Interview mit Heinz Strunk zu neuem Buch„Die Idee zu „Zauberberg 2“ hatte ich schon vor Jahren“

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1982 brachte Hans W. Geißendörfer den „Zauberberg“ unter anderem als Dreiteiler ins Fernsehen (DVD bei Fernsehjuwelen).

1982 brachte Hans W. Geißendörfer den „Zauberberg“ unter anderem als Dreiteiler ins Fernsehen (DVD bei Fernsehjuwelen).

Comedy-Autor Heinz Strunk schreibt an einer eigenen Fassung von Thomas Manns „Der Zauberberg“.

Am 20. November 1924 erschien Thomas Manns berühmter Roman „Der Zauberberg“. Exakt 99 Jahre später arbeitet der Autor und Humorist Heinz Strunk an einer Fortsetzung, über die er mit Daniel Benedict sprach.

Herr Strunk, Sie sitzen gerade am „Zauberberg 2“. Schon Ihr letzter Roman „Niendorf“ wurde mit dem „Tod in Venedig“ verglichen. Schreiben Sie Thomas Manns Bücher jetzt alle noch mal?

Nein, und bei „Niendorf“ war es auch nicht absichtlich. Ich hatte „Tod in Venedig“ zwar irgendwann mal gelesen; auf die Ähnlichkeiten hat mich aber erst mein Lektor gebracht. Da war ich schon fertig. Es schadet natürlich nicht, wenn man in einem Atemzug mit Thomas Mann erwähnt wird.

Was reizt Sie am meisten an dem neuen Projekt?

Diese Chuzpe, sich diesen Mythos vorzunehmen und da einfach mal eine Zwei hinter den Titel zu setzen. Den Schriftzug auf dem Umschlag übernehmen wir dann von „Terminator 2“.

Im „Zauberberg“ beschreibt Thomas Mann, wie sein Held Hans Castorp ein Sanatorium aufsucht, aus dem er dann sieben Jahre nicht mehr rauskommt …

… und anders als bei Thomas Mann verweilt mein Protagonist Jonas Heidbrink da nicht sieben Jahre, sondern nur eins. Dann schließt das Sanatorium aus wirtschaftlichen Gründen, und der Held muss in sein bürgerliches Leben zurück.

Mein „Zauberberg“ spielt auch nicht auf dem Berg, sondern in der Nähe der polnischen Grenze. Die Klinik ist in einem alten Schloss, mitten in der Pampa. Dahinter schließt sich ein Sumpfgebiet an, von dem man meint, dass es bis nach Russland reicht. In meinem Roman gibt es auch kein Davos, sondern überhaupt nur dieses Schloss, ohne jede menschliche Ansiedlung.

Wieso jetzt dieses Buch?

Die Idee zu „Zauberberg 2“ hatte ich schon vor Jahren. Aber ich habe mich immer sehr davor gescheut, ein Sanatorium aufzusuchen. Das ist ja die Voraussetzung: dass man einmal den Klinikalltag selbst erlebt. Als Selbstzahler musste ich dann auch richtig ablatzen: 800 Euro am Tag. Es ist in meinem Fall keine Lungenklinik, sondern eine psychosomatische.

Warum?

Da habe ich richtig Ahnung. Psychische Erkrankung, Trauer, Verzweiflung – das sind ja nun meine Themen, die ich selber schwer erlitten habe.

Übernehmen Sie nur die Klinik oder auch bestimmte Handlungsstränge?

Ich übernehme auch die Figuren Settembrini und Naphta, die bei Thomas Mann legendäre Streitgespräche führen. Die Themen der beiden interessieren heute keinen Menschen mehr; ich bin gar nicht durchgestiegen. Aber die Idee, zeitgenössische Themen diskutieren zu lassen, die ist gut. Deshalb spricht mein Heidbrink mit einem anderen Patienten. Das ist ein ehemaliger Schuldirektor, 70 Jahre alt, der nicht an Burn-out oder Depressionen leidet, sondern an der allgemeinen Sinnlosigkeit.

Haben Sie ein Konzept dafür, was zur Anspielung wird und wo sie von der Vorlage abweichen?

Man muss immer mit Referenzen arbeiten, aber nicht so detailliert. Ich muss nicht für jede Figur ein Pendant finden oder jede bekannte Szene aufgreifen. Das wäre schon wieder übertrieben. Ich muss das genau ausbalancieren und weiß selber noch nicht so genau, was ich an Verweisen nehme. Mein Vorteil ist natürlich, dass nicht jeder meiner Leser den „Zauberberg“ kennt.

Als Novelle geplant wurde Manns Roman mehr als 1000 Seiten lang. Wird Ihr Buch auch so dick?

Natürlich nicht.

Wann kommt Ihr Buch heraus?

Edo Reents, mein alter Freund von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, hat mich darauf hingewiesen: „Der Zauberberg“ hat nächstes Jahr 100. Geburtstag. Wusste ich gar nicht. Das genaue Datum war gar nicht so leicht rauszufinden. Es ist der 20. November 2024, und natürlich muss mein „Zauberberg“ zwingend an diesem Tag erscheinen.


Von der Schinkenstraße zum literarischen Olymp

Mit „Fleisch ist mein Gemüse“ brachte Heinz Strunk (Foto) 2004 sein erstes Buch heraus , das gleich ein Erfolg wurde. Es folgten unter anderem „Der goldene Handschuh“ (2016) oder „Es ist immer so schön mit dir“ (2021). In diesem Jahr erschien bei Amazon Prime die Serie „Last Exit Schinkenstraße“, die Strunk nicht nur geschrieben hat, sondern in der er auch eine der Hauptrollen spielt. Auch beim Film „Jürgen – Heute wird gelebt“ agierte der heute 61-Jährige in dieser Doppelfunktion.

Strunk ist nicht der erste, der sich literarisch Thomas Manns „Der Zauberg“ annimmt. In „Castorp“ erzählt der polnische Schriftsteller Paweł Huelle von der Studienzeit des Protagonisten in Danzig. Seine Landsfrau Olga Tokarczuk hingegen verlegt im in diesem Jahr erschienenen Roman „Empusion“ die Handlung in einen polnischen Luftkurort.

Verfilmt wurde der „Zauberberg“ zum ersten Mal 1968 mit Folker Bohnet als Castorp. Für seine Fassung versammelt Hans W. Geißendörfer 1982 eine Starriege: Neben dem unbekannten Christoph Eichhorn spielten Rod Steiger, Charles Aznavour oder Irm Herman. (HLL)

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