Kritik zum ESC-Vorentscheid 2017Levina siegt nach endlos langer Show in Köln

Sängerin Levina wird Deuschland in Kiew mit dem Song „Perfect Life“ vertreten.
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Köln – Puh, das hat gedauert: Drei Stunden lang wurde „Unser Song 2017“ gesucht, das Lied, mit dem Deutschland beim diesjährigen Eurovision Song Contest hofft, nicht wie in den letzten beiden Jahren auf dem letzten Platz zu landen. In Kiew vertritt uns nun am 13. Mai Levina mit „Perfect life“, in anderen Worten eine gute Sängerin mit einem ordentlichen Lied. Ob das reicht, wird sich zeigen.
Unser Vorentscheid
Mehr Spannung sollte dank eines ausgetüftelten Systems entstehen, bei dem nach und nach Kandidaten abgewählt werden. Eine Casting-Show-bewährte Methode, die letztendlich auch funktioniert hat. Und mit Barbara Schöneberger war einmal mehr eine bewährte Moderationsmaschine am Start, die sich bei aller Professionalität erfrischende Verplapperer leistete.
Unnötig in die Länge gezogen wurde aber der Abend durch eine „Experten-Jury“: Lena Meyer-Landruth, Tim Bendzko und Florian Silbereisen mussten nach jedem (!) Auftritt Kommentare abgeben, die sich auf Strecke doch nur wiederholten.
Unsere Kandidaten
Von Anfang an zeigte sich, dass von den fünf Bewerbern die gebürtige Bonnerin Isabella „Levina“ Lueen über die stärkste Stimme verfügt: rauchig, mit sehr viel Druck, großem Umfang und trotz Erkältung bis zum letzten Auftritt des Abends absolut belastbar.
Der einzige Mann in der Runde, Axel Maximilian Feige, hat zwar jede Menge Soul in der Stimme, was aber nicht so recht mit den vorgegebenen Songs zusammengehen wollte. Bei den restlichen drei Kandidatinnen wurde man das Gefühl nicht los, dass sie als charmante Staffage eingesetzt worden waren. Bessere Bewerber hatte es nicht gegeben?
Unser Beitrag
„Perfect Life“, geschrieben von Lindsey Ray, Dave Bassett und Lindy Robbins – vor allem letztere war am Entstehungsprozess von Hits wie Demi Lovatos „Skyskraper“ oder „Want to want me“ von Jason Derulo beteiligt. Unser Lied für Kiew ist ein prima Popsong, der nicht weiter stört und allein durch Levinas Stimme das gewissen Quäntchen mehr bekommen könnte.
Unsere Chancen
Wer hätte gedacht, dass Lena, überdreht und in seltsamem Englisch trällernd, siegen würde? Conchita hatte mit Divenattitüde und Vollbart zumindest ein Alleinstellungsmerkmal. Levina und ihr Lied werden im weiten Feld der insgesamt 42 Beiträge sicher nicht unangenehm, aber garantiert auch nicht großartig auffallen.
Im schwedischen Vorentscheid etwa ist jeder der einzelnen Auftritte schon perfekt inszeniert und durchchoreographiert, da gehen immer gleich „Gesamtpakete“ ins Rennen. So präsentierte Måns Zelmerlöw seinen späteren Siegersong „Heroes“ schon bei seinem allerersten Auftritt mit der aufwendigen Strichmännchen-Animation.
Das andere Problem betrifft jeden deutschen Beitrag – und auch die aus Spanien, Großbritannien, Frankreich und Italien. Die sogenannten „Big 6“ leisten den größten finanziellen Beitrag zum ESC und sind deshalb direkt für das Finale qualifiziert. So hören aber viele Zuschauer diese Lieder am Samstagabend zum ersten Mal. Die anderen Lieder müssen sich zwar durch die jeweiligen Semifinals (am 9. und 11. Mai) kämpfen, können so aber schon Fans gewinnen.
Außerdem treffen die „Big 6“ erst eine knappe Woche später zu den Proben ein und spielen bei der nicht zu unterschätzenden Fan-Berichterstattung überhaupt kaum eine Rolle.
Unsere Konkurrenz
Noch steht nur ein Bruchteil der Beiträge fest, aber es dürfte wieder ein Jahrgang mit vielen Damen und großen Balladen werden. Die erfrischendste Ausnahme kommt bislang aus Weißrussland, das mit der Folk-Pop-Nummer „Historyja majho zyccia“ zum ersten Mal einen Beitrag auf Weißrussisch ins Rennen schickt. Ob ihr fröhliches „hejejej“ auch den Rest Europas begeistern kann, wird sich zeigen.