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Festival „Acht Brücken“ in KölnHeiner Müllers „Hamletmaschine“ begeistert

2 min
europapassion

"Die Hamletmaschine" unter Leitung von Bas Wiegers.

Köln – Am Anfang steht eine Behauptung: „Ich war Hamlet“, sagt der Hamletdarsteller in Heiner Müllers Dramenkonzentrat „Die Hamletmaschine“. Später wird der Darsteller eine gegenteilige Position einnehmen: „Ich bin nicht Hamlet. Ich spiele keine Rolle mehr.“ Es ist, als ob Müller in seinem 1977 während einer Übersetzungsarbeit an dem Shakespeare-Klassiker geschriebenen, nur neun Seiten langen Text auch die Form des Dramas selbst verabschiedete. Müllers Hamletparaphrase ist Sprache gewordener Schmerz in fünf Akten.

Müllers faszinierende Hamletmaschine regte schon verschiedene Künstler ganz unterschiedlicher Herkunft zu Bearbeitungen an, darunter Wolfgang Rihm und die Band Einstürzende Neubauten in den 1980ern. Zum Jahrtausendwechsel nahm sich der seit Jahrzehnten in Paris lebende griechische Komponist Georges Aperghis des Werkes an. Mit seiner Version der Hamletmaschine wurde am Dienstagabend das Kölner Neue-Musik-Festival „Acht Brücken“ in der Philharmonie eröffnet, das Aperghis als Composer in Residence feiert.

Der düstere Text habe ihn regelrecht krank gemacht, verriet der heute 73-Jährige einmal. Dennoch hielt er daran fest, weil er in ihm eine kaum zu übertreffende Zeichnung Europas während des 20. Jahrhunderts fand, das er zur Jahrtausendwende in seiner ganzen Widersprüchlichkeit in seinem Werk porträtieren wollte.

Der Beginn dieser Europa-Passion ist zart wie Ophelia. Geneviève Strossers Bratsche kontrapunktiert ein hingeworfenes Motiv mit einem hohen Halteton. Doch diese Einleitung ist trügerisch und wendet sich ziemlich bald in ein erstes instrumentales und chorvokales Chaos. Wie überhaupt zarte Momente und heftigste Ausbrüche immer wieder hart miteinander kontrastieren. Dabei singt der Chor (großartig: das SWR Vokalensemble) den Text auf Deutsch, während die Gesangssolisten (Sarah Aristidou, Sopran, Holger Falk, Bariton, Romain Bischoff, Bariton) ihre Partien überwiegend auf Französisch singen. Die Originalsprache taucht auch in vokalen Abschnitten der Bratschistin und in einem Solo des Schlagzeugers Christian Dierstein auf.

Die Musiker zeichneten unter der Leitung von Bas Wiegers ein konturenscharfes Bild dieser hochkomplexen Partitur. Das Publikum in der leider kaum halb gefüllten Philharmonie war begeistert.