Im Musical Dome in Köln„Jesus Christ Superstar“ ist ganz schön in die Jahre gekommen

Der wohl älteste Jesus-Darsteller der Welt: Szene aus dem Kölner Musical-Gastspiel.
Copyright: Thomas Brill
Köln – 1997 machte Pierre Brice einen Fehler. Für einen TV-Zweiteiler übernahm der 68-Jährige noch einmal die Rolle seines Lebens: Winnetou. Obwohl sich die Drehbuchschreiber einen Trick ausgedacht hatten – Winnetou war gar nicht tot, er hatte überlebt und Jahrzehnte als Einsiedler in den Bergen verbracht – kam die Fortsetzung gar nicht gut an. Leinwand-Helden behält man am liebsten so in Erinnerung, wie sie waren.
Derzeit macht Ted Neely (75) einen ähnlichen Fehler. 1973 sang und spielte er in der Verfilmung der Rockoper „Jesus Christ Superstar“ den Titelhelden, wie schon 1971 bei der Uraufführung am Broadway. Auf einer Tourneeproduktion aus Italien tut er das jetzt wieder. Von Freitag bis Sonntag gastierte das Stück im Musical Dome. Da es sich aber nicht um „Jesus Christ Superstar Reloaded“ handelt, sondern um das Original, bleibt Neely die Gnade der Einsiedelei, die sein Alter erklären würde, verwehrt.
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Und: Winnetou musste nie singen. Neely muss. Freitag bei der Premiere wurde deutlich, dass er das nicht mehr kann. Nicht so, wie es die Rolle erfordert. Erst mit Sanftheit und Strahlkraft, dann mit Resignation, Trauer, dem verzweifeltem Aufbäumen gegen das ihm vorbestimmte Schicksal: „Why should I die?“ Für diesen Gott trotzenden Schrei in „Gethsemane“, so scheint es, sammelt der wohl dienstälteste Bühnen-Jesus der Welt alle Kraft, die ihm noch innewohnt. Weil er weiß: Hier liegt die Messlatte. Sonst mogelt er sich durch. Eher deklamatorisch als dynamisch, Silben zerdehnend, bedeutsam flüsternd, Pausen setzend, da, wo keine sind. Das Publikum applaudiert trotzdem. Dem vermutlich dienstältesten Bühnen-Jesus der Welt gebührt Respekt.
Großartige Band, gelungene Tanzszenen
Da die anderen Hauptrollen mit wesentlich jüngeren Darstellern besetzt sind, fällt die Diskrepanz umso heftiger aus. Nick Maia (Judas) und Giorgio Adamo (Simon Zealotes) machen kraftvoll vor, wie rockige Revoluzzer klingen müssen. Simona Distefano (Maria Magdalena) ist stimmlich auf der Höhe, darstellerisch wirkt das, was sie zeigt, aber beliebig. Sie könnte auch, mit den gleichen weit ausholenden Gesten, bei einer Opern-Gala auf einem Kreuzfahrtschiff auftreten. Paride Acacia und Francesco Mastroianni (Hohepriester Annas und Caiaphas) überzeichnen ihre Rolle als Finsterlinge bis hin zum Slapstick, Salvador Axel Torrisi (König Herodes) kommt wie ein antiker Vetter von Frank N. Furter aus der „Rocky Horror Picture Show“ daher. Sonor und äußerst solide: Andrea di Persio (Pontius Pilatus).
Die acht Bandmusiker sind großartig, die Tanzszenen gelungen, die Kostüme des Ensembles mit ihrem Hippie-Appeal „Hair“-tauglich. Trotz der Defizite des Hauptdarstellers und der Holzhammer-Optik der Bilder auf der defekten LED-Wand (Feuer bei Leidenschaft, Spinnennetz bei Judas Verrat) vergingen 140 Minuten (mit Pause) doch recht schnell. Und: Einen gealterten Jesus, der ans Kreuz genagelt, letzte Worte auf Deutsch mit französischem Akzent hauchte, musste auch niemand erleben.