Hanna SchygullaMit großem Mut zum Neinsagen

Die Schauspielerin Hanna Schygulla bei der Vorstellung ihrer Lebenserinnerungen. (Foto: dpa)
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"In 20 Jahren hat sich meine Karriere aufgebaut, in den nächsten 20 Jahren ist sie wieder verblasst." Sie war die "Maria Braun", war "Lili Marleen" und "Effi Briest". Jetzt ist Hanna Schygulla auch Autorin: Im Jahr, in dem sie - am 25. Dezember - 70 wird, hat sie in "Wach auf und träume" auf ihr Leben zurückgeblickt.
Dieser Blick, den wir alle aus den Filmen zu kennen meinen: leicht verhangen, fast wie benebelt, passend zur gedehnten Sprechweise. Oder in ihren Worten: "diese lebendigen Puppen, die beim Schütteln Ja sagen, wo ich als Amazone im Geschlechterkampf gern Nein sage".
Denn auch zu Rainer Werner Fasbinder hat sie mehr als einmal Nein gesagt. Kennengelernt hat sie ihn an der Schauspielschule. Er war "der Junge, der für das Weitere der Wichtigste ist." Aber nein, sie will nicht im gleichen Haus mit der ganzen Fassbinder-Filmfamilie leben. "Ich kann nicht Ja sagen zu der Hörigkeit, die er als Liebesbeweis einfordert."
Ein weiteres Nein, als sie eine Auszeit braucht, führt Mitte der 70er Jahre zum Zerwürfnis, bis sie mit "Die Ehe der Maria Braun" auch international den Durchbruch erleben. Doch auch als "Lili Marleen" fällt sie noch einmal in Ungnade, als sie nachfragt, warum sie weniger Gage bekommt als der "Zweitdarsteller Giancarlo Giannini". Kritik beantwortet Fassbinder mit Liebesentzug. Naturgemäß nimmt RWF in diesem schmalen Buch (knapp 200 Seiten) großen Raum ein. Und weil schon so viel über ihn geschrieben und gesagt worden ist, kann und will Schygulla nichts bahnbrechend Neues zu dessen öffentlicher Biografie beitragen.
Doch Sätze wie "Davor gab es sowieso nichts und danach eigentlich auch nicht" sind wie kleine Paukenschläge, während sich die Liste ihrer Regisseure liest wie "die Umlaufbahn des europäischen Films": Ettore Scola, Carlos Saura - während sie mit ihm dreht, erfährt sie von Fassbinders Tod - , Jean-Luc Godard, Wim Wenders, Volker Schlöndorff, Marco Ferreri, Andrzej Wajda oder auch Fatih Akin. Große Namen, doch über das hier und da Anekdotische geht Hanna Schygulla nicht hinaus.
"Und was ist mit der Karriere? Die lasse ich links liegen", so ihr Entschluss, als ihre betagten Eltern plötzlich Pflegefälle werden. Denn diese Dreier-Konstellation war immer schwierig. Der Vater, ein Kriegsheimkehrer, der die Nazi-Zeit nicht richtig abgeschlossen hat, für die Tochter. Die Mutter, die mit dem Ehemann mehr schlecht als recht klar kommt und die Tochter nicht mit Liebe überschüttet. In den letzten Jahren wachsen sie noch einmal zusammen - für das Glück darüber findet sie wunderbare Worte und "Meiner Mutter einen Gruß" gerät so zum berührendsten Kapitel.
"Mach dich nie von einem Mann abhängig, du siehst ja, was mit mir ist" hatte die Mutter ihr einst geraten. Und so beendet sie nach 13 Jahren die Beziehung zu ihrer großen Liebe, dem Drehbuch-Autor Jean-Claude Carrière, als er sich weigert, mit ihr ein Kind zu zeugen. Und dann ist da Alicia Bustamente, die kubanische Schauspielerin, mit der Schygulla zusammenlebt - und auch -liebt. Zwei Menschen, die nur schwer ohne den anderen sein können. So klare Worte sie eigentlich immer findet, hier bleibt sie im Ungefähren, neblig Getrübten, das wir ja so gut von ihren Filmrollen kennen. Und es passt zu einem Star, der niemals Schlagzeilen brauchte.
Hanna Schygulla: Wach auf und träume. Schirmel/Mosel. 208 Seiten, 19,80 Euro.