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Buchtipp der RedaktionJohn von Düffel zeigt, wie wenig man zum guten Leben braucht

Lesezeit 2 Minuten
Der Autor John von Düffel.

Der Autor John von Düffel zeigt in seinem neuen Buch die Kunst, sich auf Wesentliches zu konzentrieren.

Was brauchen wir im Leben? Was füllt aus? Was ist Ballast? John von Düffel zeigt in einem Stundenbuch zum Jahresbeginn auf sehr poetische Weise, wie sich auf Weniges konzentrieren lässt. 

Ungeschrieben liegt es da, dieses Buch. Ein Neujahrsmorgen im ligurischen Hinterland, ein einfaches Zimmer, Stille. Ende und Anfang, die weißen Seiten: „Es ist das Wenige, denke ich/Ich will mit dem Wenigen anfangen“.

Aufgang bis Untergang der Sonne

Vor Sonnenaufgang begibt sich der Schriftsteller John von Düffel auf den Weg durch diesen Tag, bis nach Sonnenuntergang darf man ihn Stunde um Stunde begleiten auf seinem leichtfüßigen Gang durch die grüne Natur und die Gedanken entlang der zentralen menschlichen Fragen: „Wo komme ich her/Wo stehe ich/Wo gehe ich hin“.

In der losen Reihung der Zeilen scheint das Nachdenken assoziativ zu mäandern, doch das Ziel der Suche steht sehr wohl fest: „Es gibt kein richtiges Leben im Falschen/Aber es gibt im Falschen eine richtige Richtung“, und die gilt es zu finden.

Schlichtheit als Inspiration

John von Düffel, 1966 geboren, Romanautor (zuletzt „Die Wütenden und die Schuldigen“), promovierter Philosoph, Dramaturg, Professor für Szenisches Schreiben und nicht zuletzt leidenschaftlicher Schwimmer, lässt sich an diesem Neujahrstag von der Schlichtheit ringsum inspirieren und stellt eingangs fest: „Das größte Missverständnis der Askese ist/Der Verzicht“.

Es geht darum zu erkennen, wie wenig ich brauche, es geht um „Das Wenige und das Wesentliche“, so der Titel des schön gestalteten Stundenbuchs. Dass es wortwörtlich auch um Konsum geht, um die dringend nötige Korrektur unserer Lebensweise, wirkt beim ersten Aufschlag in diesem bedachten philosophischen Brevier überraschend diesseitig und politisch.

Gesellschaftliches Bewusstsein

Dabei baut von Düffel sorgfältig Satz für Satz, Stunde für Stunde seine bestechend überzeugende Argumentation für eine klare Haltung, ein gesellschaftlich wacheres Bewusstsein auf. Auf den Spuren des irrenden Ödipus, des unerschütterlich glaubenden Hiob und des steinwälzenden Sisyphos denkt von Düffel über menschliches Maß und Selbsterkenntnis nach, über den Auftrag von Schönheit und sinnvollem Tun, über den Unterschied von Wollen und Brauchen, (digitaler) Information und echter Erfahrung, über Angst und Erschöpfung, Identität und Selbstverantwortung.

Mit ihm löst man das Rätsel der Sphinx vom unausweichlichen Verlauf der drei Lebensalter und erkennt „die Geschichte, in der alle sind“. Sicher, der Tod „wird immer von anderen erzählt“, doch das Sterben kann im Glücksfall gelingen im „Einverständnis mit dem Ende/Meines Körpers“: „Wenn mir mein Leben genügt hat/Habe ich das Rätsel gelöst“.

Klug und poetisch, kristallin, erfrischend und wesentlich ist dieses Stundenbuch, das mit seiner zutiefst menschlichen Haltung geradezu frohen Trost bietet – und Lust macht, vielleicht am Neujahrstag noch einmal von vorne loszugehen.

John von Düffel: Das Wenige und das Wesentliche. Ein Stundenbuch, DuMont, 160 S., 23 Euro