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Gregor Schneider im GesprächArchitekt des Unheimlichen

Lesezeit 4 Minuten

Gregor Schneider in Köln: Der unheimlichste Künstler der Gegenwart?

Köln – "Totes Haus u r" wurde 2001 die Geburtsstunde seiner internationalen Karriere. Als er 24 Räume seines vielfach veränderten Elternhauses in der Unterheydener Straße 12 in Mönchengladbach-Rheydt in den Deutschen Pavillon der Biennale Venedig baute, bekam Gregor Schneider den Goldenen Löwen des Kunstfestivals.

Ausgesucht hatte den heute 45-Jährigen Udo Kittelmann, seinerzeit Leiter des Kölnischen Kunstvereins. Als "Dead House u r" dann 2003/04 in Los Angeles gezeigt wurde, sahen es auch Stefan Bachmann und Melanie Kretschmann. Und als Intendant des Kölner Schauspiels erinnerte sich Bachmann an diesen Künstler, der nun mit seiner architektonischen Verwandlung der "Neuerburgstraße 21" (Halle Kalk) den Schlusspunkt der Saison setzt.

"Für mich ist das hier das erste Mal, dass ich in der Theaterwelt und mit deren Logistik einen künstlerisch gebauten Raum realisieren kann." Vor Ort freut er sich über den Vertrauensvorschuss, verpflichtet worden zu sein, als niemand wusste, was er tun würde. "Da wäre ein normaler Museumsdirektor vorsichtiger."

Über das ab 19. Juni zu sehende Resultat schweigt sich der Künstler weitgehend aus. "Wir werden einen neuen Zugang schaffen, und der bisherige Eingang wird ein Ausgang." Ansonsten wolle er seinem Konzept treu bleiben, "vorhandene Räume in Form, Funktion und Aussehen in einem Raum zu wiederholen". Gleichzeitig ist er ein Sammler gebauter Räume, "von denen ich allein 70 in einer Halle neben dem Haus in Rheydt eingelagert habe". Und Schneider arbeitet daran, dass die Kunstwelt diese Räume wie Malerei behandelt und erwirbt, "aber dieser Markt ist noch relativ jung".

Raumverständnis mit Hilfe der Kunst erarbeiten

Manche sehen in Schneider den "unheimlichsten Künstler der Gegenwart", da seine Räume oft fensterlosen Verliesen, Zellen oder unentrinnbaren Labyrinthen gleichen. "Aber die Wahrnehmungen sind da ganz unterschiedlich", sagt Schneider, "oft lösen sich die Räume für die Besucher in Alltäglichkeit auf - aber das sind dann nicht die, über die viel geschrieben und gestritten wird."

Muss man sich Gregor Schneider also nicht als angst- oder obsessionsgetriebenen Menschen vorstellen? "Man muss vor allem Kunst und Künstler voneinander trennen, ich halte von schlichtem Psychologisieren gar nichts." Schneider sieht seine Arbeit als "bildhauerische Annäherung an die Räume, die ich vielfach nicht verstehe."

Unheimlich wurde ihm die Wirkung der Raumverdoppelung im deutschen Pavillon 2001, "da dachte ich: Jetzt läuft das aus dem Ruder. Zurück in Rheydt, habe ich immer noch Besucher in den Räumen wahrgenommen und fürchtete, dass ich aus Venedig nicht mehr herauskomme". Daraus entwickelte sich die Kunst-Idee der Zwillingshäuser in Whitechapel, in denen gleich aussehende Zwillinge identische Handlungen vollzogen.

"Ich lebe mit dem Risiko, dass man sehr viel Energie, Zeit und Geld in Dinge investiert, die dann doch nicht stattfinden", weiß Schneider. Obwohl die für ihn maßgeblichen Projekte letztlich stets realisiert wurden. 2005 verhinderte staatliche Zensur die Installation des "Cube" auf dem Markusplatz in Venedig. Man fürchtete, das der Kaaba in Mekka nachempfundene Werk könnte Gefühle der Moslems verletzen und womöglich gar Anschläge provozieren. Auch in Berlin wurde das Projekt verboten, bevor es in Hamburg mit großem Erfolg realisiert wurde.

"Wie kann man etwas kritisieren, dass noch gar nicht existiert?", wundert sich Schneider. Die erregten Debatten haben "auch große Wissenslücken offenbart", da viele Journalisten glaubten, es gäbe ein Verbot des Kaaba-Nachbaus. Noch höhere Wellen schlug sein "Sterberaum", ein nach Mies van der Rohes Vorbild gebautes Zimmer, zu dem Schneider 2008 in einem Interview sagte: "Ich möchte eine Person zeigen, welche eines natürlichen Todes stirbt oder gerade eines natürlichen Todes gestorben ist. Dabei ist mein Ziel, die Schönheit des Todes zu zeigen."

Daraus wurden deftige Schlagzeilen, Drohungen und eine kontroverse Debatte, in der Schneider (nach dem "Cube") zum zweiten Mal Rückendeckung vom Kölner Jesuitenpater und ehemaligen Leiter der Kunststation St. Peter, Friedhelm Mennekes ("mein Schutzengel") erhielt. Auch diesen Raum konnte man (in Innsbruck und Stettin) inzwischen sehen, freilich menschenleer. Zwar spreche man über dieses Kunstobjekt heute sehr viel gelassener, "trotzdem hat es mir ausstellungstechnisch nicht unbedingt weitergeholfen".

Parallel zur Gestaltung der "Neuerburgstraße 21" arbeitet er am Synagogenprojekt in Pulheim-Stommeln (Eröffnung: 3. Juli): "Während der Ort von uns erstmals eine Adresse bekommt, wird er zugleich durch einen Eingriff zum Verschwinden gebracht" - eine Reflexion über religiöse Räume. Doch zunächst muss der Künstler zurück auf die Kölner "Baustelle".

Ab 19 Juni (bis 6. Juli) und 23. August bis 7. September ist die Verwandlung der Halle Kalk zu bestaunen, Tickets mit Zeitfenster müssen über (0221) 221 28400 oder www.schauspielkoeln.de gebucht werden.