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Ausstellung in BonnBeethovens Krankenakte offenbart eine Chronologie des Leidens

Lesezeit 5 Minuten
Beethoven (1)

Eine Statue des Komponisten Ludwig van Beethoven

  1. Die Ausstellung „Beethoven. Welt. Bürger. Musik“ in der Bundeskunsthalle widmet sich dem großen Meister Ludwig Beethoven.
  2. Autor Dietmar Kanthak hat sich der Krankenakte des Komponisten gewidmet.
  3. Leberschaden, Augenprobleme, Kopfweh, Lungenleiden - die Liste ist lang...

Bonn – Es ging dem Ende zu. Im Kapitel „Finita est comoedia“ seiner Beethoven-Biografie beschreibt Jan Caeyers die letzten Tage im Leben des todkranken Komponisten im März 1827. Nach dem Besuch eines Priesters habe ein Diener ein Kistchen mit Wein und Kräutertrank gebracht, das gerade aus Mainz eingetroffen war. Beethovens Sekretär Anton Felix Schindler, liest man bei Caeyers, „stellte die Flaschen mit dem Heiltrank, der gegen Wassersucht helfen sollte, und die zwei Flaschen Rüdesheimer (1806, ein hervorragender Jahrgang) auf den Tisch neben Beethovens Bett. Beethoven schaute sie an und sagte: ,Schade! – Schade! – zu spät!!’ Es waren seine letzten Worte.“ Zwar sei dem Kranken das „köstliche Nass“ noch mehrmals schluckweise mit einem Löffel eingeflößt worden, aber besonders viel habe er nicht davon gehabt, schreibt der Biograf, „denn schon gegen Abend fiel er ins Koma“.

Alkoholbedingtes Leberleiden

Klassiker und der Wein. Johann Wolfgang von Goethe zum Beispiel vertraute seinem professionellen Zuhörer Johann Peter Eckermann an: „Es liegen im Wein allerdings produktivmachende Kräfte sehr bedeutender Art.“ Mit einer Einschränkung: „Aber es kommt dabei alles auf Zustände und Zeit und Stunde an, und was dem Einen nützt, schadet dem Anderen.“ Mit dem „Einen“ konnte Goethe sich identifizieren. Er war sein Leben lang ein kräftiger Zecher und soll täglich drei Flaschen Wein konsumiert haben. Beethoven stand dem Schriftstellerkollegen in dieser Hinsicht nicht nach.

William Meredith untersucht in einem Beitrag im Katalog zur Beethoven-Ausstellung in der Bundeskunsthalle den Patienten Ludwig van B . und konstatiert: „Beethovens Leberleiden wurde zum ersten Mal im Juli 1821 offenkundig, als er eine schwere Gelbsucht entwickelte, die sechs Wochen lang dauerte.“ Die von einer Virushepatitis, einer alkoholbedingten Zirrhose oder beidem beeinflusste Krankheit klang ab, die Leber war zwar geschädigt, aber noch funktionsfähig. Aber: „Die Mehrheit der Mediziner schreibt den Tod Beethovens sechs Jahre später einer Leberzirrhose zu.“ Er litt auch an einer Nierenpapillennekrose, die durch chronischen Alkoholismus verursacht gewesen sein kann, berichtet Meredith. Ärzte und Freunde rieten dem Trinker Beethoven, seinen Konsum einzuschränken. Doch der Meister glaubte, Wein sei gesund. 1804 schrieb er an Ferdinand Ries, „daß mein Hr. Bruder nicht eher den wein besorgt, ist unverzeihlich, da er mir so nöthich und zuträglich ist“. Die übermäßige Trinkerei soll 1807 begonnen haben, ganz sicher ist das nicht. Dokumentiert ist hingegen, dass er nach seiner Rückkehr nach Wien 1826 weiterhin „alten Wein“, Punsch, „Hörnerbier“, mit Kräutern gewürzten Wein und Champagner trank.

