Ost-„Auswärtsspiel“TV-Doku über DDR-Konzert aus Anfangszeit der Toten Hosen

Die Toten Hosen bei ihrem Konzert 1983.
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Berlin/Düsseldorf – Wenn eine der größten deutschen Rockbands 40 wird, muss zum runden Geburtstag etwas Besonderes her. Aber was schenkt man den Musikern der Toten Hosen, die doch eigentlich alles haben?
Die neue ARD-Dokumentation „Auswärtsspiel: Die Toten Hosen in Ost-Berlin“ löst das Problem eindrucksvoll. Oder, wie es Hosen-Sänger Campino nach der Berliner Premiere Ende März ausdrückte: „Der Film erinnert uns sehr gut daran, warum es uns überhaupt gibt. Ein besseres Geburtstagsgeschenk kann ich mir nicht vorstellen.“
Man muss noch nicht einmal Fan von Punk oder den Toten Hosen sein, um sich für diese 75-minütige Doku zu interessieren (am 13. April um 22.50 Uhr im Ersten; bereits ab 10. April, dem Band-Geburtstag, in der ARD-Mediathek). Denn „Auswärtsspiel“ ist keine platte Huldigung für die 1982 gegründeten Düsseldorfer Rock-Ikonen. Sondern sehr viel mehr: eine Verbeugung vor den aufmüpfig-mutigen Ost-Musikerkollegen der Hosen – und „ein Stück Zeitgeschichte, jetzt ganz von Punkrock unabhängig“, wie Gitarrist Michael „Breiti“ Breitkopf feststellte.
Die Toten Hosen führen Stasi an der Nase rum
Was ist also passiert, damals vor fast 40 Jahren, in der Hauptstadt der damaligen DDR? Knapp ein Jahr nach der halboffiziellen Bandgründung mit einem Bremer Debütkonzert im April 1982 gelingt den Toten Hosen ein frecher Coup: Vorbereitet durch den gewieften britischen Musikmanager Mark Reeder, führen Campino, Andi, Breiti, Kuddel und Trini die DDR-Stasi an der Nase herum. Sie bügeln die struppigen Punk-Looks glatt und fahren mit ihrem maroden gelben Tour-Bus für ein „Geheimkonzert“ über die streng bewachte Grenze. Das Ziel: eine Kirche in Ost-Berlin, die unter misstrauischen Blicken des realsozialistischen Staates Blues- und Rockmessen ausrichtet.
Gemeinsam mit den von DDR-Punks bereits bewunderten Toten Hosen tritt die Ost-Band Planlos um Sänger Michael „Pankow“ Boehlke und Schlagzeuger Bernd Michael Lade auf (der nach der Wiedervereinigung als „Tatort“-Kommissar Erfolg haben wird).
„Auswärtsspiel“ erzählt nun mit Sensibilität und Witz die Geschichte dieser Begegnung zweier Welten und des illegalen Punk-Auftritts in seltenen Archivaufnahmen und aktuellen Interviews. „Ost-West durch die Brille des Punk“, so erklärt Regisseur Martin Groß den Anspruch seines Films.
Doku über Tote-Hosen-Auftritt in Ost-Berlin: Ex-Stasi-Mann stellt sich Kamera
Zu den emotionalen Höhepunkten gehören die Wiederzusammenführung der Musiker und ein Tribute-Konzert der Hosen in der Berliner Kirche, man sieht Tränen glitzern. Die Rolle des Buhmannes übernimmt ein Ex-Stasi-Scherge – man fühlt gleichwohl Respekt dafür, dass er sich mit seiner Sicht der Dinge einer Kamera gestellt hat.
Heute ist klar, dass der Auftritt der Toten Hosen Anfang der 1980er Jahre zusammen mit (den später von der Stasi perfide kaltgestellten) Planlos für die Ost-Punkszene ein Signal der Solidarität war. Im Film sagt Campino (59): „Das war so 'ne Art Untergrundpfadfindertum, was ich mein Leben lang geil fand.“ Und Planlos-Drummer Lade (57) meint: „Das war alles schon Vormusik auf den Untergang der DDR.“
Nicht nur in der TV-Dokumentation fällt auf, wie tief sich die heute (neben den Ärzten) populärste deutsche Punkrock-Band vor ihren Ost-Kollegen verneigt. „Durch dieses Filmprojekt ist zu sehen, was für geniale Typen diese Planlos-Jungs waren“, bekräftigte Campino bei der Berliner Premiere. „Gegen euch sind wir wirklich nur ein Kindergeburtstag.“ Und Hosen-Gitarrist Breiti ergänzte: „Dass sie sehr mutig waren und ein viel härteres Programm hatten als wir jemals auch nur annähernd, das war uns immer bewusst. (...)“ .
Beim Berliner Hosen-Konzert im August sollen die Planlos-Musiker nun als Gäste auftreten. Mit der „Alles aus Liebe“-Jubiläumstournee der Düsseldorfer ab dem 10. Juni (Start ausgerechnet in der rheinischen Konkurrenzmetropole Köln) werden vier erfolgreiche Band-Jahrzehnte gefeiert. (dpa)