überwältigendsten Moment wird von allen gemeinsam „Schma Jisrael“ angestimmt.

Hier steht das halbe Dorf auf der Bühne! Bewundernswert, was die Oberammergauer in ihrer Freizeit da gestemmt bekommen – es spielen, singen und musizieren nur Laien, aber auf was für einem Niveau! Gut, die eine oder andere Stimme wackelt schon mal, nicht jedes Timing stimmt. Aber die Darsteller der großen Rollen sind durch die Bank exzellent.

Über die Jahrhunderte haben die Oberammergauer die Organisation der Passionsspiele perfektioniert. In den Monaten von Mai bis Oktober schnurrt das Tourismusrädchen, die Logistik von Transport und Bewirtung ist ausgetüftelt, das Angebot reicht von den reinen Eintrittskarten bis zum Rundumsorglos-Paket inklusive Übernachtung und Passionsessen. Vor allem die Buchung des letzteren ist anzuraten, ansonsten wird man mit „Reserviert“-Schildern konfrontiert.

Spaß am Rande: Wenn man durch den Ort (mit seinen ungezählten Geschäften mit traditionellem Schnitzkunstwerk) schlendert, stellt sich mehr als einmal die Frage: Wird der bärtige, langhaarige Mann, der gerade an einem vorbeigeeilt ist, später auf der Bühne stehen? Denn: Laut des Haar- und Barterlasses muss sich Jeder und Jede ab dem Aschermittwoch ein Jahr vor der Premiere Haupt- und Gesichtshaar wachsen lassen.

Es gibt noch Karten – anders als in anderen Jahren. Derzeit liegt die Auslastung bei rund 88 Prozent.

Das nächste Mal ist erst in acht Jahren! Eigentlich werden die Passionsspiele alle zehn Jahre aufgeführt, 2020 machte Corona einen Strich durch diese Rechnung – und wie schon 1920 (der Grund war die Spanische Grippe) verschob man direkt um zwei Jahre auf 2022. Ob Christian Stückl ein fünftes Mal inszeniert, entscheidet sich in fünf Jahren, wenn der Stadtrat den neuen Spielleiter wählt.