Beethovens Krankenakte als Chronologie der Leiden

Eine Stellwand in der Bundeskunsthalle konfrontiert den Besucher mit Beethovens Krankenakte. Es ist eine Chronologie der Leiden: Hinter Pocken in der Jugend und Typhus um 1798 stehen noch Fragezeichen. Aber dann geht es los. „Ich bin (...) beynahe immer krank“, bemerkt Beethoven im Februar 1813. Die Stellwand informiert über lang anhaltendes Kopfweh, Magenprobleme, Lungenkrankheit, rheumatisches Fieber, Gelbsucht und Gicht, Augenprobleme mit Schmerzen und Sehstörungen, Aszites sowie Unterleibsprobleme, Koliken, Durchfälle und Koliken, schließlich Leberzirrhose. Dazu kam das prominenteste Symptom: die Sache mit dem Gehör. 1801 klagt Beethoven in einem Brief an seinen Freund Franz Gerhard Wegeler über seine Ohren: „die sausen und Brausen tag und Nacht fort; ich kann sagen, ich bringe mein Leben elend zu.“

Beethoven

Ein Hörrohr Beethovens, hergestellt von Jaohann Nepomuk Mälzel, im Bonner Beethovenhaus

Eine Replik von Johann Nepomuk Mälzels großem Hörrohr (um 1813) liegt in einer Vitrine. Den Nachbau eines kleinen Hörrohrs aus dem Jahr 1813 kann man sich ins Ohr stopfen und die Umgebung ein wenig anders wahrnehmen.Der Audioguide erlaubt eine Hörerfahrung à la Beethoven. Der Beginn der 5. Sinfonie (Ta-ta-ta-taaaaa) erklingt noch klar, kurz danach empfängt der Besucher die akustischen Signale wie einst vermutlich der geplagte Komponist: Rauschen und dumpfer Klang reduzieren das Hörerlebnis, die Musik nimmt man wie durch Watte wahr. 1802 reagierte der Musiker auf den sich stetig verschlechternden Zustand mit den Worten: „Solche Ereignisse brachten mich nahe an Verzweiflung, es fehlte wenig, und ich endigte selbst mein Leben – nur sie die Kunst, sie hielt mich zurück.“

Wie können taube Menschen Musik wahrnehmen?

In einem sogenannten Emoti Chair erhält der Besucher eine Antwort auf die Frage: Wie können taube Menschen ein Konzert erleben. Einen Auszug aus dem vierten Satz von Beethovens 5. Sinfonie übersetzt eine raffinierte Technik in Vibrationen, die im Sessel zweieinhalb Minuten lang Klänge gleichsam an Rücken und Wirbelsäule weitergeben.Rund ein Dutzend Ärzte und Heilpraktiker, denen er einiges zutraute, konsultierte Beethoven zwischen 1800 und 1827. Nicht jede Bemühung der Gesundheitsdienstleister rezensierte der Patient wohlwollend. Einer erhielt von ihm den Ehrentitel „medizinischer Esel“. Ohrentropfen aus Mandelöl und aus Milch (in der grüne Nussschalen aufgekocht wurden), frischer Meerrettich (auf Baumwolle gerieben und ins Ohr gesteckt), Galvanotherapie, Tee sowie blasenziehende Rinde von Seidelbast (Vesikaturen) auf Haut und Arme galten als Therapien gegen Schwerhörigkeit. Bei Abdominalbeschwerden sollten Pillen und Pulver, Abführmittel und Quecksilbersalben helfen. Und Blutegel, Salep-Getränk, Tee sowie Johannesbrunnen-Heilwasser. Damit nicht genug. Tinkturen, Diät, k alte Bäder, Sturzbäder, Bäderkuren und lauwarme Donaubäder gehörten ebenso zum Repertoire der heilenden Zunft wie Brust einreiben und Kräuter auf den Bauch. Eine englische Reiseapotheke von 1852 enthielt Opium, Camphor und Borax.Beethoven hat viele der therapeutischen Angebote genutzt. Er war ein Kämpfer. Nur, schrieb er 1801 an Wegeler, „hat der neidische Dämon, meine schlimme Gesundheit, mir einen schlechten Stein ins Brett geworfen“.

Infos zur Ausstellung

Die Ausstellung „Beethoven. Welt. Bürger. Musik“, die von der Bundeskunsthalle gemeinsam mit dem Beethoven-Haus erarbeitet wurde, verortet den Künstler in seiner Zeit und hinterfragt auch die seit 200 Jahren kultivierten Mythen und Klischees um seine Person. Bis zum 26. April zeichnen rund 250 Exponate ein facettenreiches Panorama in der Bundeskunsthalle. Öffnungszeiten: Dienstag und Mittwoch 10 bis 21 Uhr; Donnerstag bis Sonntag 10 bis 19 Uhr; feiertags 10 bis 19 Uhr. Zur Ausstellung ist im Wienand-Verlag ein Katalog erschienen