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Neuer RomanJohn Grishams „Forderung“ ist unverschämt unterhaltsam

3 min
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US-Autor John Grisham.

Köln – Schon der Name ihrer Privat-Uni in Washington hätte die angehenden Advokaten warnen müssen: Foggy Bottom Law School. Und tatsächlich sind juristische Karrieren hier auf nebligen Grund gebaut: Unter einem blendend eloquenten Dekan rangieren unfähige Dozenten, die höchstens jedem zweiten Studenten über die Hürde der Abschlussprüfung helfen.

Mark, Todd und Zola wird all dies in John Grishams Roman "Forderung" indes erst kurz vor dem Examen klar. Da sitzen sie schon auf horrenden Studienkrediten von mehr als 200 000 Dollar, die sich nur über Spitzenjobs zurückzahlen ließen. Doch Partner in Nobelkanzleien rümpfen über Foggy Bottom die Nasen. Wozu also noch weiterbüffeln?

Enthüllungsartikel als Inspiration

Grisham gibt im Nachwort freimütig zu, dass er die Grundidee einem investigativen Artikel von Paul Campos über den "Betrug mit Jura-Hochschulen" verdankt. Doch wie er dieses Saatkorn aufgehen lässt, verrät eine Schaffensfreude und -kraft, die nichts mit schaler Bestseller-Routine zu tun hat.

So ersinnt er mit Hinds Rackley einen Unternehmer, der mit acht Privat-Unis 160 Millionen Dollar im Jahr scheffelt - und noch an jenen Inkassobüros beteiligt ist, die sich das Geld der geleimten Studenten notfalls mit Knochenbrechermethoden zurückholen.

Gegen dieses perfide Konsortium stehen die jungen Akademiker auf verlorenem Posten. Unwahrscheinlich also, dass Mark je seinem kriminellen Bruder helfen oder Zola ihre senegalesischen Eltern vor der Abschiebung bewahren kann. Und als dann ihr psychisch kranker Kumpel Gordy in den eiskalten Potomac springt, legt sich bleierne Tristesse auf das Trio.

Doch Grisham (63) setzt die müden Krieger unter Strom. Als Mark einmal erfolgreich als (Pseudo-)Anwalt improvisiert, ist das tollkühne Geschäftsmodell geboren: Ohne Zulassung, dafür mit falschen Identitäten und schicken Visitenkarten der Fantasie-Kanzlei Upshaw, Parker & Lane ködern die drei nun Klienten. Für Fälle, die sich ohnehin niemand genau anschaut. Der Autor von "Die Firma" und 29 weiteren Romanen war früher selbst Anwalt und pinselt das Milieu atmosphäresatt aus: Richter hart an der Einschlafgrenze, panische Kleinganoven, die sich an jeden Strohhalm klammern - und rechtsgelehrte Hyänen, die auf Gerichts- oder Krankenhausfluren nach Beute suchen. Hier wirken ein guter Anzug, die obligatorische Aktentasche und forsches Auftreten kleine Wunder. Selbst auf diesem Hinterhof des amerikanischen Traums lässt sich schon gutes Geld verdienen, und besonders Mark scheint den Seiltanz der Berufsanmaßung zu genießen. Bis ihn der Erfolg zu höheren Einsätzen verleitet.

Als kleine Erinnerung an die Ausgangslage streut Grisham die Korrespondenz mit den besorgten Kreditinstituten ein, die natürlich längst wissen, dass ihre jungen Schuldner der Foggy Bottom den Rücken gekehrt haben. Wie erfindungsreich Mark auf psychische Zerrüttung (nach Gordys Selbstmord) plädiert, wie rotzig Todd und wie höflich-verlogen Zola antwortet, ist allein schon ein virtuoses Prosakabinettstückchen.

Natürlich fliegt den Hochstaplern irgendwann die Tarnkappe vom Kopf, doch dann beginnt dieser energiestrotzende Roman gewissermaßen von vorn. Da Gordy ihnen als Testament ein Dossier über Hinds Rackleys Reich des Bösen hinterlassen hat, mündet alles in den Showdown mit dem Oberschurken. Stimmt schon, dass der Autor nun alle Gesetze der Wahrscheinlichkeit bricht, doch auch das tut er meisterhaft und unverschämt unterhaltsam.

John Grisham: Forderung. Roman, deutsch von Kristina Dorn-Ruhl, Bea Reiter, Imke Walsh-Araya. Heyne, 431 S., 24 Euro.