Neues Buch „Handeln in der Klimakrise“Frank Schätzing als unterhaltsamer Weltenretter

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Australiens verheerende Buschfeuer, für Schätzing eine Folge der fatalen Kohlepolitik des Kontinents. 

Australiens verheerende Buschfeuer, für Schätzing eine Folge der fatalen Kohlepolitik des Kontinents. 

Köln – Die Deutschen lieben Krimis, in denen der Kommissar das Böse letztlich in Schach hält. Frank Schätzing aber sieht uns alle in einem dystopischen Thriller, der übel endet, wenn wir nicht robust gegensteuern. Sein an diesem Donnerstag erscheinendes Sachbuch „Was, wenn wir einfach die Welt retten? Handeln in der Klimakrise“ klingt ja im Titel munter-optimistisch.

Leser als todgeweihte Stars einer Serie

Doch erst einmal gibt der Kölner Bestseller-Autor („Der Schwarm“, „Die Tyrannei des Schmetterlings“) den apokalyptischen Reitern die Sporen. Die Begrenzung der Erderwärmung um höchstens 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit sieht er schon als illusorisch an. Wenn alles so weiter gehe wie bisher, sei des pessimistischste Szenario des Weltklimarats namens RCP8,5 am wahrscheinlichsten. Mit den Worten „Ich erlaube mir, Sie direkt in den Worst Case zu schmeißen“, macht Schätzing die Leser zu todgeweihten Stars einer Serie.

Die eisigen Wasserspeicher in Antarktis, Arktis und im Himalaya schmelzen, der Meeresspiegel steigt katastrophal, die tauenden Permafrostböden geben tausend Milliarden Tonnen CO2 und Methan frei, die den Treibhauseffekt befeuern. In Staffel sieben, irgendwann nach dem Jahr 2100, ist der Planet um sechs bis sieben Grad wärmer und die Zivilisation am Ende.

Komplexe Strukturen auf den Punkt gebracht

Schon mit „Nachrichten aus einem unbekannten Universum“ hat sich der 63-Jährige als ebenso kompetenter wie packender Sachbuchautor erwiesen, und auch hier bringt er komplexe Strukturen knackig auf den Punkt. Nach der Lektüre weiß man, was „Kipppunkte“ im Weltklima sind, wie verheerend sich Bolsonaros Regenwald-Rodungen oder die australische Kohleverfeuerung auswirken.

Man muss mit Schätzing nicht immer einer Meinung sein. Hätte er nicht etwas härter am messianischen Image von Greta Thunberg kratzen müssen? Warum liest er den für gerade einmal neun Prozent der Treibhausgas-Emissionen verantwortlichen Autos auf acht Seiten die Leviten, Land- und Forstwirtschaft (24 Prozent!) aber nur auf zwei? Immerhin: In der viel gepriesenen Elektromobilität sieht er keineswegs das Öko-Ei des Kolumbus. Denn der für die Batterien notwendige Lithium-Abbau in den Anden lasse dort die Salzseen umkippen.

Aufklärer, aber kein Moralapostel

Das neben der Faktenfülle wohl Beste an diesem Buch: Sein Autor gibt den Aufklärer, nicht den Moralapostel. Beispiel: „Die Welt ist groß und schön und voll dämlicher Begriffe. Flugscham ist einer davon.“ Schätzing will die Klimadebatte vom Ballast der Schuld befreien und setzt auf die Wandlung gesellschaftlicher Ziele als positiven Kipppunkt.

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So ganz möchte er den Einzelnen dann freilich doch nicht aus der Verantwortung entlassen. Daher plädiert er gegen den Kauf von um die ganze Welt gereisten Billigtextilien, deren toxische Herstellung vor Ort überdies die Umwelt zerstöre. Und nein, niemand müsse Veganer werden, aber „unanständig billiges Fleisch“ aus Massentierhaltung schmecke eben auch viel schlechter als das seltener genossene Hochpreisprodukt vom Bio-Bauernhof.

Am Ende steht die Hoffnung

Außerdem: Warum muss man beim Zähneputzen das Wasser laufen lassen? Und ganz nebenbei: „Gefriertruhen brauchen eigentlich nur Lebensmittelhändler und Serienmörder.“

Die Rettung der Welt kann ganz schön unterhaltsam sein, und der dystopische Pessimismus weicht gegen Ende begründeter Hoffnung. Schließlich legt Joe Biden das Steuer in Amerikas Klimapolitik ebenso herum wie Xi Jinping in China. Im Finale nimmt uns eine Künstliche Intelligenz namens IDA mit ins Jahr 2050. Dort könnte man entweder das ungelöste Klimaproblem mit in die Stratosphäre geblasenen Schwefelpartikeln lösen, die das Sonnenlicht zurück ins All reflektieren. Oder man wäre schon weiter, grüner, wobei Schätzing eine neue, nicht mehr GAU-verdächtige Atomkraft als Brückentechnologie keineswegs ausschließt.

Dann die berühmten letzten Worte: „Gibt es ein Best-Case-Szenario? Ich weiß es nicht. Lohnt es sich, dafür zu kämpfen? Unbedingt!“

Frank Schätzing: Was, wenn wir einfach die Welt retten? Handeln in der Klimakrise. Kiepenheuer+ Witsch, 336 S., 20 Euro.

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