Er selbst wollte nie ein „Schlagerfuzzi“ sein, sondern ein Liedermacher von Rang. Das dürfte er geschafft haben. Reinhard Mey feiert am 21. Dezember seinen 80. Geburtstag. Ein Rückblick auf seine Karriere
Zum 80. Geburtstag von Reinhard MeyZu faul, um sich ein Image auszusuchen

Der Sänger Reinhard Mey feiert seinen 80. Geburtstag
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Eigentlich war er immer da, der Bänkelsänger der deutschen Liedermacher, der singende Erzähler der leisen Töne. Am 21. Dezember wird Reinhard Mey 80 Jahre alt. Zum Älterwerden sagte er einmal lapidar: „Wenn man länger leben will, hilft nur eins: älter werden.“
Verändert hat sich der Sänger in all den Jahrzehnten seit Mitte der 60 Jahre, dem Beginn seiner Karriere, nicht wirklich. Den kleinen, sozialkritischen Geschichten aus der Normal-Welt von Dir und Mir ist er treu geblieben. Er besingt auch schon mal seinen Bleistift wie auf seiner letzten LP „Das Haus an der Ampel“ von 2020 oder das Butterbrot auf dem Album „Mairegen“ von 2010.
Harte, beißende politische Lieder eines Hannes Wader, Konstantin Wecker oder gar eines Franz Josef Degenhardt waren und sind nicht seins. Auch wenn er 1990 Oskar Lafontaine im Wahlkampf unterstützte, gehörte Reinhard Mey nie zu dieser Szene der deutschen Liedermacher. Er ist eher ein Einzelgänger und macht seit fast 60 Jahren sein „Ding“ – meist allein auf einer Bühne irgendwo in deutsch-sprachigen Landen, mit der Gitarre in der Hand, mittig platziert auf einem Barhocker.
Über den Wolken - von der B-Seite in die Hitparaden
„Über den Wolken“, sein Marken-Hit aus dem Jahr 1974, nach dem für den bescheiden auftretenden Bühnenmenschen „die Freiheit wohl grenzenlos“ war. Zunächst nur auf der B-Seite der Single „Mann aus Alemannia“, wurde das Lied 2005 von den Zuschauern der ZDF-Sendung „Die 100 besten Lieder des Jahrhunderts“ auf Platz vier gewählt. Die Idee kam ihm wohl auf einem seiner Privatflüge, nachdem er den Pilotenschein 1973 erfolgreich absolviert hatte.
Bereits ein paar Jahre vorher waren ihm weitere Lieder für die deutsche Lieder-Ewigkeit gelungen: „Gute Nacht, Freunde“, eine tief gehende Ode an die Werte einer guten Freundschaft (und mit der Inga & Wolf sich für die Teilnahme am Eurovision Song Contest beworben hatten). Oder „Ich bin Klempner von Beruf“, wo er die Mühen mit der Handwerkerschaft auf komödiantische Weise erzählt. Mit den Gesellen dieser Branche beschäftigt er sich liebevoll in der schönen Ballade „Drei Jahre und einen Tag“ von 2007. Verschiedene Seiten, die Mey immer wieder bedient. Er bevorzugt leise Kritik, verpackt in Skurrilitäten oder auch Absurditäten, und er gibt der Menschlichkeit die sanften emotionalen Noten, die bei seinen Fans so aufrichtig und innig geliebt werden.
Um sein Image hat sich Reinhard Mey nie gekümmert
Seine Kritiker meinten es nicht immer so gut mit ihm. Nicht allen konnte er es recht machen. Manch einer/eine fand seine Lieder zu belanglos, zu unpolitisch. Zeitweise wurde er in die Schlagerszene gepackt, worauf der zweimal Verheiratete und dreifache Vater 1999 im Magazin „Der Spiegel“ sagte: „Ein Schlager ist nur gut, wenn er sich gut verkauft. Ein Chanson kann ein Meisterwerk sein, auch wenn es nur drei Kunden findet.“ Er selbst hat sich nach eigener Aussage um Dinge wie Image nie gekümmert. Er sei „zu faul, um sich eines auszusuchen“, sagte er 2005 in einem Interview im „Reader’s Digest“.
Ganz so unpolitisch ist Mey jedoch gar nicht. In dem Lied „Ein Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars“ aus dem Jahr 1977 nimmt er die deutsche Bürokratie mit spitzer Zunge aufs Korn. In „Alle Soldaten wollen nach Haus“ von 1990 singt er ein Plädoyer gegen das Militär – im Zuge von Gorbatschows Glasnost und der Auflösung des Kalten Krieges in dieser Zeit. 1983 kritisierte er die Medien in „Was in der Zeitung steht“ scharf. Und in seiner Moral-Satire „Das Narrenschiff“ von 1998 fällt er ein zynisches Urteil über die damalige deutsche Gesellschaft.
Reinhard Mey wehrt sich gegen den „Schlagerfuzzi“
Wohl auch deshalb wehrte sich Reinhard Mey vehement, als ihn die Deutsche Phono-Akademie 1999 für den Schallplattenpreis Echo nominieren wollte – in der Kategorie „Deutscher Schlager“. Für Mey eine „Beleidigung“. Er antwortete, dass er nicht Schlagerfuzzi sein wolle, sondern ein Liedermacher sei, der versucht, „in der kargen Dürre der deutschen Musiklandschaft die seltene, schöne, zarte Blume Chanson auszusäen, zu hegen und zu pflegen“.
In seinem Lied „Ich wollte wie Orpheus singen“ auf seinem gleichnamigen ersten Album von 1967, ganz am Anfang seiner bemerkenswerten Karriere, formulierte er ein gewagtes Ziel. 28 Studioalben, große Erfolge in Frankreich (wo er sich Frédérik Mey nannte) und den Niederlanden, über 1300 Konzerte und große Tourneen später können Fans, Kritiker und vielleicht auch er selbst schon mal Bilanz ziehen: Der Halbgott Orpheus ist wohl nicht erreichbar, aber Reinhard Mey war und ist in seinen besten Liedern vielleicht gar nicht so weit von seinem Ziel entfernt.