„Blechtrommel“ im Schauspiel KölnInszenierung wirkt wie aus der Zeit gefallen

Lesezeit 3 Minuten
Peter Miklusz bringt Grass’ Jahrhundertepos auf die Bühne.

Peter Miklusz bringt Grass’ Jahrhundertepos auf die Bühne.

Köln – Um „Die Blechtrommel“ ist es still geworden, nachdem Günter Grass 2014 bekannt gab, dass er einige Monate vor Ende des Zweiten Weltkriegs als 17-Jähriger zur Waffen-SS eingezogen worden war. Die Enthüllung veränderte den Blick auf diesen Jahrhundert-Roman, der so präzise zeigt, wie die nationalsozialistische Ideologie in den Alltag und die Deutschen Familien sickerte – wenn er dort nicht schon seinen Bodensatz gefunden hatte. Jetzt präsentiert das Schauspiel Köln unter der Regie von Marie Schleef „Die Blechtrommel“ als sei nichts gewesen.

Trampolin wird zur Trommel umdekoriert

Das Bühnenbild von Jule Saworski präsentiert als Hauptdarsteller nicht Oskar Matzerath, sondern tatsächlich die Blechtrommel. Ein großes Trampolin samt Käfig wurde zur gezackten Trommel umdekoriert, in der sich Peter Miklusz hopsend bewegt. Das ist ebenso witzig wie intelligent, die vielleicht beste Idee dieser Inszenierung.

Auf einen Blick

Das Stück: Der Roman „Die Blechtrommel“ braucht keine Bühnenversion.

Die Regie: Bemüht sich ungeschickt um eine Aktualisierung.

Der Schauspieler: Gibt alles, um der Geschichte Farbe zu verleihen, was ihm auch gelingt.

Das Hopsen gibt den Takt vor, mal rhythmisiert es den Monolog, mitunter geht einem das Gehampel auch auf die Nerven. Genau das bezweckt aber der kleine Oskar im Roman mit seiner enervierenden Trommelei oder seinem Gekreische, wenn er die Gläser auf den Regalen zum Springen bringt. Eine Episode, die sich nahtlos in den Reigen der Geschichte einfügt. Beginnend mit den Röcken der Großmutter, unter denen sich freudig der Großvater zu schaffen macht, über die Aale, an denen die Mutter zugrunde geht, folgt der Monolog all jenen bildstarken Stationen, anhand derer Grass den Aufstieg und Untergang des „Dritten Reichs“ aus der Perspektive des Kleinbürgertums nachzeichnet. Die Bühnenbearbeitung der Grass-Prosa gelingt Oliver Reese so flüssig, dass es Peter Miklusz schon fast Schwierigkeiten bereitet, Oskars Talent zum Störenfried sichtbar werden zu lassen. Da muss dann manchmal gebrüllt werden, bis die Halsschlagader schwillt.

Das könnte Sie auch interessieren:

In ihrer unübertroffenen Skurrilität sind die Szenen des Romans auf der Bühne kaum aufzubrechen, zumal in den Köpfen noch die realistischen Bilder der Verfilmung von Volker Schlöndorff umher schwirren. Warum muss man in unseren Tagen, die sich noch ganz im Griff der Pandemie befinden, die „Blechtrommel“ inszenieren? Wie aus der Zeit gefallen wirkt diese Aufführung mit einem Schauspieler, der alles aus sich heraus zu holen versucht, um dem Stoff eine Relevanz zu geben, die sein Sujet aber mit der Gegenwart nicht herzustellen vermag.

Einen Ansatz gibt es dann doch. Marie Schleef meinte, dem Stoff „eine weibliche Perspektive“ hinzufügen zu müssen. Klar, wir schreiben das Jahr 2021. So werden in die Inszenierung auf Schrifttafeln ein paar Sätze zu Anne Frank, der jüdischen Artistin Perla Ovitz, die Auschwitz überlebte, oder der glühenden Nationalsozialistin Helene Hanfstaengl eingestreut. Sie bleiben vollkommen unverbunden, sind alleine dem Zeitgeist geschuldet. Soliden Beifall gab es für die Inszenierung und vor allem die Schauspielleistung .

Die Aufführungsdauer beträgt 80 Minuten, nächste Vorstellungen 15., 16., 25. 6., jeweils 20 Uhr.

Rundschau abonnieren