Kunst im Bonner MünsterAnselm Kiefer soll Werke für den Kreuzgang schaffen

Kiefer zählt zu den bekanntesten und erfolgreichsten Künstlern in Deutschland.
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- Bonner Stadtdechant Wolfgang Picken will nun die Kunst im öffentlichen Raum fördern.
- Deshalb soll nun der romanische Kreuzgang im Bonner Münster mit moderner Kunst veredelt werden.
- Und Picken weiß schon ganz genau, was er dort von Kiefer sehen will.
Bonn – Anselm Kiefer ist der große Mythenmeister der deutschen Kunst. Er hat sich mit breiter Geste und wandfüllenden, dicht gemalten Farb- und Materialcollagen an den Fantasien und Irrwegen der Deutschen abgearbeitet wie kein anderer, hat als Historienmaler neuer Prägung die Katastrophen der Geschichte eindringlich auf die Leinwand gebracht, ist ganz tief in fremde Kulturen und in die Welt der Religionen eingetaucht.
Die Sprache des Künstlers, der am 8. März 75 Jahre alt wird, ist monumental, der Zugriff gleichermaßen wuchtig wie sensibel, dröhnend wie differenziert. Kiefer ist nicht unumstritten, wird jedoch auch von vielen Kunstfreunden verehrt. Kalt lässt er den Betrachter nicht. In Bonn konnte man Kiefer zuletzt 2012 in der Bundeskunsthalle erleben. Die Bonner Stiftung für Kunst und Kultur bespielte damals die Bundeskunsthalle mit Werken aus der Privatsammlung von Hans Grothe. Es gab Kritik, aber auch viel Lob für die Schau. Kiefer polarisiert.
Kunst im Kreuzgang des Bonner Münster zeigen
Walter Smerling, Chef der Stiftung, kuratierte damals die Schau. Im vergangenen Jahr diskutierte er mit Wolfgang Picken, der gerade zum Bonner Stadtdechanten ernannt worden war, über Kunst im öffentlichen Raum und die Schwierigkeiten, sie zu realisieren – und über Kiefers Kunst. „Ich konnte mir vorstellen, im Kreuzgang des Bonner Münsters Kunst zu zeigen, da sind schnelle Lösungen möglich“, sagte Picken jetzt im Gespräch mit dieser Zeitung.
Zur Person
Der Maler und Bildhauer Anselm Kiefer wurde 1945 in Donaueschingen geboren. Er startete mit einem Jura- und Romanistikstudium in Freiburg, das er aber nie abschloss. Dafür studierte er Kunst bei Peter Dreher und Horst Antes. Kiefer zählt zu den bekanntesten und erfolgreichsten Künstlern in Deutschland. Seine Werke waren auf den documentas 6 bis 8 zu sehen.
1980 vertrat er Deutschland auf der Kunstbiennale in Venedig. Kiefer hat viele Auszeichnungen erhalten, darunter den Goslarer Kaiserring, den Praemium Imperiale und den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. 1991 verließ Kiefer Deutschland, reiste durch die Welt und ließ sich in Frankreich nieder. Zunächst in den Cevennen in Barjac, dann im Pariser Vorort Croissy-Beaubourg.
Ein romanischer Kreuzgang mit moderner Kunst, diese Idee gefiel ihm. Und man sprach insbesondere über Kiefer. Picken flog mit Smerling zu ihm nach Paris, diskutierte die Pläne. „Ein schwieriges Projekt“, wie der Stadtdechant feststellt. Gleichwohl eine faszinierende Vorstellung. Die Idee eines Werkes im Kreuzgang wurde bald um eine mögliche Ausstellung im Bonner Münster erweitert. Dort, im renovierten, aber noch leeren und unbestuhlten Raum könnte man bis zur liturgischen Wiedereröffnung des Gotteshauses am ersten Advent 2021 eine Werkschau des in Frankreich lebenden Künstlers zeigen.
Planmäßige Schau von August und November 2021
„Kiefer war zunächst zurückhaltend“, räumt Picken ein. Der Künstler habe sich aber zunehmend für das Projekt begeistert. Läuft alles nach Plan, wird die Schau von August und November 2021 zu sehen sein. Die Frage nach einem Kurator der Schau ist allerdings noch offen.
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Was Picken nicht daran hindert, von Kiefer im Münster zu träumen. Im Chor sieht er vor seinem inneren Auge schon eine Installation aus der Serie „Palmsonntag“. Smerling hat ein elf Meter hohes, noch nie gezeigtes Werk im Blick: „Sol invictus“, eine riesige Sonnenblume in einem oben abgerundeten Feld, das an ein Kirchenfenster erinnert. „Es wird überwältigend“, sagt er, „Kiefer vermittelt etwas, was nicht von dieser Welt ist und doch in dieser Welt geschieht.“
Wunsch nach Werken über Märtyrer
Picken hat mit Kiefer auch schon über das Werk für den Kreuzgang gesprochen. Er würde sich freuen, wenn Kiefer etwas exklusiv für das Münster machen würde – und hat auch eine Idee: Der Maler habe schon etliche Werke über Märtyrerinnen geschaffen, warum nicht über Märtyrer? Picken brachte die Bonner Stadtpatrone Cassius und Florentius, zwei römische Soldaten der legendären Thebäischen Legion, die im 3. Jahrhundert in Bonn ihr Leben im Zuge der Christenverfolgung verloren haben sollen, aufs Tapet. Zwei Afrikaner in Bonn. Picken hat Kiefer schon Material über die beiden zukommen lassen.
Eine solche Arbeit würde, wie überhaupt Kiefers Fragen zu Vergänglichkeit und Religion, zur jüdischen und christlichen Tradition sehr gut zu Bonn und dem Münster als Ort der Verschmelzung der Kulturen passen, schwärmt der Gottesmann: „Das ist ein gemeinsamer Nenner für kulturelles Miteinander – mehr Multikulti als an diesem Ort kann es nicht geben.“
Ob er denn mit Kritik rechne, die bei Kunst im öffentlichen Raum stets aufbrandet? Picken: „Dass Kunst und Kirche Reaktionen auslösen, ist nicht nur klar, sondern gewollt“, sagt er. „Das soll keine Gefälligkeitsveranstaltung sein, das soll Impulse setzen.“