Keanu Reeves„Für die Familie würde ich sterben“

Er ist gern flott in Autos unterwegs. Aber im persönlichen Umgang ist Keanu Reeves eher zurückhaltend.
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Herr Reeves, würden Sie der in Realität einen guten Samurai abgeben?
Ich glaube schon. Zumindest kann ich mich mit vielen der Samurai-Tugenden identifizieren. Ich mag die Vorstellung, dass du gegenüber deinem Umfeld, deiner Gemeinde und auch gegenüber deinen Nachkommen eine Verpflichtung hast, der du gerecht werden musst. Samurai haben auch eine enge Beziehung zu ihrem natürlichen Umfeld - überhaupt findest du in der japanischen Kultur eine sehr interessante Verbindung zwischen Natur und Kunst, die mich sehr beeindruckt. Und ich schätze es, dass in dieser Kultur Respekt eine große Rolle spielt. Allerdings kann das manchmal sehr kompliziert werden.
Inwiefern?
Du musst genau verstehen, wie du dich im menschlichen Kontakt verhalten musst. Wohin du deinen Blick richtest, wie du deine Hände bewegst. Das ist eine ganze Hierarchie von Verhaltensweisen, die ich erst mühselig lernen musste. Auch heutzutage ist die japanische Welt von einer sehr formellen Höflichkeit geprägt.
Haben Sie damit Schwierigkeiten?
Ich finde das sehr schön; ich neige persönlich auch nicht zu Grobheiten. Obwohl, ich gebe zu, es mag Situationen geben, wo ich ausrasten kann. Aber es ist schon sehr, sehr lange her, dass ich wirklich ausgeflippt bin.
Vor einigen paar Jahren legten Sie sich mit der Polizei von Los Angeles an.
Ich hatte mich nicht ganz genau an die Geschwindigkeitsbeschränkung gehalten, und dann sagte ich wohl zu dem Beamten nicht schnell genug "Yes sir!" Schon hatte er mir Handschellen verpasst.
Das meiste Geld haben Sie ja mit Actionfilmen wie verdient. Auch in "47 Ronin" geht es ordentlich zur Sache. Sind Sie tatsächlich so ein harter Kerl?
Ich weiß es nicht. Ich habe auf jeden Fall keinen Hang zu Gewalt. Konflikte mag ich nicht. Ich mache auch keinen Kampfsport, vom Training für Stuntszenen abgesehen. Dafür bin ich zu alt. Ich würde nur gewalttätig werden, wenn meine Freunde oder meine Familie bedroht würden. Ich könnte mir auch vorstellen, für sie zu sterben wie ein richtiger Samurai. Wobei ich zugeben muss, dass so etwas im Film wesentlich einfacher ist.
Sie haben sich aber ein paar Mal real in Lebensgefahr gebracht. So hatten Sie einige schwere Unfälle mit dem Motorrad, denen Sie diverse Narben verdanken. Wollen Sie es nicht ein wenig langsamer angehen?
Wenn mir was passiert ist, dann tue ich das auch eine Zeit lang. Aber ich liebe es nun mal schnell zu fahren. Und diese Freude lasse ich mir nicht so leicht nehme. Wenn ich mit der Arbeit fertig bin, spüre ich eine gewisse Unruhe in mir, für die ich ein Ventil brauche. Trotzdem versuche ich natürlich, mich an die Verkehrsregeln zu halten.
Andererseits machen Sie im Gespräch einen sehr ruhigen und harmonischen Eindruck.
Das bin ich ja auch die meiste Zeit. Ich fühle mich durchaus zur fernöstlichen Philosophie hingezogen. Denn ich versuche den Einklang mit meinem Selbst zu finden - und dadurch auch den Einklang mit der Welt, die mich umgibt. Die Erfahrung, als ich "Little Buddha" drehte, hat mich da durchaus geprägt. Dieser Film hat mir eine Philosophie und eine Religion näher gebracht, die ich vorher nie kennenlernt hatte.
Worin bestand denn diese Offenbarung?
Ich habe mich auf nie dagewesene Weise geöffnet, und meinen Horizont hat sich total erweitert. Auf einmal habe ich verstanden, dass wir alle nur in einem Zyklus von Geburt und Tod leben. Mir ist auch die Bedeutung von Mitgefühl klar geworden. Ich versuche mich seither noch mehr in die Lage meiner Mitmenschen zu versetzen - um zu verstehen, warum sie leiden.
Sind Sie Buddhist?
Nein, das bin ich nie geworden. Für mich ist das Ganze eher so eine Art Psychotherapie. Ich frage mich einfach, warum ich bestimmte Dinge tue und warum ich etwas will. Und wenn ich den Grund dafür begreife, dann kann ich auch etwas verändern. Aber manchmal ist das auch ganz schön kompliziert. Dann verstehe ich selbst nicht mehr, was ich sage.
Wären Sie versucht, sich mal in ein Kloster im Himalaya zurückzuziehen?
Früher mal ja, als ich eben den Film "Little Buddha" drehte. Aber jetzt nicht mehr. Meine Arbeit liegt heute doch in der Stadt. Ich lese lieber Romane - zum Beispiel David Eggers. Und das letzte Sachbuch, das ich studiert habe, war Andy Greenbergs "This Machine Kills Secrets" über die Geschichte von Wikileaks.
Sie haben vorhin gesagt, Sie seien zu alt. Fühlen Sie sich mit 49 wirklich schon so alt?
Eigentlich denke ich gar nicht über mein Alter nach. Das Einzige, was ich sagen kann: Ich bin erwachsen.