Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Ausstellung in KölnMuseum für Ostasiatische Kunst zeigt das Vermächtnis eines Sammlers

Lesezeit 3 Minuten
Furchteinflößend: der Höllenrichter.

Furchteinflößend: der Höllenrichter.

Unter dem Motto 50 Jahre - 50 Schätze zeigt das Museum für Ostasiatische Kunst eine Auswahl aus der Sammlung von Hans-Wilhelm Siegel.

Was er denn machen müsse, um in China leben zu können, fragte Hans-Wilhelm Siegel. Der Rat des Patenonkels: eine Lehre als Industriekaufmann. Gesagt, getan. 1923 reist der junge Mann aus Kassel für den Stinnes-Konzern zum ersten Mal in das ostasiatische Land – und legt gleich auch den Grundstein für seine exorbitante Sammlung, die er über Jahrzehnte, die er in China lebte und arbeitete, zusammentrug.

1972 wurde auf der Vermittlung des damaligen Direktors des Museums für Ostasiatische Kunst (MOK), Roger Goepper, eine Ausstellung mit Teilen der Sammlung in Köln organisiert.

Zwei Jahre später erwarb die Stadt einen Großteil der Objekte für drei Millionen D-Mark. Doch vom Erlös steckte Siegel die Hälfte in die 1974 von ihm gegründete „Orientstiftung“, die fortan das MOK unter anderem mit Ankäufen und Schenkungen unterstützte.

Hans-Wilhelm Siegel in den 30er Jahren

Hans-Wilhelm Siegel in den 30er Jahren

Das Gründungsjubiläum nimmt das Haus am Aachener Weiher nun zum Anlass für die Ausstellung „50 Jahre – 50 Schätze“.

Fast wie auf einer Perlenschnur reiht sich in einem sanft beleuchteten Raum in Vitrinen Kleinod an Kleinod: von zarten Trinkschalen aus dem frühen 18. Jahrhundert bis zu einer Kopfstütze aus dem 12./13. Jahrhundert.

Es findet sich ein mit Fabelwesen reich verziertes Becken aus der Wanli-Periode der Ming-Dynastie (ca. 1572−1620) genauso wie eine fast schon schlichte dunkelblaue „Drachenschale“ (aus der Zeit 1662−1722), die, ausgelöst durch die Beleuchtung, ihr eingraviertes Muster auf den Boden spiegelt. Magisch.

Rituelle Gegenstände stehen neben Alltäglichem, der Hase aus Alabaster (eine Grabbeigabe aus dem 7. Jahrhundert) schaffte es ebenso in die von Daniel Suebsman kuratierte Auswahl wie der „Höllenrichter“ (um 1488−1521) – eine wirklich furchteinflößende Figur aus Steinzeug, deren schwarze Augen zu leben scheinen. Lebensgroß, aber alles andere als bedrohlich hingegen der sitzende Bodhisattva (12. − 13. Jahrhundert).

Und immer wieder tauchen lindgrüne Artefakte auf, aufgrund ihrer Farbgebung sogenannte Seladone, für die Siegel eine besondere Vorliebe hatte.

Aber Siegel hatte nicht nur Geschmack, sondern auch das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein: Als nach Grabungen in der alten Kaiserstadt Anyang in den 1940er Jahren archaische Ritualbronzen auf den chinesischen Kunstmarkt kamen, fanden etliche ihren Weg in seine Sammlung.

Seine Schätze konnte Hans-Wilhelm Siegel zusammentragen, weil er ein erfolgreicher Geschäftsmann war. „Er handelte mit kriegswichtigen Produkten wie Wolfram“, erzählt Malte Sprenger, der Vorsitzende der Orientstiftung, der Siegel dennoch nicht als Kriegsgewinnler bezeichnet sehen möchte. Er habe die Chancen genutzt, die sich ihm boten, sowohl in China als auch im Austausch mit Europa. „Er hätte bestimmt keine Chemikalien in KZs geliefert. In China war er trotz aller Umschichtungen immer unter den obersten Zehntausend.“

Ein Mann also, der sich den Gegebenheiten anzupassen wusste – vielleicht auch, weil er mit einem anderen Mann zusammenlebte. Oder vielleicht auch generell lieber unter dem Radar flog.

So bestand er etwa darauf, dass die Stiftung – anders als man ansonsten in Köln und andernorts kennt – nicht seinen Namen tragen sollte.

Museum für Ostasiatische Kunst, Köln, MOK, Spindelvase, Steinzeug, Young-Jae Lee, 2018, Inv.Nr. F 2024,2
Copyright Young-Jae Lee

Neuzugang im MOK: eine von zwei Spindelvasen von Young-Jae Lee.

Die Zukunft der Stiftung ist natürlich gesichert. „Es geht uns gut, aber nicht so gut“, macht Malte Sprenger klar. Denn ausgegeben werden darf nur, was durch Zinsen erwirtschaftet wird. Und diese Erträge sind lange nicht mehr so wie in den 80er Jahren, wo man im Jahr schon mal „ein paar Hunderttausend D-Mark“ zur Verfügung hatte.

Nicht viel Spielraum für allergrößte Sprünge. Vor allem nicht im Hinblick auf die Konkurrenz auf dem Markt: Viele Asiatika werden heute von Chinesen gekauft oder ersteigert – und da bewege man sich in Gefilden, in den man als Stiftung nicht mithalten können. Sprengers Einschätzung zum Kunstmarkt generell: „Die Preise sind aufgeblasen von Leuten, die keine Connaisseure sind wie früher, sondern es sind Angeber.“ Anders als Siegel.