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Ein PotraitHanna Schygulla wird 80 Jahre – Die große Kunst der kleinen Gesten

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Die Schauspielerin Hanna Schygulla kommt am 09.12.2017 in Berlin zur Verleihung des 30. Europäischen Filmpreises. Foto: Jens Kalaene/dpa ++ +++ dpa-Bildfunk +++

Die Schauspielerin Hanna Schygulla bei der Verleihung des 30. Europäischen Filmpreises. 

Sie gehört zu den großen Filmschauspielerinnen aus Deutschland. Nun feiert Hanna Schygulla ihren 80. Geburtstag.

Eine Frau wird in einem Zug von einem GI angemacht, woraufhin sie ihn mit den derbsten Flüchen in seiner Muttersprache belegt. Auf die Frage ihres Mitreisenden, wo sie so gut Englisch gelernt habe, antwortet sie leichthin: „Im Bett.“

Dabei ist ihr Kopf gegen das Polster gelehnt, die Augen geschlossen – und sie lächelt, versonnen und diabolisch gleichermaßen.

Diese kurze Szene aus „Die Ehe der Maria Braun“ ist die Essenz der Schauspielkunst von Hanna Schygulla: ein Amalgam aus Energie und Lethargie, gewürzt mit einer Prise Humor. Am 25. Dezember kann sie ihren 80. Geburtstag feiern.

Geboren wurde Hanna Schygulla 1944 in Oberschlesien, 1945 kam sie mit ihrer Mutter auf der Flucht von dort nach München. Sie machte Abitur, ging als Au-pair nach Paris (wo sie von 1981 bis 2014 ihren ersten Wohnsitz hatte).

Während der Studienzeit nahm sie auch Schauspielunterricht und landete bei Rainer Werner Fassbinders „Aktion-Theater“. Ihre erste Filmrolle gab er ihr in „Liebe ist kälter als der Tod“ (1969). Und auch wenn sie in den kommenden Jahren immer wieder mit anderen Regisseuren arbeitete, prägte sie fortan seine Filme – und er im Gegenzug sie.

In der Folge spielte sie in fast allen seinen Arbeiten mit, übernahm oft Hauptrollen, etwa in „Katzelmacher“ (1969), „Pioniere in Ingolstadt“ (1971), „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ (1972) oder „Effie Briest“ (1974).

Nach einem Krach war erst einmal ein paar Jahre lang Sendepause – bis man sich wieder zusammentat und mit „Die Ehe der Maria Braun“ (1979) und „Lilli Marleen“ (1980) zwei Glanzleistungen der gemeinsamen Arbeit entstanden.

Während man von vielen anderen aus dem Fassbinder-Clan später wahre Horrorgeschichten hörte, schien Schygulla sich vor der Ausbeutung, der Manipulation und den Übergriffen Fassbinders irgendwie abgeschirmt zu haben. Ingrid Caven, Irm Hermann oder auch einige der Männer umweht bis heute ein Trauma aus dieser Zeit.

Schygulla scheint Grenzen gezogen zu haben, vielleicht prallte Fassbinder auch einfach an ihrer eleganten Sediertheit ab.

Auf jeden Fall lesen sich die Namen in ihrer Filmographie wie das Who-is-who des europäischen Kinos: Sie stand vor der Kamera für Ettore Scola, Jean-Luc Godard, Andrzej Wajda, Marco Ferreri, Agnès Varda oder Carlos Saura.

In Deutschland dreht sie mit Reinhard Hauff, Volker Schlöndorff, Wim Wenders, Peter Lilienthal oder Margarethe von Trotta.

Auch die „jüngere“ Filmgeneration besetzt sie immer wieder, so spielt Schygulla in Filmen von François Ozon oder auch Fatih Akin, in dessen „Auf der anderen Seite“ sie eine Glanzleistung zeigt.

Im Laufe ihrer Karriere hat sie viele große Rollen gespielt, war sich aber nie zu schade, mit kleineren Partien zum Gelingen eines Films beizutragen. Das war schon zu Fassbinder-Zeiten so, wurde von ihr aber auch später beibehalten – möglicherweise auch, um fortwährend zu arbeiten.

Knapp 90 Film- und Fernsehaufritte kamen so zusammen. Egal ob TV-Bildschirm oder große Leinwand, Hanna Schygulla scheint immer ein wenig durch die Szenerie zu schweben, ein Eindruck, der sich durch ihre angedunkelte Stimme und manchmal leicht gedehnte Art zu sprechen verstärkt. Ihr Spiel ist eher geprägt von kleinen Gesten — und das ist große Kunst.