Ein Maler, der die Seele wärmt„Inside Rembrandt“-Ausstellung startet im Wallraf

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Die Ausstellung „Inside Rembrandt“ eröffnet am 1. Januar 2020 im Wallraff

Köln – „Das sieht doch aus wie von Max Liebermann“, dachte Kuratorin Anja Sevcik. Tatsächlich wirkt Rembrandts „Apostel Bartholomäus“ (1661) wie ein Werk des frühen 20. Jahrhunderts. Das gramgegerbte Gesicht nimmt schon die Tortur vorweg, das Messer in der rechten Hand verweist auf die barbarische Häutung bei lebendigem Leib, und die das Kinn stützende Linke ähnelt totem Gewebe. Ein erschütterndes Meisterwerk.

Diese Leihgabe aus dem J. Paul Getty Museum in Los Angeles ist der Schlussakkord in Moll bei der Kölner Ausstellung „Inside Rembrandt“. Zum 350. Todestag des großen Niederländers (1606-1669) feiert sie nicht nur dessen technische Meisterschaft vom briefmarkengroßen Selbstporträt bis zum wimmeligen „Bad der Diana“ samt davonhüpfendem Frosch. Nein, sie zeigt vor allem, wie nah uns dieser „Menschenmaler“ (Wallraf-Direktor Marcus Dekiert) und „Seelenwärmer“ (Anja Sevcik) heute noch ist.

Gesichter, voll von schwerwiegendem Drama

Der Müllersohn aus Leiden sah sich nie als konventioneller Porträtist, sondern als Bild-Erzähler, der den Betrachter wie ein Bühnenregisseur mit effektvoller Lichtführung bannte. So lag es nahe, Leben und Werk als Drama in fünf Akten zu schildern, in dem private wie berufliche Höhen und Tiefen einander durchdringen. Dabei lässt der klug verschachtelte Parcours auf mauvefarbenen Wänden Grafik wie Gemälde gleichermaßen strahlen und stiftet immer wieder aufschlussreiche Blickachsen.

Für den Autor Jean Genet schienen „alle Gesichter Rembrandts ein äußerst schwerwiegendes, dichtes Drama in sich zu bergen“. So auch „Der Gelehrte im Studierzimmer“ (1634), glanzvolle Leihgabe der Prager Nationalgalerie, die Kooperationspartner der Ausstellung ist. Irritiert, vielleicht gar genervt oder bekümmert schaut er uns an, wohl noch in jene Gedanken versunken, die er dem aufgeschlagenen Buch verdankt. Man wüsste nur zu gern, was in ihm vorgeht.

Ausstellung zeigt Rembrandts Anfänge in Leiden

Dieses Großformat zeigt den nun in Amsterdam reüssierenden Maler auf dem Gipfel seiner Kunst: schlüssig komponiert und apart ausgeleuchtet, bietet es eine überwältigende Fusion von stiller Kraft und Finesse. Die Kölner Schau stellt ihren Protagonisten nicht auf den Sockel des einsamen Genies, den ja immer erst die Nachwelt zimmert. Sie zeigt seine Anfänge in der Universitätsstadt Leiden, wo er wie eigentlich jeder Künstler vornehmlich ältere Gelehrte malte oder radierte. Wobei Rembrandts Denker ein magisch verrätselter Lichtkranz erscheint, so dass man ihn für den erkenntnissüchtigen Alchemisten Faust hält.

Mit dem zweiten Leidener Wunderknaben Jan Lievens arbeitete der ein Jahr ältere Kollege eng zusammen, manchmal „duellierte“ man sich wie beim „Kopf eines Orientalen“, der Rembrandt einen Hauch nuancierter gelang. Lievens wagte zwar früher den Schritt ins Monumentale, konnte aber mit dem Einfallsreichtum des Rivalen nicht mithalten. Dennoch beweisen seine Arbeiten wie die von Gerrit Dou („Alte Frau mit Kerze“!), dass beide üppigeren Nachruhm hätten ernten können, wenn ihnen nicht ausgerechnet Rembrandt vor der Sonne gestanden hätte.

Rembrandt war sich seiner Markenqualität bewusst

Fantastisch seine Experimentierlust: Badet der Heilige Anastasius in warmem Seitenlicht, so wird der Heilige Hieronymus fast vollkommen von der Dunkelheit des Studierzimmers verschluckt. Rembrandt holte gern mythische Figuren ins Alltagsleben, inszenierte etwa „Diana im Bade“ keineswegs als makellose Venus. Kein Wunder, wenn eine Wäscherin oder Torftreterin Modell gestanden hatte.

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Und dann die geliebte Frau Saskia, Muse und Managerin, die er einmal als derbe Kokette, dann als schöne Melancholikerin darstellte. Die ganze Palette seiner Porträtkunst offenbaren zwei Gemälde: links in nobler Kontemplation der berühmte Prediger Johannes Wtenbogaert (sonst im Amsterdamer Rijksmuseum), rechts mit selbstbewusstem Schwung eine junge Frau mit Fächer (Metropolitan Museum). Rembrandt war sich seiner Markenqualität sehr bewusst, die er mit den Selbstporträts und der üppigen Produktion seiner Werkstatt beförderte.

Im letzten Akt der Schau wie seines Schaffens wird bei den Menschenbildern alles ornamentale Beiwerk abgetakelt. Stattdessen Gesichter wie schrundige Reliefs. Sein Kölner „Selbstporträt als Zeuxis“ mag eigene Schicksalsschläge spiegeln – den Tod von zwei Töchtern und von Saskia, den eigenen Bankrott –, vor allem aber den tragikomischen Kern der menschlichen Existenz. Und dies gilt letztlich für die gesamte Ausstellung, die ihrem Titel herausragend gerecht wird.

1.1. bis 1.3. 2020, Di-So 10 -18 Uhr, ersten und dritten Do 10 - 22 Uhr. Katalog im Museumsshop 29,95 Euro. Obenmarspforten. www.wallraf.museum 

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