David GarrettMelodien zielen ins Herz

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Das David Garrett-Trio in der Philharmonie.

Das David-Garrett-Trio in der Philharmonie.

Der Stargeiger David Garrett begeisterte mit seinem Trio mit Melodien von Schubert und Vivaldi.

„Ave Maria“ also. Franz Schuberts Seelenwärmer-Melodie, eigentlich ein Lied, schwebt durch die Philharmonie. Geiger David Garrett, die Beine hüftbreit, den Blick hinter halbgeschlossenen Lidern nach innen gerichtet, gibt maximales Gefühl.

Lockere Moderation

Vor ihm glimmt ein Halbrund aus LED-Kerzen, die Wand hinter ihm wird in rotes Licht getaucht, im Saal leuchten die Handybildschirme. Vielen Fans filmen, um den intensiven Moment mit nach Hause zu nehmen. Anders als bei Klassik-Konzerten schreitet das Saalpersonal nicht ein. Garrett ist immer noch Popstar, da sind Fanvideos fast selbstverständlich, auch wenn er an dem Abend in Trio-Besetzung und im Stil eines Klassik-Konzerts auftritt.

Die Fans wollen ein filmisches Souvenir des emotionalen Höhepunkts des Konzerts mitnehmen, auch wenn der Moment vor lauter Filmen dann gar nicht mehr so intensiv ist, wie er sein könnte Der Abend in Köln ist bereits der 91. auf Garretts „Iconic“-Tour. Das gleichnamige Album ist im November 2022 erschienen, das Programm aus bekannten für Solo-Violine arrangierten Melodien, Klassikern und Garrett-Party-Pieces sitzt.

Der Stargeiger moderiert selbst und erzählt über seine Beziehung zu den Stücken, von seinen geigerischen Vorbildern Fritz Kreisler oder Jascha Heifetz, beantwortet ihm zugesteckte Fan-Fragen. Die Kölner Philharmonie bezeichnet der aus Aachen stammende Deutsch-Amerikaner als „sein zweites Wohnzimmer“ und den Auftritt als „Heimspiel“, denn hier habe er als Jugendlicher viele Klassik-Künstler erstmals live gesehen.

Konserve müsste nicht sein

Die Moderationen geben dem Abend großen Charme, denn die Klassikpop-Ikone Garrett wird dadurch sympathisch nahbar und die Auswahl der Stücke erklärt sich über deren Popularitätsfaktor hinaus. Zwei Musiker begleiten Garrett auf der Bühne: Franck van der Heijden, langjähriger musikalischer Weggefährte sowie Arrangeur und Komponist zahlreicher Garrett-Nummern, zaubert souverän mit halbakustische Gitarre Volumen oder Begleitrhythmen. Rogier van Wegberg zupft unaufgeregt einen „Vimana“-E-Bass, ein sechssaitiges Instrument mit zwei zusätzlichen, höher gestimmten Saiten, aus denen sich mehr auch mal silbrige Zusatz-Sounds herauszaubern lassen.

Garrett spielt eine kostbare Guarneri-Violine. Die Akustik in der Philharmonie und auch das legendäre historische Instrument gäben es her, im Trio auf akustischen Instrumenten auch mal unplugged zu spielen, Garrett setzt jedoch durchgehend auf satten, süffig verstärkten Sound mit ein wenig Hall in sauberer Abmischung und sensibler Dynamik.

Manchmal erklingen aus den Lautsprechern zusätzlich dezent Streicher, Percussion oder eine Flöte. Die Konserve müsste für den Musikgenuss gar nicht sein, ist aber sehr effektvoll. David Garrett weiß, bei welchen Stücken seinen Fans die Herzen aufgehen. Er hat weltbekannte Schmachtfetzen im Programm wie „Londonderry Air“ (mit verspielter Flageolett-Passage) oder „Greensleeves“ aus der Folk-Schatulle, den zweiten Satz aus dem „Winter“ und das Sommergewitter aus Vivaldis „Vier Jahreszeiten“, auch den Schwan aus dem „Karneval der Tiere“ lässt er hereinsegeln.

Die technische Virtuosität steht an dem Abend bewusst nicht im Vordergrund, sondern das Gefühl, das Schwelgerische, auch das Persönliche. In den Antworten auf Fan-Fragen berichtet der 42-Jährige, wie er kürzlich in Interlaken sein mit John R. Haywood komponiertes Klavierkonzert „Open World“ selbst dirigiert hat, und dass für den kommenden Herbst ein neues Crossover-Album geplant und schon fast fertig eingespielt ist. Dass er natürlich mehr drauf hat als ein Kaffeehaus-Stehgeiger zeigt er eindrucksvoll mit dem „Danse macabre“ (Totentanz) von Camille Saint-Saëns.

Flamenco

Das Gedicht von Henri Cazalis, auf dem die Tondichtung von 1875 fußt, trägt er in deutscher Übersetzung vor, bevor es mitten reingeht in den Reigen, in dem der Tod selbst der Geiger ist, mit verzinkten Rhythmen und wilder Tonalität. Das ist schon für Solovioline und Orchester schwierig, Garrett schafft es virtuos allein (Garrett hat zu dem Stück ein Video produziert, das jedes Fan-Handyvideo blass aussehen lässt).

Auf die Virtuosen-Karte gehen auch Garretts Interpretation von Mozarts „Alla turca“, sein Flamenco und „Furious“, ein Garrett-Erfolgsstück von 2015 aus der Feder von Franck van der Heijden. Großer Jubel nach dem furiosen Finale und einem herzerwärmenden Abend.

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