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Radikaler Bruch mit dem RegelwerkKölner ROAR-Festival gegen Diskriminierung

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Performance-Kunst wie hier beim tanz.rausch Festival ist Teil des Programms.

Performance-Kunst wie hier beim tanz.rausch Festival ist Teil des Programms.

Das ROAR-Festival im Orangerie-Theater lässt Kunst und Zuschauende verschmelzen – gegen Diskriminierung. 

Eine Frau im fruchtbaren Alter will keine Kinder bekommen? Schuldig! Eine Frau, die eine andere Frau liebt? Schuldig! Eine Frau, die ihren Mann wegen Missbrauchs anzeigt? Schuldig! Am Schreibtisch im dunstigen Nebellicht sitzt die Gestalt mit geschminktem Gesicht, die diese Urteile über Frauen spricht. Sie soll einen Vorgeschmack auf das intersektionale-feministische ROAR-Festival im Orangerie-Theater geben. Denn um Urteile und Diskriminierung soll es hier vom 8. bis 11. März auch gehen.

Gegen Ausgrenzung auf allen Ebenen

Oder viel mehr darum, sie zu überwinden und miteinander darüber zu sprechen. Es richtet sich an Frauen, Menschen mit Rassismuserfahrungen und diejenigen, die wegen ihrer sexuellen Identität diskriminiert werden. Das Künstler-Netzwerk YAYA e.V. ist ebenfalls am Programm beteiligt. Die Zuschauenden erwartet ein spartenübergreifendes Programm aus Tanzperformances, Konzerten, Lesungen und Workshops –fernab von Ausgrenzung.

„Diskriminierung findet auf mehreren Ebenen statt“, sagt Sarah Youssef, künstlerische Leiterin des Orangerie-Theaters. „Ich bin Frau, Muslima und habe einen Migrationshintergrund – und wurde mein ganzes Leben diskriminiert. Gründe gab es genug.“ Möglichkeiten, sich über solche Erfahrungen auf einer künstlerischen Ebene auszutauschen aber nicht, sagt Festivalleiterin Inga Hörter. Deswegen will das ROAR-Festival mit Grenzen brechen. So steht es auch schon im Namen, denn ROAR ist die Abkürzung für „Radical break Out of an Artificial Rulebook“, zu deutsch: Radikaler Ausbruch aus einem künstlerischen Regelwerk.

Die Menschen, die die Workshops, Konzerte und Diskussionsforen besuchen, sind also mehr als nur Zuschauer. Sie sollen mitmachen, mitsprechen, mit schreien. „Zu selten gibt es für Gruppen, die unter Diskriminierung leiden, einen Rahmen, wo sie alles rauslassen können“, sagt Youssef. „Hier muss nur der Lärmschutz eingehalten werden – sonst ist alles erlaubt.“

Dass das Festival auch den 8. März mit einschließt, ist kein Zufall, sagen Hörter und Youssef. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der 8. März aus der Frauen-Wahlrechts-Bewegung zum internationalen Streiktag ausgerufen, um für die Gleichberechtigung aller Geschlechter zu kämpfen.

Ein sicherer Raum für viele Kölner

Konkret setzen sich die Initiatorinnen auf verschiedenen Wegen mit den Themen auseinander. Die Tage stehen jeweils unter einem Motto. Los geht es am Mittwoch, 8. März mit dem Thema „Fight“, also Kämpfe. Hier unterhalten sich die Autoren Seyda Kurt und Cuso Ehrich in einem Wohnzimmergespräch über Utopien und wie diese sich in der aktuellen Gesellschaft verwirklichen lassen.

Am Donnerstag geht es um „Regenerations“, also Erholung. Bei einem veganen Candlelight-Dinner gibt es um 18.30 Uhr Lesungen von Julienne De Muririer, Evie Helen Reckendrees und Fatima Khan. Achtung: Die Angebote am Donnerstag sind limitiert. Das Candlelight-Dinner richtet sich etwa ausschließlich an Frauen, Lesben und andere Personen, die nicht männlich sind bzw. sich nicht mit ihrem biologisch männlichen Geschlecht identifizieren. (Siehe Kasten.) „Um einen sicheren Raum zu schaffen“, sagt Youssef.

Zu selten gibt es für Gruppen, die unter Diskriminierung leiden, einen Rahmen, wo sie alles rauslassen können. Hier muss nur der Lärmschutz eingehalten werden – sonst ist alles erlaubt.
Sarah Youssef, Künstlerische Leiterin Orangerie

Am Freitag geht es um Emanzipation – unter anderem mit einem Konzert der HipHop-Künstlerin Leila Akinyi und am Samstag um Widerstand. Hier können Interessierte bei einem Workshop Taschen gestalten oder etwas über einen bewussteren Umgang miteinander lernen.

Youssef sagt, das Festival sei ein wichtiges Angebot für alle Kölnerinnen und Kölner – mit und ohne Diskriminierungserfahrung. „Hier ist der Ort, um Fragen zu stellen.“

www.orangerie-theater.de


Das ROAR-Festival

Um wirklich jeder sozialen Gruppe den Zugang zum Festival zu ermöglichen, sind die Ticket-Preise im Orangerie-Theater für die Dauer des Festivals angepasst. Tickets für Performance-Kunstauftritte gibt es für zehn Euro. Die Teilnahme an Workshops kostet fünf Euro. Außerdem soll der Zugang barrierefrei gestaltet werden– etwa durch barrierefreie Toiletten.

Der Workshop am Donnerstag, 9. März, um 16 Uhr richtet sich ausschließlich an Schwarze, Indigene oder andere nicht-weiße Menschen und an Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, trans und agender Personen.

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